Die unsichere Zukunft der Musik
Fazit der dritten Future of Music-Konferenz: Musiker haben andere Probleme als Kazaa & Co.
Vor wenigen Tagen ging in Washington die dritte Future of Music-Konferenz zu Ende (siehe auch: Musiker zwischen alten Monopolen und neuen Medien). In diesem Jahr überwogen die traditionellen Themen, mit Piraterie wollte sich kaum noch jemand beschäftigen. Als weitaus brennenderes Problem erschien vielen Teilnehmern die zunehmende Deregulierung des US-Radiomarktes.
Musiker, ihre Rechtsanwälte, Label-Betreiber, Technologie-Anbieter und Netz-Aktivisten - sie alle waren Anfang der Woche auf Einladung der Future of Music Coalition in Washington zusammen gekommen, um über die Zukunft der Musikindustrie zu diskutieren. Abermals ausgeschlagen hatte die Einladung allerdings der US-amerikanische Fernseh- und Radiobetreiber-Zusammenschluss National Association of Broadcasters (NAB). Wahrscheinlich hatten dessen Vertreter geahnt, dass man auf der Konferenz nicht gerade sachte mit ihnen umgehen würde.
Die Future of Music Coalition hat kürzlich eine Studie zur Konzentration in der US-Radiolandschaft herausgegeben. Die Bilanz: Zehn Firmen kontrollieren rund zwei Drittel der US-Radios, allein 42 Prozent aller Zuhörer werden von den beiden Medienriesen Clear Channel und Viacomm bedient. Dies macht es lokalen Bands immer schwerer, im Radio Gehör zu finden. Lokalpolitik kommt in der US-Radiolandschaft fast gar nicht mehr vor. "Eine schlampige Analys" nannte die NAB die Ergebnisse der Studie, ohne ihre Position jedoch vor der Konferenz rechtfertigen zu wollen.
Unterstützung bekam die Coalition dagegen von zahlreichen eingeladenen Politikern. So berichtete der Kongressabgeordnete Mark Foley, er habe in seinem Wahlkreis keine Chance mehr, mit politischen Positionen ins Radio zu kommen. Senator Russ Feingold kündigte zudem an, ein Gesetz gegen die zunehmende Konzentration der US-Radiolandschaft vorstellen zu wollen. Wenn Bands wegen einer ausufernden Medienkonzentration keine Möglichkeit mehr hätten, im Radio gespielt zu werden, dann sei dies auch eine Gefahr für die Demokratie:
Übers Radio gesendete Musik hilft der Gesellschaft, einige der wichtigsten Fragen zu überdenken, die unser Land beschäftigen - Fragen wie die nach Krieg und Frieden, Fragen sozialer Gerechtigkeit."
Tauschen legalisieren, Internet versteuern?
Ein zweites Thema, das zahlreiche Panels der diesjährigen Konferenz dominierte, war der umstrittene Vorschlag einer Steuer für geistiges Eigentum.
Professor Yochai Benkler von der Universität New York etwa stellt sich die Zukunft der Musikwirtschaft so vor: Technologiefirmen und Konsumenten zahlen eine Art Steuer auf alle digitalen Endgeräte, auf ihren Internetzugang und ähnliche Angebote. Dieses Geld wird dann an Musiker und Plattenfirmen ausgeschüttet. Im Gegenzug werden die Plattenfirmen per Zwangslizenz dazu verpflichtet, ihre Musik zum Vertrieb über Tauschbörsen zur Verfügung zu stellen.
Seinem Kollegen David Post von der Universität Philadelphia gefiel diese Idee. "Enorme Transaktionskosten" ließen sich auf diese Weise einsparen, so Post. Cary Sherman, Präsident der Recording Industry Association of America (RIAA), wandte jedoch ein: "Solche Steuern bringen nicht genug Geld." Die Abgaben auf Leerkassetten hätten seit ihrer Einführung in den USA insgesamt lediglich vier Millionen Dollar eingebracht. Und Richard Conlon von der US-Verwertungsgesellschaft BMI erklärte dazu: "Solche Lizenzen setzen ein Scheitern des Marktes voraus, und dafür ist es bei weitem zu früh."
P2P kein wirkliches Problem
Die Future of Music Coalition versucht als Nonprofit-Organisation, für die Interessen von Musikern im Zeitalter der Digitalisierung einzutreten. Neben politischer Arbeit wie etwa der Radiostudie gehört dazu auch, Musiker ganz praktisch an den Diskussionen zu beteiligen. 200 Musikschaffenden wurde deshalb der Konferenzbeitrag von rund 750 Dollar erlassen. Auch auf den Podien waren Musiker zahlreich vertreten. In Bezug auf die Zukunft ihrer Branche zeigten sie sich jedoch uneinig. So erklärte Patti Smith auf Napster und seine Nachfolger angesprochen, diese seien ihr egal. Smith weiter: "Meine Band wird fast nie im Radio gespielt. Ich bin froh, wenn sich Leute die Musik anhören - und sie dann hoffentlich kaufen."
Vernon Reid, Ex-Mitglied der Band Living Colour, erklärte dagegen: "Kopierschutz ist wirklich wichtig." Gerade Songwriter, die sich ihr Geld nicht mit Live-Konzerten verdienen könnten, müssten vor illegalen Downloads geschützt werden. Der mit der Punk-Band Hüsker Dü berühmt gewordene Bob Mould meinte, der Trend zu P2P ließe sich sowieso nicht mehr rückgängig machen. Ans Publikum gewandt sagte er: "Ihr alle entscheidet, wie viel Musik wert ist - wenn ihr glaubt, sie sollte umsonst sein, dann wird sie umsonst sein."
Ian MacKaye von der Punk-Band Fugazi bezeichnete sich als hin- und hergerissen zwischen diesen beiden Positionen. Letztlich sei P2P aber für ihn kein wirkliches Problem. "Eine Flut, Hungersnöte, das sind Probleme", so MacKaye.