Die versprochene Hilfe kam nie an
Vor 30 Jahren schlossen Nord-Vietnam und USA ein Waffenstillstandsabkommen, wofür Kissinger den Friedensnobelpreis erhielt
Nach Jahren des Krieges gab es endlich die Aussicht auf Frieden in Vietnam. Heute vor dreißig Jahren, am 27. Januar 1973, schlossen die USA und Nord-Vietnam ein Waffenstillstandsabkommen. Le Duc Tho, der Vertreter Nordvietnams, und der amerikanische Sicherheitsberater Henry Kissinger, die das Abkommen ausgehandelt hatten, bekamen für die erfolgreichen Verhandlungen den Friedensnobelpreis. "Für Nixon ein neuer Erfolg seiner Außenpolitik nach dem Ausgleich mit Peking", kommentierte die Tagesschau in ihrem Jahresrückblick. Der Krieg in Vietnam war damit jedoch noch lange nicht vorbei. Erst zwei Jahre später, am 30. April 1975, wurden die letzten 1.000 Amerikaner in aller Eile aus Saigon ausgeflogen. 3 Millionen Vietnamesen und 58.000 Amerikaner haben in dem über zehn Jahre dauernden Krieg ihr Leben verloren.
US-Präsident Richard Nixon verkündete am 23. Januar 1973 in einer Radio- und Fernsehansprache die Einzelheiten des "Abkommens zur Beendigung des Kriegs und Wiederherstellung des Friedens in Vietnam", das am 27. Januar von den USA, den Vertretern Nord- und Süd-Vietnams sowie dem Vietkong in Paris unterzeichnet worden war. Bis zum Frühjahr des Jahres sollten die USA alle Truppen aus Vietnam abziehen, eine internationale Kontrollkommission überwacht die Waffenruhe. Vereinbart wurde auch der Austausch der Kriegsgefangenen.
"Ich werde nicht der erste amerikanische Präsident sein, der einen Krieg verliert"
Der Waffenstillstand trat einen Tag nach der Unterzeichnung in Kraft. In einem Brief an den Premierminister Nord-Vietnams sicherte Nixon wenige Tage später Unterstützung für den Wiederaufbau zu und stellte Zahlungen im Wert von 3,25 Milliarden Dollar in fünf Jahren in Aussicht. Hilfe, die allerdings niemals ankam, wie William Blum, ein ehemaliger Mitarbeiter des Außenministeriums und heutiger Kritiker der US-Außenpolitik, bemerkte.
Fünf Jahre hatten die Verhandlungen zwischen den USA und Nord-Vietnam gedauert. Den Weg zu Friedensgesprächen hatte Nixons Vorgänger Lyndon B. Johnson frei gemacht, als er am 31. März 1968 das Ende der Bombenangriffe auf Nord-Vietnam verkündete. Die Verhandlungen begannen am 13. Mai 1968 in Paris. Der neue Präsident Richard Nixon weigerte sich allerdings, alle US-Truppen aus Vietnam abzuziehen. "Ich werde nicht der erste amerikanische Präsident sein, der einen Krieg verliert", so erklärte Nixon 1969.
Stattdessen verkündete Nixon am 3. November 1969 die "Vietnamisierung" des Krieges, wonach amerikanische Soldaten zunehmend durch südvietnamesische Streitkräfte ersetzt werden sollten. Einen sofortigen, schnellen Abzug aller amerikanischen Truppen verwarf er dabei ausdrücklich und qualifizierte die Antikriegsdemonstranten, die forderten, "die Jungs zurückzuholen", als "Minderheit" ab.
Unter Nixon und seinem Sicherheitsberater Henry Kissinger wurde der Krieg sogar noch verschärft. Die USA bombardierten Kambodscha und Laos, um der FNL (Front for National Liberation) - also dem Vietkong - den Nachschub abzuschneiden. Der erhoffte Sieg über die Kommunisten blieb aber weiterhin aus. 1972 verminten die USA die wichtigsten Häfen Nord-Vietnams, Ende des Jahres befahl Nixon Bombardierung von Hanoi und Haiphong. Die dabei angerichteten Zerstörungen gelten als die schwersten des Krieges. Als auch das nichts half, schwenkten die USA endlich auf Friedenskurs ein.
Der Friedensnobelpreisträger Kissinger
Ausgehandelt hatten das Waffenstillstandsabkommen Le Duc Tho für Nord-Vietnam und der Sicherheitsberater Nixons und spätere Außenminister, Henry Kissinger. Beide bekamen dafür den Friedensnobelpreis des Jahres 1973 verliehen. Le Duc Tho lehnte den Preis jedoch wegen des anhaltenden Krieges in Vietnam ab.
Henry Kissinger ist mittlerweile der wohl bekannteste und zugleich umstrittenste Ex-Außenminister der Vereinigten Staaten. Mit dem Aufsatz The Case against Henry Kissinger, veröffentlicht im Harper's Magazine im Februar 2001, aus dem später das Buch Die Akte Kissinger hervorging, machte Christopher Hitchens wieder auf Henry Kissinger aufmerksam. Der britische Journalist warf dem Ex-Außenminister "Kriegsverbrechen, Verschwörung zum Mord, Entführung und Folter" vor und begründet diese Vorwürfe unter anderem mit dem Vietnam-Krieg. Kissinger sei für die Angriffe auf die neutralen Länder Laos und Kambodscha verantwortlich, ebenso für zahlreiche Opfer unter der Zivilbevölkerung.
Inzwischen fordert eine Kampagne, Kissinger den Friedensnobelpreis abzuerkennen. Dabei wird auch auf Kissingers Unterstützung von General Augusto Pinochet verwiesen, der 1973 gegen den demokratisch gewählten chilenischen Präsidenten Salvador Allende putschte. Auch die "International campaign against impunity" hat sich des Falls angenommen und gibt den Newsletter Kissinger Watch heraus.
Einen Vorschlag der ganz besonderen Art machte der Philosoph Slavoj Zizek in der Debatte um die Verhaftung Milosevics und Pinochets. Um den Eindruck einer gewissen Einseitigkeit des Westens bei der Verhaftung von Verbrechern zu vermeiden, solle jetzt "auch im Zentrum" zugeschlagen werden. Zizek forderte also, "jemanden festzunehmen, 'der wirklich zählt'", und kam aus ganz praktischen Erwägungen auf Kissinger:
"Der Vorwurf, er sei Kriegsverbrecher, ist alt und begründet (man erinnere sich nur an die berüchtigte BBC-Talkshow, in der der Moderator den Kandidaten direkt fragte: 'Wie fühlen Sie sich als Kriegsverbrecher?', woraufhin Kissinger das Studio verließ, klar). Überdies ist er nicht mehr politisch aktiv, so dass die USA nicht behaupten könnten, seine Festnahme würde in irgendeiner Weise das Funktionieren ihres Staatsapparates behindern."
Kissinger selbst hat die Vorwürfe gegen seine Person immer pauschal zurückgewiesen. Im Gegensatz zu anderen US-Politikern wie Robert McNamara, der als Verteidigungsminister in den 60ern für den Vietnam-Krieg mit verantwortlich war und ihn heute als "falsch, furchtbar falsch" bezeichnet, hat sich Kissinger bis heute nicht von seiner damaligen Politik distanziert, unter deren Folgen die Menschen in Vietnam noch heute leiden. Stattdessen warnte er vor internationalen Strafgerichtshöfen: "Die Diktatur der Rechtschaffenen hat oft zu Hexenjagden geführt."