Die weltweite Ausbeutungspyramide am Beispiel Afrika

Seite 2: Gefangen in unfairen Schulden

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Der Umstand, dass fast alle Länder Afrikas aus ihrer kolonialen Knechtschaft heraus bis zum heutigen Tag eine sehr einseitige Exportstruktur aufweisen, die zudem auf unverarbeiteten Rohstoffen basiert17, ist sehr bedeutsam, um die Auslandsverschuldung des Kontinents zu verstehen, die seit Ende der 70er Jahren aufgekommen ist und die Länder nachwievor an einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung hindert.

Anfang der 70er Jahre stiegen im Zuge der ersten Ölkrise die Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt rasant an. Einhergehend mit dieser Entwicklung verbesserte sich nicht nur die Kreditwürdigkeit Afrikas, sondern es wurden von vielen der dortigen Regierungen in Erwartung weiter steigender Rohstoffpreise umfangreiche Investitionen basierend auf Kreditgeldern in die Infrastruktur getätigt, um die heimischen Exportmöglichkeiten auszubauen.18 Die Industriestaaten als alte Kolonialherren fanden auf diese Weise neue Anlagemöglichkeiten für ihr überschüssiges Kapital, das in Anbetracht der allmählich gesättigten eigenen Märkte nach neuen Möglichkeiten zur Vermehrung suchte.

Hierbei muss es nicht verwundern, wenn die aus den ehemaligen Kolonialstrukturen hervorgegangenen Führungseliten sich gern von den Ideen der Geldgeber inspirieren ließen und Mittel für solche Infrastrukturprojekte aufwendeten, die weniger den Bevölkerungen, mehr jedoch dem eigenen Prestige, Größenwahn und eben langfristigen Absichten der Geldgeber dienten. Nachdem die Rohstoffpreise Anfang der 80er Jahre wiederum stark abfielen, gerieten die Länder Afrikas aufgrund der einbrechenden Exporterlöse in enorme Zahlungsschwierigkeiten. Hier stand der IWF dann mit kurzfristigen Krediten zur Seite und fungierte als verlängerter Arm der Industriestaaten, um mit seinen ideologisch aufgeladenen "Strukturanpassungsprogrammen", wie anfangs geschildert, die Wirtschaftspolitik der afrikanischen Länder festzulegen.

Die ansteigenden Zinsen im Zuge der monetaristischen Wende trieben diese Länder schließlich immer weiter in die Verschuldung. Betrug die Gesamtverschuldung von Subsahara-Afrika 1970-74 noch 11 Mrd. US-$, war sie bis 1985-89 auf rund 137 Mrd. US-$ angestiegen und lag 1995-2000 bei rund 223 Mrd. US-$. Die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) wies darauf hin, dass Subsahara-Afrika zwischen 1970 und 2002 insgesamt Kreditgelder im Umfang von ca. 294 Mrd. Euro erhielt und Kreditzahlungen in Höhe von 268 Mrd. Euro leistete, dennoch aber 2002 nachwievor Schulden in Höhe von 210 Mrd. Euro aufwies.

Der Preis für die Tilgung der alten Schulden samt Zinsen waren also neue Schulden. Schaut man sich nun die Leistungsbilanz Subsahara-Afrikas an, wird ersichtlich, dass der Hauptteil des Defizits in dieser Zeit durch die Überweisung von Vermögenseinkommen in das Ausland entstand, d.h., die sich jährlich anhäufenden Schulden kamen hauptsächlich nicht dadurch zustande, dass Afrika mehr importierte als exportierte, sondern dadurch, dass es Zahlungen aufgrund ausländischer Eigentumsrechte zu leisten hatte, wie dies etwa aufgrund von Direktinvestitionen der Fall ist, wenn z.B. ein ausländischer Ölkonzern afrikanisches Öl fördert und seine Gewinne somit dem Herkunftsindustrieland zufließen.19

Die angesammelten Schulden Afrikas erdrücken den Kontinent

Gelder, die für den Zinsdienst aufgewendet werden, fehlen zur Versorgung der Bevölkerung. Anstatt Kindern Nahrung und Schulbildung durch Sozialprogramme zu ermöglichen, werden Gelder zur Bedienung der Eigentumsrechte der Industrieländer aufgewendet. Auf diese Weise werden viele millionen bedürftige Menschen in den Entwicklungsländern in lebensgefährlicher Unterversorgung gehalten (u.a. mangelnde Nahrungsmittelversorgung, sowie fehlende Programme zur Krankheitsprävention und -behandlung). Dabei verteilten sich 1992 über 80% der Schulden Subsahara-Afrikas auf öffentliche Gläubiger (Staatssektoren der OECD-Länder, IWF, Weltbank).

Die Politikwissenschaftlerin Susan George wies darauf hin, dass es sich beim Volumen dieser Schulden um nichts weiter als "Peanuts" für die reichen Industrieländer handele, und fragte, warum diese also an ihnen festhielten in Anbetracht der unmenschlichen Zustände, die durch sie bedingt werden.20 Erschwerend kommt hinzu, dass ein erheblicher Teil der Schulden als illegitim anzusehen ist, da Kreditgelder der Industrieländer etwa afrikanischen Diktatoren gewährt wurden, die damit Waffen kauften, um die Bevölkerung zu unterdrücken und ihre eigene nicht demokratisch legitimierte Macht zu erhalten.21

Entschuldungsinitiativen

1996 wurde nicht zuletzt durch den Druck zivilgesellschaftlicher Kampagnen die sog. HIPC-Initiative22 seitens der großen Industrieländer beschlossen, durch die ein teilweiser Schuldenerlass für die ärmsten Länder der Welt erfolgen sollte. Hierbei ging es sowohl um bilaterale als auch um multilaterale Schulden (u.a. IWF, Weltbank), die auf ein als "erträglich" definiertes Niveau reduziert werden sollten.23

Die Schuldenerleichterungen sind allerdings gebunden an strenge Auflagen für die HIPC-Länder. Diese Auflagen sollen zwar offiziell sicherstellen, dass die Armut in den HIPC-Ländern reduziert wird, schaut man jedoch genauer auf die Konditionalitäten, wird deutlich, dass diese genauso wie die Auflagen im Rahmen der damaligen Strukturanpassungsprogramme dem neoliberalen Paradigma folgen und ein Hineinregieren in die Wirtschaftsräume ermöglichen sollen. So werden neben umfangreichen Privatisierungen auch Vorgaben zur Steigerung privater Investitionen gemacht. Diese Vorgaben sind so umfassend, dass sich Länder trotz Erfüllung der HIPC-Aufnahmekriterien sogar weigerten, sich auf die - offiziell als Erleichterung angedachten - Programme einzulassen.24

Ergänzend zur HIPC-Initiative wurde 2005 noch die sog. Multilateral Debt Relief Initiative (MDRI) gestartet, die einen kompletten Erlass der Verbindlichkeiten gegenüber IWF, Internationaler Entwicklungsorganisation (IDA) und Afrikanischem Entwicklungsfonds (AfDF) für jene Länder ermöglichen soll, die die HIPC-Initiative wie gewünscht absolviert haben. Die hierbei gewährten Hilfen werden jedoch nicht nur schön gerechnet, sondern die Initiative dient als Instrument zur Gefügigmachung der adressierten Länder gegenüber den Interessen der Industriestaaten.

Bis 2005 sind durch die HIPC-Initiative und die MDRI maximal rund 60 Mrd. US-$ für alle ausgewählten Entwicklungsländer zusammen aufgewendet worden. In Anbetracht der Gesamtschulden allein der Entwicklungsländer Subsahara-Afrikas, die gemäß Weltbank 2004 bei 254 Mrd. US-$ lagen, muss es nicht verwundern, wenn die Effekte der Initiativen zum Schuldenerlass sich bei der tatsächlichen Entwicklung der Schulden lediglich wie ein kleiner Knick in der Kurve rund um das Jahr 2005 herausnehmen, um bis 2011 wiederum auf ein Niveau von 296 Mrd. US-$ angestiegen zu sein.25

In Anbetracht der zögerlichen und geringen Entschuldung von Entwicklungsländern, deren Schulden einen erheblichen Zahlungsaufwand für diese Länder bedeuten und den unmenschlichen Mangel in ihnen maßgeblich mitbedingen, in Anbetracht des nicht selten als unmoralisch anzusehenden Zustandekommens dieser Verschuldung unter Mitverantwortung der Gläubiger, in Anbetracht der "Peanuts", die diese Schulden letztlich für die reichen Länder dieser Welt darstellen und in Anbetracht der neoliberalen Bedingungen rund um Privatisierung und Förderung ausländischer Privatinvestitionen, die den Entschuldungskandidaten abgefordert werden, zeichnet sich ein klares Bild davon ab, dass die Auslandsverschuldung der Entwicklungsländer aus der Perspektive der reichen Gläubigerländer (und hier natürlich wiederum der in ihnen herrschenden elitären Partikularinteressen) nicht etwa als ein tragisches Übel angesehen wird, sondern als eine effektive Methode, um Kontrolle über große Teile der Welt, sowie die in ihnen vorhandenen Rohstoffe zu erlangen.26