Diese vier Kriege werden um Venezuela gefochten

Seite 2: Der psychologische Krieg

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Einen erheblichen Teil im Ringen um die Macht in Venezuela macht dieser Tage die psychologische Kriegsführung der US-Regierung aus. Federführend dabei ist Sicherheitsberater Bolton. Mutmaßlich mit Vorsatz hielt er vor wenigen Tagen ein DIN-A-4-Blatt mit der Notiz "5.000 Soldaten nach Kolumbien" in die Pressekameras. Die Notiz machte umgehend die Runde und sorgte international für Schlagzeilen (Sicherheitsberater Bolton verkündet indirekt: "5,000 troops to Colombia").

Später sagte Bolton, eine militärische Intervention der Vereinigten Staaten in Venezuela stehe nicht unmittelbar bevor. Man prüfe aber alle denkbaren Schritte und Mittel. Die Frage, ob eine US-Militärintervention unmittelbar bevorstehe, gegebenenfalls auch mit Unterstützung von Brasilien oder Kolumbien, beantwortete Bolton in einem Radiointerview knapp mit "Nein".

Präsident Trump bestehe indes darauf, alle Optionen auf dem Tisch zu behalten, so Bolton weiter: "Aber unser Ziel ist ein friedlicher Machtwechsel." Gleichzeitig weigerte sich Guaidó, eine etwaige Unterstützung durch das US-Militär inmitten der eskalierenden politischen Krise auszuschließen. Das venezolanische Volk wolle die "Diktatur von Präsident Nicolas Maduro" mit "dem nötigen Druck" beenden, sagte er gegenüber dem US-Sender CNN.

In einem weiteren Radiointerview warnte Bolton Präsident Maduro am Freitag davor, er könne im US-Folterlager Guantánamo auf Kuba enden, wenn er nicht in absehbarer Zeit auf die Regierungsmacht verzichtet.

"Gestern habe ich getwittert, dass ich Ihnen einen langen und ruhigen Rückzugsort an einem schönen Strand weit weg von Venezuela wünsche. Und je früher Sie diese Gelegenheit nutzen, desto wahrscheinlicher ist es, dass Sie einen schönen, ruhigen Rückzugsort an einem schönen Strand anstelle eines anderen Küstenstrichs wie Guantánamo haben werden", sagte der neokonservative Politiker.

Kolumbiens rechtskonservativer Präsident Iván Duque gab Maduro indes nur noch "wenige Stunden Zeit". Duque forderte am Freitag, den diplomatischen Druck auf Präsident Maduro zu verschärfen, um einen Regimewechsel in dem Erdölstaat zu ermöglichen.

Der geopolitische Krieg

Vieles spricht dafür, dass Juan Guaidó bei der angestrebten Übernahme der Macht in Venezuela die Zeit davonrennt. Der 35-jährige hat nach seiner Selbstausrufung zum Präsidenten offenbar mit einer raschen Kettenreaktion und dem Überlaufen des Militärs gerechnet. So einfach aber gestaltet sich die Sache nicht.

Die Armee besteht in Venezuela nicht nur aus den üblichen Teilstreitkräften, hinzu kommen Nationalgarde und Nationalmiliz, die rund 500.000 Personen organisiert hat. Der Chavismus hat zudem einen mittelbaren Mobilisierungseinfluss auf traditionelle Gruppen der Stadtguerilla. Bei einer bewaffneten Auseinandersetzung dürfte die Lage schnell unübersichtlich werden. Dennoch scheint die US-Regierung, angetrieben von Maduro-kritischen Senatoren wie Marco Rubio, wild entschlossen, den Sturz Maduros voranzutreiben.

Mit der Ausrufung Guaidós, der ohne jede Hemmung auf die - auch militärische - Hilfe der USA setzt, ist Venezuela schließlich mit einem Schlag zum geopolitischen Spielball geworden. Die UN-Sicherheitsratsmitglieder China und Russland haben umgehend deutlich gemacht, dass sie einen von außen beförderten Umsturz, der die eigenen Interessen in Gefahr brächte, nicht dulden werden.

Schon Mitte Dezember hatte der Kreml zwei strategische Langstreckenbomber nach Venezuela verlegt (Schlagabtausch über russische Atombomber in Venezuela). Nun machten hochrangige Regierungsvertreter klar, dass dieses eher symbolische Engagement schnell massiver und konkreter werden könnte, wenn die USA den Bogen überspannen.

Der Grund ist einfach: Die russische Erdölindustrie, allen voran Rosneft, ist eng mit dem staatlichen venezolanischen Erdölkonzern PdVSA verbunden. Und China hat über die letzten Jahre hinweg mindestens 50, wenn nicht 60 Milliarden US-Dollar Kredite nach Caracas überwiesen. Für diese Investitionen sind beide Großmächte - auf die eine oder andere Weise - bereit zu kämpfen.

All dies zeigt: Über das Schicksal Venezuelas wird dieser Tage kaum alleine in Venezuela entschieden.