Dieses IT-Desaster hinterlässt die Große Koalition
Seite 3: TKG-Novelle "innovationsfeindlich, unausgereift und eine Katastrophe"
- Dieses IT-Desaster hinterlässt die Große Koalition
- IT-SiG 2.0 ohne "klare Zielrichtung
- TKG-Novelle "innovationsfeindlich, unausgereift und eine Katastrophe"
- Auch problematisch: Verfassungsschutznovelle, Open Data und TTDSG
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Die ebenfalls Ende April beschlossene Novelle des Telekommunikationsgesetzes schneidet nicht viel besser ab. Als Sachverständiger im Wirtschaftsausschuss des Bundestages hatte auch mailbox.org-CEO Peer Heinlein immer wieder deutlich gegen Horst Seehofers Pläne Stellung bezogen.
Der E-Mail-Provider hat seinen Schwerpunkt auf sicher verschlüsselter Kommunikation und ist einer der Träger einer Verfassungsbeschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung. Heinlein nennt das Gesetz "innovationsfeindlich, unausgereift und eine Katastrophe". Es fänden schlicht zu starke Eingriffe in die Grundrechte der Bürger statt. Zudem untergrabe das novellierte TKG die wirtschaftliche und digitale Souveränität deutscher Unternehmen, weil es nur deutsche Provider verpflichte, an der Überwachung mitzuwirken, zudem noch auf eigene Kosten.
Es bringe "pauschale Angriffe auf Sicherheit und Verschlüsselung der künftigen Mobilfunknetze und neue Regeln zur Bestandsdatenauskunft, Passwortherausgabe sowie immer noch eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung".
Die Mängelliste ist lang, sagt auch die Opposition. Tabea Rößner kritisiert überbordende Bürokratie ebenso wie den Mangel an Strategie und Weitsicht. Dies zeige sich auch darin, dass in der geplanten Bestandsdatenauskunft eine absichtliche Leerstelle für ein künftiges "Reparaturgesetz" enthalten ist, das später Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts gerecht werden soll.
Solche Rechtsunsicherheiten sind nichts Neues: Der grüne Innen- und Netzpolitikexperte Konstantin von Notz meint:
Die Umsetzung des EU-Kodexes Telekommunikation in deutsches Recht und eine Angleichung der Regelungen an die DSGVO sind seit Jahren überfällig, das war eine massive Rechtsunsicherheit. Der Datenschutzbeauftragte hat mehrfach darauf hingewiesen und wiederholt eine zügige Umsetzung angemahnt. Passiert ist nichts. Der Zeitdruck, jetzt in der Endphase der Legislaturperiode, ist selbstverschuldet. Ein ordentliches Gesetzesverfahren war und ist das nicht.
Konstantin von Notz, Bündnis90/Die Grünen
Das erklärt vielleicht die Eile, die auch Anke Domscheit-Berg (Die Linke) kritisiert: "Erst einen Tag vor der letzten Behandlung schickte die Bundesregierung ihre Änderungen zum Gesetz - 450 Seiten - und peitschte sie durch. Dieser Prozess ist eine Missachtung des Parlaments." (…)
Laut Domscheit-Berg komme so weder das versprochene Recht auf schnelles Internet, noch würden Grundlagen für regionales Roaming zur Verbesserung der Netzabdeckung geschaffen: "Stattdessen nutzt die Bundesregierung das TKG zu einer erneuten Ausweitung der Massenüberwachung."
Das sei insofern ein besonderes Problem, weil die Bundesregierung nach wie vor keine "Überwachungsgesamtrechnung" erstelle. So könne sie nicht einmal nachweisen, "dass ihre Überwachungs- und Sicherheitsgesetze den versprochenen Nutzen haben", so Domscheit-Berg.
Die Nebenwirkungen dagegen seien enorm. Die Linken-Netzpolitikerin befürchtet einen Vertrauensverlust durch den "Chilling Effekt": Schon die Wahrnehmung allgegenwärtiger staatlicher Überwachung sei mit den Werten einer entwickelten Demokratie nicht vereinbar.
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