Digitalitis

Kann man ohne Computer noch glücklich sein?

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In aller Kürze, aber mit gewisser Boshaftigkeit könnte man sagen, dass heutzutage die Kommunikation alles und der Verstand nichts ist. Verschiedene Netzspezialisten ergötzen sich an der Aufzählung der Bitanzahl sowie an deren Übertragungsgeschwindigkeit im globalen Maßstab. Wie es üblicherweise bei großen technologischen Innovationen vorkommt, scheint alles zuerst sonnig zu sein, dann aber tauchen auf dieser Sonne Flecken auf.

Ich gestehe, dass ich mich unter dem Druck der mir überzeugender erscheinenden Fakten und Tendenzen computerisiert habe und mir ein Fax und ein Modem zugelegt habe. Ich besitze auch ein irgendwo platziertes Postfach für die elektronische Post. Es ist einfach so, dass die elektronische Kommunikation an Bedeutung gewinnt, weil sie vor allem bei Fernverbindungen viel billiger ist als Telefon.

Die Zahl der Fachzeitschriften, die der Digitalära, an deren Schwelle wir uns angeblich befinden, gewidmet sind, wächst ständig. Vielleicht sollte man mit den Flecken auf dieser neuen Sonne beginnen. Alle Arten von Fälschungen, geheimen Absprachen, Betrügereien, Spekulationen sowie das Eindringen auch in die am gründlichsten und von Experten überwachten Datenbanken finden im Internet sehr bequeme Betten und Verstecke, weil es dort einfacher als anderswo ist, die Anonymität des Absenders zu bewahren. Selbstverständlich können sich auch Dummheiten und Unsinn dank des Internet blitzartig verbreiten.

In Polen befinden wir uns erst am Anfang all dieser Scheidewege, vor allem deswegen, weil die Netzkommunikation, wie übrigens jede andere elektronische Kommunikation auf in hohem Grade von der zuverlässigen Verfügbarkeit der Infrastruktur des Landes abhängig ist. Ich erinnere mich noch an meine Ankunft in Moskau um Mitternacht zu der Zeit, als Andrej Tarkowski den Film nach meinem Roman Solaris zu drehen begann. In dem angeblich erstklassigen Hotel, in das wir gingen, konnte man als Mahlzeit ausschließlich Wodka, Vollkornbrotscheiben und Schwarzkaviar bekommen. Es schien mir damals, dass alle Normen der Ernährung in Hotelrestaurants auf den Kopf gestellt wurden.

Die Versuche, irgendwelche Formen der Zensur im Netz einzuführen, werden in vielen Staaten mit fraglichen, wenn nicht fast vergeblichen Erfolgen betrieben. Vor der Invasion der Inhalte, also der Bilder und Texte mit beliebiger Intensität an verderblicher Unmoralität, kann man sich zwar schützen, aber das ist sehr schwierig, weil das Grundprinzip beim Aufbau der Netze deren Zentrumslosigkeit war und weiterhin ist. Dadurch sollte das Netz gegen informationstechnologische Schläge unempfindlich werden, wobei es damals natürlich nicht um die Rettung vor Pornographie, sondern vor Spionage- und Militärangriffen ging. Damit befinden wir uns in der Lage eines Zaubererlehrlings, der Mächte entfesselt hatte, welche zu beherrschen er nicht mehr in der Lage ist.

Wie das bei jeder allgemein zugänglichen Innovation der Fall ist, kann das Aufbrechen in die Tiefen der Netze den Benutzer in eine manische Abhängigkeit stürzen - und das passiert auch tatsächlich. Ohne den Sessel vor dem Computer zu verlassen, kann man ein Vermögen in einem virtuellen Kasino oder auch an der Börse verlieren. Die Wirklichkeit ist so eingerichtet, dass umgekehrte Effekte, d.h. ein Vermögen auf die vorgenannte Weise zu erwerben, weniger wahrscheinlich sind. Man spricht viel über weniger gefährliche Seiten der digitalen Manie, z.B. wird die Renaissance der Schreibkultur dank elektronischer Post (Email) unterstrichen. Tatsächlich werden viele Briefe geschrieben, und man kann sie wörtlich mit blitzartiger Geschwindigkeit in alle Weltrichtungen senden, wodurch jedoch der Inhalt dieser Briefe von den Briefen, die auf schlechtem Papier krakelig gekritzelt werden, nicht um ein Haar vernünftiger wird.

Das Fehlen des Verstandes bei Computern und umso mehr bei den Netzen wird durch gespeicherte Daten kompensiert, die die Bewegung in der gewählten Richtung innerhalb der Labyrinthe der Netze ermöglichen: für einen "Digitalmenschen" stehen ungefähr 1017 Bits zur Verfügung, die von der Menschheit angesammelt wurden. Nach amerikanischen fragmentarischen Angaben verdient eine Dame, der die Mittel für die Finanzierung des Studiums ihrer Kinder fehlten, achtzigtausend Dollar monatlich. Dieser goldene Regen, den ihr das Internet gebracht hatte, verdankt sich einfach dem Sex. Ihre Datenbank, die sich um das genannte Thema dreht, umfasst mehr als fünfzehnhundert Pornoangebote. Zeitungen behaupten, dass Benutzer sowohl dieses Kontaktangebots als auch des Angebots an Bildern ihr jährlich eine Million Dollar bringen.

Es geht jedoch weniger um Sex. Die großen Verleger wie z.B. Bertelsmann bemühen sich eifrig, ihre Urheberrechte in den digitalen Raum zu übertragen. Dieser Raum hat bereits ca. dreißig neue Berufe erschaffen und es wird unterstrichen, dass sich als die besten Benutzer oder Bediener Minderjährige, also Kinder, erweisen. Wenn diese Kinder wenigstens miteinander korrespondieren würden, wäre das nicht das Schlechteste, weil amerikanische Untersuchungen gezeigt haben, dass die Kleinen, die seit ihren jüngsten Jahren vor dem Fernseher viel Zeit verbringen, in einem hohen Maß Mängel in der Beherrschung der Muttersprache aufweisen. Das sind die passiven Opfer der ihre Gehirne ständig bombardierenden Bildinformationen, die vom Fernseher geliefert werden. Also ist das Verknüpfen der Netze mit den Bildungsmaßnahmen, vor allem denen, die das Denken aktivieren, wünschenswert.

Es kamen auch verschiedene virtuelle Geschöpfe (Phantome) zum Vorschein, wie zum Beispiel die ausschließlich im Computer existierenden virtuellen Tierchen. Ich erwähne hingegen nicht die Befürchtungen, die durch die Versuchung hervorgerufen werden, die durch unzählige Einzel- und Mehrpersonen-Spiele geboten wird, weil dieser Gefahr der neuen Manie bereits zahlreiche Bücher gewidmet wurden.

Vom Netz kann der Benutzer heutzutage ähnlich wie vom Computer große Vorteile ziehen. Ich denke an raffinierte Programme, die so gut die Intelligenz und gleichzeitig das Verstehen dessen, was man diesen Programmen sagt oder schreibt, nachahmen können, dass möglicherweise sogar eines von diesen Programmen einen Erfolg im Turing-Test erzielen könnte. Wenn von solchen Leistungen die Rede ist, geht es vor allem um die sogenannte gute Rahmenkontingenz, innerhalb derer man sich scheinbar frei bewegen kann. Ich erlaube mir, die Sache an einem vereinfachten Beispiel zu erläutern.

Jeder, der eine Reise von einem großen Bahnhof aus beginnt, hat vor sich ein riesiges Wirrwarr von zusammenkommenden und auseinandergehenden Gleisen, von Weichen und Drehscheiben. Normalerweise sind das so viele, dass es jemandem, der naiv ist, z.B. einem Kind, scheint, er könne in Anbetracht der Varianten, die durch die Anzahl der in alle Richtungen gehenden Gleise gebildet wird, in eine völlig beliebige Richtung aufbrechen. Selbstverständlich ist es nicht so, egal wie viele Wege von der Menge der Gleise eröffnet werden. Wenn jemand jedoch – hier verlasse ich das Beispiel – erfahren möchte, wie und wann er von Bonston nach Paris zum niedrigstem Preis reisen kann, so wurde es durch den Computer, auch mit einer synthetischen menschlichen Stimme und gleichzeitig mit Bildern auf dem Monitor oder als Ausdruck, möglich, alle optimalen Varianten der Reiseverbindungen darzustellen.

Der um Rat Fragende ist sich nicht immer darüber im klaren, dass ihm genau genommen ein Niemand geantwortet hatte, er ist oft geneigt zu antworten: Ich danke Ihnen für die ausführliche Auskunft. Darin ist so viel Sinn wie wenn man sich bei einem Stuhl dafür bedankt, dass er nicht unter dem Gewicht unseres Körpers zusammenbricht. Programme, die die Stimme und die Sprache erkennen und die sich an individuelle Eigenschaften der Aussprache adaptieren, gibt es bereits. Die Fehlerquote wird immer geringer. Es gibt immer noch viele potentielle Möglichkeiten und vielleicht werden die Verbindungen von Verbindungen, also große Konstellationen von Modulen, die lexikalische Daten und deren syntaktische Zusammenstellungen zur Nachahmung des Verständnisses führen, das man von einem wirklichen Verstehen durch einen Laien nur schwer unterscheiden können wird. Auf diese Weise entsteht eine Art graue neblige Zone, hinter der ein Strahl der auf dem Gedanken gründenden Intelligenz zu leuchten beginnt. Das jedoch, was die Surrogate des Begreifens gewissermaßen umhüllt, umfasst immer noch nicht, wie uns scheint, die authentische Leistungsfähigkeit des menschlichen Intellekts. Man könnte sagen, dass wir uns im Netz oder Computer auch mit dem bestem linguistischen Programm immer noch in einem perfekten Wachsfigurenmuseum befinden, das eine ziemlich große Verhaltensautonomie besitzt. So also könnte uns der Prozess der Belebung von Galatea letztendlich möglicherweise gelingen. Wir sind allerdings momentan von dieser Krönung der allgemeinen Bemühungen der Spezialisten ziemlich weit entfernt.

Es ist unvermeidlich, dass Internetgegner zum Vorschein kommen, die nicht unbedingt und nicht immer einfach rückschrittlich sind. Sicherlich kann man ohne Computer glücklich sein. Der beste Beweis ist, dass ich einige Dutzend Bücher auf einer einfachen mechanischen Schreibmaschine ohne jegliche Elektronik geschrieben habe.

Der englische Dramatiker John Osborne erklärte: "Der Computer stellt eine logische Verlängerung der menschlichen Entwicklung dar: Intelligenz ohne Moral". Es ist wahr, dass die Computer nichts von Moral wissen, weil sie nichts verstehen und deswegen nicht unter moralische Prinzipien gestellt werden können. Lassen wir letztendlich die Worte von Brigitte Bardot zu, die sagte: "Bei Computern ist unsympathisch, dass sie nur ja oder nein sagen können, aber sie können nicht 'vielleicht' sagen". Die Zeit geht aber unerbittlich weiter, und der Augenblick, in dem die Worte von Frau Bardot den Nachgeschmack eines besonnenen Aphorismus hatten, ist bereits vergangen. Computer, die Betriebsprogramme haben, die auf Wahrscheinlichkeitsrechnung gründen, gibt es bereits, aber ein Computer, der seinen Benutzer ausschließlich mit Probabilitätsaussagen versorgt, wird kaum jemanden glücklich machen.

Aus dem Polnischen von Ryszard Krolicki