Drohnen bald auch für Inlandsgeheimdienst und Bundeskriminalamt?
Die Bundespolizei ist gleich mehrfach mit dem Upgrade auf größere Drohnen befasst - auch andere Behörden wollen die Bestückung mit hochauflösenden Kameras und Sensoren
Den Polizeien werden die gegenwärtig genutzten Drohnen zu klein. Aus dem Verkehrsministerium wird die Beschaffung von Systemen gefordert, die bessere Aufklärungstechnik befördern. Für den polizeilichen Einsatz aus der Luft werden „Videokameras oder digitale Standbildkameras mit hoher Auflösung“ beworben. Forschungsvorhaben entwickeln miniaturisierte Sensoren, die auf Radartechnik basieren.
Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Bundeskriminalamt könnten zukünftig Drohnen einsetzen. Dies geht aus einer Präsentation hervor, die ein Mitarbeiter des Bundesinnenministeriums (BMI) im Rahmen einer Serie von Workshops der Europäischen Kommission gehalten hat. Dieser sogenannte „UAS Panel Process“ wurde vor zwei Jahren von der Generaldirektion „Unternehmen und Industrie“ gestartet. Bis 2012 wurden zahlreiche Vorträge gehalten, die sich mit der Verfügbarkeit und dem Einsatz von Flugrobotern unterschiedlicher Größe befasst haben. Drohnen firmieren bei der Kommission mittlerweile unter dem Namen „Remotely Piloted Aircrafts“ (RPAS). Der ebenfalls gebräuchliche Begriff „Unmanned Aircraft System“ (UAS) bezieht auch Bodenstationen der Drohnen ein, die zur Navigation und Auswertung von Aufklärungsdaten benötigt werden.
Unter Bundesbehörden setzt derzeit lediglich die Bundespolizei fliegende Kameras ein. Geflogen werden die Systeme ALADIN und Fancopter, die beide vom bayerischen Militärzulieferer EMT gefertigt werden. Im genannten Vortrag umreißt der Mitarbeiter des BMI, der sich als Enno Dittmar vorstellt, weitere mögliche Interessenten. Neben dem Inlandsgeheimdienst und dem BKA würden sich auch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe und das Technische Hilfswerk für die Geräte interessieren. Dort wünscht man sich Drohnen zum Einsatz bei Waldbränden, Deichbrüchen oder in havarierten Atomanlagen. Laut wird über die Beschaffung größerer Systeme nachgedacht: Die Drohnen müssten Lasten tragen können, Hilfsgüter abwerfen oder mit Sensoren und Messgeräten ausgerüstet werden.
Von den im Vortrag ebenfalls erwähnten 16 Landeskriminalämtern nutzen einige bereits seit 2008 kleine Flugroboter für die Aufklärung aus der Luft, darunter Berlin, Sachsen, Niedersachsen und Hessen (vgl. Drohnen: Deutsche Polizisten als Luftfahrzeugfernführer). Geflogen werden Modelle der Firmen Microdrones oder AirRobot.
Bundespolizei will über kleine Drohnen hinauswachsen
Allerdings ist die 2011 gehaltene Präsentation bereits Schnee von gestern – die vorgestellten Drohnen sind der Bundespolizei längst zu klein. Auf einer Tagung der Drohnen-Lobby hatte der Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Klaus-Dieter Scheurle die Anschaffung größerer Flugroboter für polizeiliche Zwecke angekündigt. Jene Drohnen der nächsten Generation sollen hochauflösende, schwere Kameras tragen können und rund um die Uhr verfügbar sein. Dies würde eine Beschaffung und Stationierung an mehreren Standorten bedeuten.
Die Bundespolizei ist für die Grenzsicherung zuständig. Im internationalen Rahmen sind deutsche Polizisten deshalb an Missionen der EU-Grenzschutzagentur FRONTEX beteiligt, die selbst die Nutzung von Drohnen vorantreibt (vgl. EU will mehr Drohnen gegen Migranten einsetzen). Die Agentur hat bereits mehrere Hersteller zu Produktvorstellungen eingeladen und nimmt an diversen Forschungsprojekten teil. Von den Ergebnissen profitiert die Bundespolizei ebenso wie die Grenzbehörden aller anderen EU-Mitgliedstaaten. Im „UAS Panel Process“ der Kommission hat ein FRONTEX-Mitarbeiter die breite Palette bereits getesteter Systeme vorgestellt, darunter aus Frankreich, den USA, Israel und Spanien. Als Bedarf wurde die Ausstattung mit hochauflösenden SAR-Sensoren skizziert. Die Drohnen sollen im Verbund mit Satellitenaufklärung den Schengen-Raum und Grenzen benachbarter Länder überwachen.
Schon vor über einem Jahr hatte die Bundespolizei eigene Tests mit einer Helikopter-Drohne auf der Ostsee durchgeführt. Zusammen mit dem Militärzuliefer ESG wurde der Landeanflug auf ein Einsatzschiff der Bundespolizei ausprobiert. Die Drohne hieß dort „Unbemannter Missionsausrüstungsträger“ (UMAT). Das Gerät basiert auf einem baugleichen System „NEO-S300“ der Swiss UAV AG, das über drei Stunden in der Luft bleiben kann. Beim Test auf der Ostsee wurde die Verfolgung des Schiffes mittels GPS-Tracking geübt. Anfallende Daten wurden von einer Missionskontrollstation ausgewertet.
Hochauflösende Radartechnik
In Deutschland verfügt die Firma EMT über eine Lizenz und vertreibt das UMAT aus der Schweiz unter dem Namen MUSECO. Als Nutzlast gibt der Hersteller 35 Kilogramm an – weit mehr als die bislang von der Bundespolizei genutzten fliegenden Kameras. Auf der Produktwebseite wirbt EMT damit, die Drohnen könnten „SAR Sensoren, meteorologische Sensoren, Gas- und Partikelprobensammler“ befördern. Zum möglichen Repertoire gehören zudem „Wärmebild- IR Videokameras oder digitale Standbildkameras mit hoher Auflösung“.
Angeblich hat der „UMAT“ schon vor den Tests auf der Ostsee „erfolgreiche Testflüge über Land“ absolviert. Offen bleibt, ob dies auch im Auftrag der Bundespolizei geschah. An Bord sei ein miniaturisierter „Synthetic Aperture Radar“ (SAR) gewesen, den das Fraunhofer-Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik in einem Forschungsprojekt untersucht. Die sogenannten Sensoren zur Fernerkundung tasten die Umgebung ab und stellen sie zwei- oder dreidimensional dar.
Mit dieser Technik wäre die Bundespolizei in der Lage, die Geländebeschaffenheit von Einsatzorten mit hochauflösender Technik abzubilden. Damit könnte auf Amtshilfe der Bundeswehr verzichtet werden, wie sie 2007 gegen die G8-Proteste in Heiligendamm angefordert wurde. Das „Aufklärungsgeschwader Immelmann“ aus dem schleswig-holsteinischen Jagel überflog mit „RECCE“-Tornados mehrere Wochen lang Camps von Demonstranten und Straßen und fertigte hochauflösende Aufnahmen an. Die Bilder sollten zeigen, ob Bodenveränderungen auf „Manipulationen an wichtigen Straßenzügen“ hinweisen.
Womöglich sind die miniaturisierten SAR-Sensoren der Drohnen bislang nicht für derartige, militärische Spionagemaßnahmen geeignet. Allerdings könnte die Bundeswehr die Amtshilfe aus der Luft jetzt ohne Jagdflugzeuge, also viel diskreter vornehmen. Bald wird in Jagel die in 15 Kilometer Höhe operierende Aufklärungsdrohne „EuroHawk“ in Dienst genommen.
Breite Palette polizeilicher Einsatzformen
Zum eigenen Einsatz größerer Drohnen forscht die Bundespolizei im Projekt Demonstration of Satellites Enabling the Insertion of Remotely Piloted Aircraft Systems in Europe (Desire). Federführend ist das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das hierfür mit der spanischen Küstenwache zusammenarbeitet. Die Forschungen von „Desire“ kommen auch der Verteidigung deutscher Interessen am Horn von Afrika zugute. Denn das DLR bringt dessen Ergebnisse in das Vorhaben Forschung und Entwicklung für die Maritime Sicherheit und entsprechende Echtzeitdienste ein, das von zwei Bundesministerien und vier Bundesländern mit 70 Millionen Euro gefördert wird.
Diesen Sommer plant die Bundespolizei mit dem DLR umfangreiche „unbemannte Erkundungsflüge“. Die Bevölkerung in Deutschland bekommt davon wenig mit, denn die Tests erfolgen rund um die südspanische Stadt Murcia und über dem Mittelmeer. Erste Simulationen haben bereits stattgefunden. Geflogen wird eine Heron-Drohne des israelischen Herstellers Israel Aerospace Industries (IAI), die auch von der Bundeswehr eingesetzt wird.
„Desire“ ist ein Vorhaben der European Space Agency (ESA). Ziel ist die erfolgreiche Einbindung von Drohnen in den allgemeinen zivilen Luftraum, wie es die Europäische Union für größere Drohnen ab 2016 in allen Mitgliedstaaten verbindlich einführen will (vgl. EU will zivilen Luftraum für schwere Drohnen öffnen). Diesem Single European Sky fehlt allerdings der Nachweis, dass die kleinen und mittleren Drohnen größeren Luftfahrzeugen ausweichen können – ein in der Luftfahrt verbindliches Prinzip. Die EU finanziert hierfür zahlreiche Forschungsprojekte, die größtenteils auf die Nutzung von Satelliten gründen.
Nutzung für „Homeland Security“ über supranationale Organisationen eingefädelt
Mittlerweile hat die Internationale Luftfahrtorganisation (ICAO) Drohnen als Luftfahrzeuge anerkannt. Nun müssen zahlreiche internationale Regelwerke und Verträge nachgearbeitet werden. Dann könnten die Flugroboter im polizeilichen Auftrag in einer Reihe neuer Einsatzformen zu beobachten sein.
Wie bei der EU-Kommission richtet die ICAO Konferenzen und Veranstaltungen aus, auf denen sich Hersteller und spätere Anwender über den Bedarf austauschen. Ein Verterter des Rüstungskonzerns Cassidian referierte unter dem Titel RPAS for homeland security applications zur Nutzung für die Überwachung von Atomkraftwerken, Gefängnissen oder zur Grenzsicherung. Auch die riesige „EuroHawk“-Drohne sei für Missionen innerhalb einer „Homeland Security“ geeignet.
Ginge es nach dem Chef einer Lobbyvereinigung würde auch die allgemeine Kriminalität damit überwacht. Als Beispiele nennt er die Verfolgung von Fahrzeugen, illegale Müllbeseitigung, Drogenbekämpfung oder die Kontrolle von Menschenmassen bei Gipfeltreffen. Auch Plünderungen bei Aufständen könnten demnach bequem aus der Luft überwacht werden.