Drohnenkampf im Donbass: Wedelt der Schwanz mit dem Hund?

Eine türkische Bayraktar-Kampfdrohne, auf die das ukrainische Verteidigungsministerium große Stücke hält. Foto: Army.com.ua / CC-BY-4.0

Die Eskalation im Donbass-Konflikt mit dem Einsatz einer bewaffneten Drohne durch Regierungstruppen nützt weder Kiews westeuropäischen Verbündeten noch Russland

Nach dem Einsatz einer bewaffneten Drohne durch die ukrainische Armee im Donbass-Konflikt gegen eine Artilleriestellung der Rebellen wächst die Angst vor einer Eskalation zum offenen Krieg - auch weil der Konflikt trotz vieler Bemühungen um Waffenstillstandsabkommen nie wirklich eingefroren war. Die OSZE berichtet quasi ständig vom gegenseitigen Beschuss beider Seiten. Als jetzt die Ukraine einen solchen durch die Rebellen als Rechtfertigung für ihren offensiven Drohneneinsatz herangezogen hat, war diese Begründung schwach, da es natürlich auch Beschuss ins Rebellengebiet von Seiten der Regierungstruppen gibt.

Leise Kritik aus Deutschland erzürnt die Ukraine

Die Kampfdrohne vom Typ Bayraktar ist eine Entwicklung der Türkei. Ihr Einsatz ist ein Bruch des Minsker Abkommens. Die deutsche Bundesregierung missbilligte den Einsatz offensichtlich, konnte sich aber dennoch nur zu dem Statement durchringen, der Einsatz sei ihr bekannt und sie werfe "allen Parteien" des Konflikts vor, Drohnen einzusetzen. Dass hier eine bewaffnete Drohne eine besondere Qualität besitzt, die im Fall des Karabach-Konfliktes kriegsentscheidend war, fehlt bei dieser Betrachtung.

Dennoch wurde das deutsche Statement vor allem von der Ukraine kritisiert, deren Botschafter Deutschland aufforderte, doch statt solcher Äußerungen Moskau in die Schranken zu weisen und den Drohneneinsatz als Teil des "Rechts auf Selbstverteidigung" interpretierte. Breiten Raum gab der Stellungnahme dabei das Verlagshaus Axel Springer, das sich gerne in besonders russlandkritischer Berichterstattung ergeht. Tatsache ist, dass ein Drohneneinsatz gemäß der getroffenen Vereinbarungen nur durch die Beobachtermission der OSZE erlaubt ist, die unbewaffnete Beobachtungsdrohnen nutzt.

Kiew ist keine westliche Marionette

Die Reaktion aus Berlin zeigt, dass das aktuelle harte, wenn nicht eskalierende Vorgehen Kiews nicht im Sinne seiner westeuropäischen Förderer ist. Anders als in der Darstellung mancher "prorussischer" Theoretiker agiert Kiew nicht als Marionette seiner Unterstützer im Westen, sondern entwickelt auch gefährliche Eigendynamiken selbstständig vor Ort. Oder wie es die russische Ukraine-Zeitung Ukraina.ru ausdrückt: "Der Schwanz wedelt mit dem Hund".

Diesen Eindruck verstärkt eine weitere Nachricht, die auch durch regierungsunabhängige russische Zeitungen geistert und ein offener Bruch der Minsker Vereinbarung von ukrainischer Seite wäre. Es geht um eine so geschilderte Besetzung von Dörfern an der Kontaktlinie bei Staromarjewka durch Regierungstruppen. Vereinbart war eine Nichtveränderung der Frontlinie durch beide Seiten und zumindest dieser Teil der bisherigen Abkommen war über lange Zeit von beiden Seiten eingehalten worden. Offiziell bestätigt wurde die Aktion bei Staromarjewka vom russischen Außenminister Sergej Lawrow, nicht jedoch von ukrainischer Seite.

Mit markigen Kommentaren zum Geschehen wird in Kiew nicht gespart. Der Parlamentsabgeordnete Igor Luzenko spricht auf Facebook von einem Schlag gegen "die gesamte pompöse russische Welt" - ein Statement, das nun natürlich in regierungsnahen, russischen Medien die Runde macht. Den Drohneneinsatz rechtfertigt der ukrainische Generalstab auch mit der Angabe, die Drohne sei nicht über Rebellengebiet geflogen. Das kann durchaus sein, da sie ihr Ziel mit einer ferngelenkten Waffe vernichtet hat und sich dieses Ziel nicht weit von der Frontlinie befand.

Zurückhaltung im Kreml gegenüber der Türkei

Die russischen Stellungnahmen zum Drohneneinsatz - vor allem gegen den Lieferanten in der Türkei - sind zurückhaltend. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow stellte fest, der Einsatz der türkischen Waffen trage nicht zur Lösung des Konflikts bei und solle eine Warnung an die Kräfte sein, die die Ukraine in die Nato aufnehmen wollten. Wörtlich meinte er:

Wir haben wirklich besonders gute Beziehungen zur Türkei. Aber in diesem Fall bestätigen sich leider unsere Befürchtungen, dass die Lieferung solcher Waffen an das ukrainische Militär zu einer Destabilisierung der Situation an der Kontaktlinie führen könnte.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow, zitiert nach Kommersant vom 27.10.2021

Obwohl also noch offen provokative Aussagen des Kreml im Richtung Ankara fehlen, glaubt die Moskauer Zeitung Kommersant, dass der Einsatz nicht nur die Lage in der Konfliktzone verändern könnte, sondern auch Konsequenzen für die türkisch-russischen Beziehungen hat. Dazu trägt auch bei, dass die Ukraine bei der Entwicklung des Fluggeräts aktiv beteiligt wurde.

Kiews Verbündete sind gefragt

Noch hält die russische Politik nichts von harten Reaktionen auf dem Vorfall. Der Außenpolitiker und Sergej Zekow, Mitglied des Föderationsrates, glaubt laut gazeta.ru, dass es keine Alternativen zum Minsker Abkommen gibt. Zudem sei es verfrüht, von einem endgültigen Bruch zu sprechen. Konstantin Skorkin vom Moskauer Carnegie-Zentrum glaubt, dass die Drohnen aktuell von der Kiewer Führung mit innenpolitischen Absichten eingesetzt werden: So solle der Enthusiasmus im Land gesteigert werden. Vor Ort sei bekannt, dass Aserbaidschan kürzlich Armenien nicht zuletzt durch geschickten Einsatz bewaffneter türkischer Drohnen militärisch besiegt hat.

So gibt es durchaus eine Motivation für Kiew, die militärische Entscheidung zu suchen, wenn man sich davon einen Sieg verspricht. Es wäre die Aufgabe der mächtigen Verbündeten der Ukraine in Europa, denen an einer militärischen Eskalation im Donbass nicht gelegen ist, hier deutlicher mäßigend auf den Verbündeten einzuwirken, damit aus der nächsten Steigerung des Enthusiasmus kein offener Waffengang mit vielen Toten wird.

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