Drohnenschwärme und Big Data: Bundespolizei will von neuen Forschungen profitieren
Fluggastdaten sollen mithilfe künstlicher Intelligenz ausgewertet werden, auch die bildgebende Überwachung wird mit selbstlernenden Verfahren verbessert. Von besonderer Bedeutung ist die Aufklärung aus der Luft und aus dem All
Die Bundespolizei und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) wollen in Zukunft noch enger kooperieren. Ein neues Abkommen soll einen "intensiven Fachaustausch zu Themen der zivilen Sicherheit" ermöglichen. Laut Dennis Göge, dem Programmkoordinator der DLR-Sicherheitsforschung, steht dabei die Nutzung von Algorithmen und Anwendungen zur "Big-Data-Prozessierung" im Vordergrund.
Dieter Romann, der Präsident der Bundespolizei, will mit der Kooperation die Verarbeitung "immer größer werdender Datenmengen" verbessern. Als Beispiel nennt Romann die Auswertung von Passagierdaten im Flugverkehr. Die vor zwei Jahren beschlossene Richtlinie über die Verwendung von Fluggastdatensätzen verpflichtet Fluglinien, den Grenzbehörden am Zielflughafen vor jedem Start weitgehende Angaben zu den Passagieren zu übermitteln. Zuständig hierfür ist die Bundespolizei, die diese Angaben über die Fluggastdatenzentralstelle beim Bundeskriminalamt (BKA) erhält.
DLR startet "Big-Data-Plattform"
Für Forschungen zur Auswertung sogenannter Massendaten hat das DLR im vergangenen Monat eine neue "Big-Data-Plattform" mit 21 DLR-Instituten aus den Bereichen Raumfahrt, Luftfahrt, Verkehr, Energie und Sicherheit ins Leben gerufen. Das Projekt hat eine Laufzeit von vier Jahren und verfügt über 21 Millionen Euro. Dabei geht es unter anderem um das sogenannte Data Mining, das mithilfe Künstlicher Intelligenz Informationen aus verschiedenen Quellen zusammenführt. Die Forschungen werden auch für die Bildverarbeitung genutzt, unter anderem sollen Rettungskräfte vermehrt von selbstlernenden Systemen in der Aufklärung aus der Luft und aus dem All profitieren.
Das neue Kooperationsabkommen ergänzt die ohnehin enge Zusammenarbeit zwischen dem DLR und der Bundespolizei. Im Mittelpunkt steht dabei die Beobachtung mit Flugzeugen, Drohnen und Satelliten. Im Projekt "Echtzeitdienste für die Maritime Sicherheit - Security" (EMSec) hatten die beiden Partner vor zwei Jahren in der Nordsee Gefahrensituationen wie die Entführung einer Fähre und den Angriff auf eine Windkraftanlage simuliert. In einem anderen Szenario wurde mit 50 Kubikmetern Popcorn ein Ölteppich simuliert und die Driftrichtung prognostiziert.
Schließlich wurde in den Tests das GNSS (Globales Navigationssatellitensystem)-Signal gestört, so dass die Positionssysteme verdächtiger Schiffe nur noch schwer zu verfolgen sind. Zu den Teilnehmern in EMSec gehören auch die Rüstungskonzerne Atlas Elektronik und Airbus. Ziel ist die Entwicklung eines "Sensor-Verbunds", der vor Bedrohungen im maritimen Bereich warnen soll.
Tests beim G7-Gipfel und Oktoberfest
Für die Überwachung von Großlagen forscht das DLR im Projekt "VABENE++" an der Verbesserung von Lageinformationen für Rettungskräfte. Hierfür nutzen die Forscher hochauflösende Kameras, die an Flugzeugen oder Helikoptern montiert sind.
Die Forschungen kommen nun immer mehr auch der Polizei zugute. Unter anderem beim G7-Gipfel 2015 in Bayern erhielten die Behörden über "VABENE++" Lagebilder zur Darstellung der Verkehrswege und verfügbarer Polizeifahrzeuge. Auch die "Dynamik von Menschenmengen" wird aus der Luft analysiert, Tests erfolgten über dem Oktoberfest und der Allianz-Arena in München sowie dem Southside Festival im Münchener Umland.
Weil bei der Beobachtung aus der Luft enorme Datenmengen anfallen, können diese kaum in Echtzeit verarbeitet werden. Das DLR hat deshalb ein Laserkommunikationsterminal entwickelt, das die Informationen über einen Laserstrahl zu einer Bodenstation sendet.
Zu den neuesten Vorhaben in "VABENE++" gehört die Erprobung eines Schwarms aus Multikoptern, der vollautomatisch Gebiete fotografiert. Die kleinen Drohnen teilen sich das Gebiet nach einem festgelegten Algorithmus auf, eine Software verbindet später die einzelnen Aufnahmen. Laut dem DLR eignen sich Drohnen-Schwärme nicht nur für den Katastrophenschutz, sondern auch für "zivile Überwachungsanwendungen".
Geheimdienst nutzt Satellitendienste
Eine Schlüsselrolle in der Kooperation mit der Polizei übernimmt das Zentrum für satellitengestützte Kriseninformation des DLR (ZKI). In 2013 hatten das Bundesministerium des Inneren und das DLR eine erste Kooperationsvereinbarung zur Nutzung von "veredelten Fernerkundungsdaten in Krisenfällen" unterzeichnet. Damit erhalten die Bundesbehörden bei größeren Einsätzen Zugriff auf Bilder aus dem All. Seit Bestehen der Kooperation ist der Dienst mindestens 40 Mal im In- und Ausland aktiviert worden, darunter in fünf Fällen von der Bundespolizei, in 34 Fällen vom BKA und in einem Fall vom Bundesamt für Verfassungsschutz.
Die einzelnen Einsätze will das Bundesinnenministerium geheim halten, das DLR beschreibt diese jedoch teilweise auf seiner Webseite. Demnach wurde das ZKI unter anderem beim G7-Gipfel oder bei Überflutungen in Sachsen und Sachsen-Anhalt angefordert. Auf der Messe "Europäischer Polizeikongress" hatte die Leiterin des ZKI erklärt, auch die Hamburger Polizei habe für die "Bewältigung von Demonstrationslagen" beim G20-Gipfel Satellitendaten genutzt.