Dschihadisten-Warteland an der türkisch-syrischen Grenze
Die Lage im türkischen Grenzgebiet und die Lücken der Kontrollmatrix
Hunderte von al-Qaida-Rekruten würden im Süden der Türkei Unterschlupf finden, um von dort aus nach Syrien weiter zu reisen, berichtet die britische Zeitung Telegraph, gestützt auf eigene Recherchen. Der Bericht behauptet, dass die Dschihadisten in der Wartezone im türkischen Grenzgebiet die Anzahl der FSA-Kämpfer, die zuvor das Bild der Syrien-Milizen bestimmt hätten, nun übertreffen. Offiziell bestätigt ist das nicht, die Einschätzung verdankt sich allein den Beobachtungen der Zeitung und Aussagen von einigen Dschihad-Rekruten in der Türkei.
Unterstützt wird die Behauptung generell und indirekt durch Beobachter der Szene, wie dem Briten Charles Lister, der davon spricht, dass es "deutliche Anzeichen dafür gibt, wonach die Zahl der ausländischen Dschihadisten in Syrien wächst". Nach seiner Ansicht haben sie es leicht, über die Grenze zu kommen.
Dass das Grenzgebiet und die Grenze nicht leicht zu kontrollieren sind, machen die Flüchtlingswelle und die Länge der Grenze deutlich: drei Millionen Flüchtlinge aus Syrien zählte das UNHCR letzten Sommer. Über eine Million davon, 1.165.000 Personen, nahm die Türkei auf. Die Grenze zwischen der Türkei und Syrien ist etwa 800 Kilometer lang.
Angesichts der Unübersichtlichkeit, die diese Zahlen aufscheinen lassen, erstaunt beinahe, dass der türkische Premierminister Ahmet Davutoğlu gestern genaue Daten zur Türkei-Syrien-Reise von Hayat Boumeddiene, Lebensgefährtin eines der Pariser Attentäter (Spuren nach Syrien), nennen konnte - auch wenn dies angeblich auch mit Pannen des türkischen Geheimdienstes verbunden war.
Dass die Kooperation der Sicherheitsdienste, anders als von Davutoğlu behauptet, nicht perfekt ist, zeigte sich im letzten Jahr, als französische Sicherheitsbeamte auf dem Flughafen Paris vergeblich auf verdächtige Syrienheimkehrer warteten, die nach Absprache mit türkischen Behörden in einem bestimmten Flugzeig sitzen sollten, aber dann doch in eine andere Maschine gesetzt wurden, ohne dass die französischen behörden davon informiert wurden, was den Dschihad-Heimkehrern dann längeres, ungestörtes Promenieren im Südfrankreich gestattete.
Die Türkei sah sich schon öfter dem Vorwurf ausgesetzt, dass sie sich Blindheit gegenüber Aktivitäten der IS gestatte. Syrische Kurden äußerten im vergangenen Jahr den Vorwurf, bestimmte türkische Kräfte würden IS-Milizen mit Waffen und anderem sogar aktiv unterstützen.
Die Einrichtung von Unterschlupfmöglichkeiten für IS-Miliz-Anwärter im türkischen Grenzgebiet ist nicht leicht zu unterbinden, da dafür noch (?) die Kontrollmöglichkeiten fehlen. Die Appartements werden unter falschem Namen angemietet und der Polizei fehlten häufig gerichtsfeste Beweise, um Verdächtige festzunehmen oder auszuweisen, da der Nachweis, sie seien Dschihadisten, schwierig sei, so der Telegraph. Schwierig ist auch nachzuweisen, wie groß der politische Wille tatsächlich ist, hier schärfer vorzugehen, und wie groß der Wille der einzelnen Polizisten und anderer Personen der Exekutive ist, einem solchen Willen zu folgen.