Dürre in Italien - den Römern droht Wasserrationierung
Seit Wochen bleibt der Regen aus, Wasserquellen versiegen, allenthalben droht der Notstand, für die Landwirtschaft werden Schäden in Milliardenhöhe beziffert
Der Gardasee ist zu einem Drittel weniger gefüllt, der Po-Pegel liegt bei Pavia 3,5 Meter unter Normalnull - die anhaltende Dürre von Südtirol bis Apulien ist in diesen Julitagen das Hauptthema italienischer Nachrichtensendungen.
Besonders betroffen ist Rom. Der Braccianosee, 30 Kilometer nördlich gelegen, ist ein wichtiges Reservoir für die Hauptstädter. Sein Wasserspiegel sorgt derzeit für Alarmmeldungen, er ist längst unter die kritische Grenze gefallen. Nicola Zingaretti, Präsident von Latium, der Region, in der sich Rom befindet, hat den römischen Wasserversorger Acea angewiesen, ab Freitag dieser Woche dem See kein Wasser mehr zu entnehmen. Es sei "leider eine Tragödie", so zitierten ihn italienische Medien am 22. Juli. Der Wasserspiegel des Braccianosees habe sich derart abgesenkt, dass das Risiko einer Umweltkatastrophe bestehe. Dabei liefere er nur acht Prozent der Gesamtmenge, die Acea benötige. Man habe sechs Tage Zeit, eine Lösung zu finden.
Paolo Saccani, Vorstandschef des Teilunternehmens Acea Ato 2, entgegnete, dass in dieser kurzen Frist nur die Rationierung als Lösung bleibe. Falls sich nicht doch noch bis zum 28. Juli ein erlösendes Unwetter über Latium zusammenbraut, müssen die Römer mit versiegenden Wasserhähnen rechnen. Aceo droht mit drastischen Maßnahmen. Der Versorger will die Stadt in zwei Gebiete mit jeweils anderthalb Millionen Einwohnern aufteilen. Diese sollen nur noch in einem Turnus von acht Stunden abwechselnd mit Trinkwasser beliefert werden. Das würde bedeuten, dass die Römer innerhalb von 24 Stunden Ein- bzw. Zweidrittel des Tags kein Wasser aus den Leitungen zapfen könnten.
Auch die "Nasoni" trifft es, das sind die beliebten kleinen Trinkbrunnen, die Passanten in der Sommerhitze erfrischen. Der größte Teil von ihnen soll ebenfalls stillgelegt werden. Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi appelliert an Zingaretti und Saccani, eine bessere Lösung zu finden. Dem Präsidenten der Region wirft sie ein Spiel auf Zeit vor und dem städtischen Versorger unterstellt sie "psychologischen Terror". Die Presse schreibt über einen "Wasserkrieg" zwischen Latium und Acea.
Katastrophenmeldungen kommen auch aus der Landwirtschaft. In Südtirol ernten die Bauern 30 Prozent weniger Heu. Nach den Frostschäden im Frühjahr besorgt in manchen Alpentälern die Dürre den Rest, nämlich einen hundertprozentigen Ernteverlust. In Apulien wird der Ausfall bei Getreide, Tomaten und Gemüse bislang auf 140 Millionen Euro geschätzt, auch die Olivenernte ist gefährdet. In der Pontinischen Ebene südöstlich von Rom könnte die Hälfte des produzierten Getreides und Gemüses verdorren.
Ähnlich prekär ist die Situation der Viehhalter, allenthalben gehen Futter und Wasser zur Neige und selbst die Flussfauna ist von der Trockenheit bedroht. In der Emiglia Romana retteten städtische Polizisten Fische aus einem versiegenden Bach. Laut einer Studie des Agrarverbandes Coldiretti sind Zweidrittel der landwirtschaftlichen Flächen Italiens zu trocken. Bislang sei ein Schaden von zwei Milliarden Euro entstanden.
Zehn Regionen haben Landwirtschaftsminister Maurizio Martina gebeten, den Katastrophenfall auszurufen. Dann könnten die Bauern Geld aus einem nationalen Fonds und von der EU erhalten. Die Trockenheit verwandelt die Wälder in Zunder. Über manchen Tälern stehen dunkle Rauchsäulen, darüber kreisen Hubschrauber und Löschflugzeuge. Am Samstag musste die Autostrada 1 zwischen Rom und Florenz stundenlang gesperrt werden. Ein Waldbrand gefährdete die Autofahrer.
Für Zingaretti ist der Wassermangel in seiner Region ein Anzeichen der Klimaerwärmung, von der Italien in Zukunft besonders betroffen sein könnte: "Mir gefiele es, Donald Trump hierhin einzuladen, um ihm begreiflich zu machen, was es bedeutet, die Klimavereinbarungen nicht zu beachten." Die Temperaturen sind in diesem Sommer vier Grad höher als im Durchschnitt. Das ganze Jahr über verzeichnen die Meteorologen zu geringe Niederschlagsmengen. Im Juni regnete es in Rom 74 Prozent weniger als für diesen Monat üblich ist, in der ersten Dekade des Julis weniger als 72 Prozent.
Klimaforscher Giampiero Maracchi warnt vor afrikanischer Hitze in Südeuropa und fordert Maßnahmen "radikaler Art", um den Klimawandel aufzuhalten. Die kommunale Nachlässigkeit verschärft die Lage. Utilitalia, ein Verband italienischer Versorger, schätzt, dass im veralteten, undichten römischen Leitungsnetz 40 Prozent des Trinkwassers verlorengehen.