Dumm, dümmer, Merz

Friedrich Merz bei einem Treffen der Europäische Volkspartei (EVP, engl. EPP) im Mai 2023. Im Hintergrund Markus Söder. Bild: European People's Party / CC BY 2.0

Mediensplitter (34): Vor dem Rechtsruck? Der CDU-Vorsitzende hat nicht nur ein Kommunikationsproblem. Der Opposition geht es noch viel schlechter als der Ampel.

Es war ein Scoop für das ZDF und so etwas wie ein Anti-Scoop für Friedrich Merz. Jeder redete in der vergangenen Woche über das Sommerinterview des CDU-Vorsitzenden.

Aber niemand redete über die Stärke der Opposition, über Unions-Programmatik, über neuen Konservativismus, sondern jeder nur darüber, ob Friedrich Merz überhaupt als Kanzlerkandidat geeignet ist.

Nach Wochen in denen die Öffentlichkeit vom Streit in der Ampel und den Fehlern der verschiedenen Bundesministerien beherrscht war, ging es endlich mal wieder um die Union. Zudem lieferte Merz ausgerechnet der AfD in der Woche vor ihrem Parteitag eine Normalisierungsdebatte und Schlagzeilen frei Haus.

Ein Geschenk für die AfD.

"Eine demokratische Wahl ... haben wir doch zu akzeptieren"

Was genau hatte Merz gesagt? Zusammenarbeit mit der AfD sei möglich. Zwar nur auf kommunaler Ebene, aber immerhin:

Wir sind doch selbstverständlich verpflichtet demokratische Wahlen Zu akzeptieren, und wenn dort einer demokratisch gewählt ist, ist es doch klar, dass man nach Wegen sucht wie man da weiter arbeiten kann. Natürlich ist das eine demokratische Wahl, das haben wir doch zu akzeptieren.

Friedrich Merz

Eine Zusammenarbeit mit der AfD sei "möglich und unumgänglich".

Ein politisches und ein kommunikatives Desaster für Merz

Was dann folgte, war für Merz ein politisches und ein kommunikatives Desaster. So einen Shitstorm haben im Kanzlerwahlverein CDU bisher nur wenige Vorsitzende erlebt.

Bereits um 19:29 Uhr, also nur wenige Minuten nach Ausstrahlung des Merz-Interviews am vergangenen Sonntag, twitterte bereits Kai Wegner, Regierender Bürgermeister von Berlin und Landeschef der CDU, mehr als eindeutig:

Die AfD kennt nur dagegen und Spaltung. Wo soll es da ZUSAMMENarbeit geben? Die CDU kann, will und wird nicht mit einer Partei zusammenarbeiten, deren Geschäftsmodell Hass, Spaltung und Ausgrenzung ist.

Damit gab Wegner die Linie der CDU-Reaktionen vor. "Zusammenarbeit kommt für mich nicht infrage, egal auf welcher Ebene", erklärte NRW-Innenminster Herbert Reul im Deutschlandfunk.

Wenn wir nicht deutlich machen, dass AfD eine Partei ist, die außerhalb unserer demokratischen Überlegungen steht, dann geht das schief.

Allerdings ersetze die formale Debatte nicht den inhaltlichen Streit.

Der CSU-Vorsitzende Markus Söder twitterte:

Die CSU lehnt jede Zusammenarbeit mit der AfD ab - egal auf welcher politischen Ebene ... Wir wollen mit rechtsradikalen Narren und Extremisten nichts zu tun haben.

Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein sagte im ZDF-Morgenmagazin: "Für die CDU-Hessen steht die Brandmauer ganz klar."

Die AfD sei "ein rechtsextremer Prüffall für den Verfassungsschutz, und die Jugendorganisation der Partei ist gesichert rechtsextrem. Das sind keine Partner für uns, mit denen arbeiten wir nicht zusammen".

"Keine Zusammenarbeit mit der AfD heißt: keine Zusammenarbeit mit der AfD"

Yvonne Magwas, Mitglied des CDU-Parteipräsidiums und Vizepräsidentin des Bundestages, schrieb auf Twitter:

Ob Ortschaftsrat oder Bundestag, rechtsradikal bleibt rechtsradikal. Für Christdemokraten sind Rechtsradikale IMMER Feind!

Die Bundesvorsitzende der Frauen-Union, Annette Widmann-Mauz (CDU), äußerte: "Die Partei und ihre menschenverachtenden und demokratiefeindlichen Inhalte bleiben die gleichen, egal auf welcher Ebene." Ähnlich das CDU-Bundesvorstandsmitglied Serap Güler:

Keine Zusammenarbeit mit der AfD heißt: keine Zusammenarbeit mit der AfD. Auf keiner Ebene. Ganz einfach. Jetzt nicht und auch in Zukunft nicht.

Norbert Röttgen schrieb, die CDU habe "verbindlich ein einschränkungsloses Kooperationsverbot mit der AfD beschlossen ... Mit einer solchen Partei kann es auf keiner Ebene eine Zusammenarbeit geben". Und direkt an Merz gerichtet, fügte Röttgen hinzu:

Jeder, der das ändern will, muss dafür auf einem Bundesparteitag der CDU eine Mehrheit finden. Bis dahin haben sich alle an die Beschlusslage zu halten.

"Ich habe es nie anders gesagt ..."

Merz musste sich noch am selben Tag zurücknehmen: "Um es noch einmal klarzustellen, und ich habe es nie anders gesagt: Die Beschlusslage der CDU gilt. Es wird auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD geben."

Sein designierter Generalsekretär Carsten Linnemann schrieb auf Twitter:

Für die CDU ist klar: Keine Zusammenarbeit mit der AfD, egal auf welcher Ebene. Das sieht auch Friedrich Merz so, wenngleich er zu Recht auf die schwierige Umsetzung vor Ort hinweist.

Aber die Äußerungen waren in der Welt und entfalteten ihr Eigenleben.

So wurden andere CDU-Politiker in ihrer Kritik noch härter und persönlicher: Der CDU-Abgeordnete Christian Gräff sagte gegenüber dem Tagesspiegel ganz offen:

"Für mich ist Friedrich Merz eine fast schon tragische Figur. ... Deshalb ist Merz nicht als Kanzlerkandidat der Union geeignet."

"Wehret den Anfängen!", kommentierte der abgewählte Saarland-Ministerpräsident Tobias Hans:

Das ist nicht erträglich und kann nicht stehen bleiben. Der Parteitagsbeschluss besagt, dass jegliche Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen ist. Das hier ist die schleichende Verwässerung von Parteitagsbeschlüssen nach Wahlerfolgen der extremen Rechten.

Bisher waren das nur Kommentare aus der dritten Reihe. Aber das war auch für Merz nur der Anfang.