Dumm gelaufen: Russland kündigt den Nato-Luftransport auf
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Vor allem die Bundeswehr bediente sich der Antonov-Maschinen sowjetischer Bauart, um vom Flughafen Leipzig/Halle gepanzerte Fahrzeuge, schweres Gerät und Versorgungsgüter zu transportierten
Die Bundeswehr hat schon wieder ein Problem. Wieder bei den Transportkapazitäten, aber diesmal geht es nicht darum, Waffen und Gerät an die neue Nato-Grenze in Osteuropa zu verlegen, sondern in weit entfernte Einsatzgebiete wie Afghanistan in Zentralasien oder Mali in Westafrika. Bislang wurden dafür Antonov-Maschinen sowjetischer Bauart benutzt, die vom Flughafen Leipzig/Halle starteten und gepanzerte Fahrzeuge, schweres Gerät und Versorgungsgüter transportierten.
Die Antonov-Machinen kommen aus der Ukraine und Russland und sind angemietet. Aber jetzt hat die russische Seite die Zusammenarbeit vertragsgemäß zum Jahresende aufgekündigt. Man darf wohl annehmen, dass die westlichen Sanktionen Russland nicht gerade ermutigt haben, weiterhin Logistikdienstleister für die Bundeswehr zu spielen. Die steht jetzt vor einem Problem und muss mit weniger Transportkapazitäten klarkommen.
Antonov in der Krise
Die russische Volga-Dnepr Airlines und die ukrainische Antonov Airlines stellen seit 2006 am Flughafen Leipzig/Halle Antonov-An-124-Flugzeuge für Nato-Länder bereit, wobei zwei Antonov-Maschinen ständig in Bereitschaft stehen. Die riesigen Flugzeuge können sogar gepanzerte Fahrzeuge und Hubschrauber transportieren, wobei beim Be- und Entladen die Bugnase samt Cockpit hochgeklappt wird.
Die Zusammenarbeit läuft unter dem Namen SALIS (Strategic Airlift International Solution - Internationale Lösung für den strategischen Lufttransport). Der größte Nutzer ist Deutschland, aber auch Belgien, Tschechien, Frankreich, Ungarn, Luxemburg, Norwegen, Polen, die Slowakei und Slowenien nutzen SALIS.
Doch 2017 wurden die Verträge getrennt, Antonov und Volga-Dnepr beendeten ihre Kooperation wegen des Konflikts ihrer Länder um die Ostukraine und die Krim. Die Ukraine wollte größere Teile des Vertrages übernehmen, aber Russland machte ein günstigeres Angebot: Nur 23.341 Euro pro Flugstunde statt 37.509 Euro.
Letztlich wurde vereinbart, dass Russland in 2017 973 Flugstunden, die Ukraine 629 Flugstunden absolviert. 2018 sind insgesamt nur 980 Flugstunden vorgesehen. Der Löwenanteil davon entfiel 2017 auf Deutschland mit 1080 Stunden, wobei die Russen 682 und die Ukrainer 398 absolvieren. Deutschland bezahlt für beide Jahre 101 Millionen Euro, was "allerdings noch deutlich weniger als Anschaffung und Betrieb eigener Flugzeuge dieser Größenordnung" kostet, berichtete die ARD-Korrespondent Christian Thiels. Damals wurde auch der Projektname geändert: von Strategic Airlift Interim Solution zu Strategic Airlift International Solution. Man stellt sich jetzt auf eine dauerhafte Nutzung ein.
Folge der Sanktionen oder Taktik?
Aber daraus wurde nichts. Vielleicht wegen den westlichen Sanktionen gegen Russland? "Unter den Verteidigungspolitikern im Bundestag gibt es Mutmaßungen, dass die angekündigte Vertragsbeendigung durch Volga Dnepr eine Antwort des russischen Präsidenten Wladimir Putin auf die fortwährenden Sanktionen der EU und der Vereinigten Staaten gegen Russland darstellen könnte", berichtet die FAZ.
Tatsächlich hat Volga-Dnepr laut dem Fachdienst Cargoforwarder Global den Rückzug mit dem Countering America's Adversaries Through Sanctions Act begründet, den Trump 2017 in Kraft setzte und der Sanktionen gegen Nordkorea, Russland und Iran verhängt. Volga-Dnepr wolle künftig nur noch zivile Güter transportieren, hieß es.
Möglicherweise wird aber noch neu verhandelt. Darauf tippt jedenfalls der Cargoforwarder Global: "Auf den zweiten Blick sieht alles wie eine taktische Entscheidung aus", schreibt der Fachdienst. Denn Volga-Dnepr-Boss Alexey Isaikin sei eigentlich angetreten, den Standort Leipzig/Halle für sein Unternehmen zu stärken und dort eine eigene Frachtlinie zu betreiben. Gibt das Luftfahrt-Bundesamt sein OK dazu, dann könnte ein neues deutsches Tochterunternehmen der Russen den Lufttransport wieder aufnehmen. Auf diese Weise ließen sich erstens die Sanktionen gegen Russland unterlaufen. Zweitens könnte ein deutsches Unternehmen sogar mit der ukrainischen Antonov zusammenarbeiten, etwa was Ersatzteile betrifft.
Antonov in der Krise ...
Dem ukrainischen Flugzeugbauer Antonov hat das Ende der Zusammenarbeit mit Russland zunächst schwer zugesetzt. "2016 wurde bei Antonov noch kein einziges Flugzeug fertiggestellt", berichtete der Fachdienst aerotelegraph vor anderthalb Jahren. Im September 2015 war die Kooperation mit der russischen United Aircraft Corporation aufgekündigt worden - natürlich aus politischen Gründen. Nun fehlten Ersatzteile. Nötig wären nach Experteneinschätzung 12 bis 15 Flugzeuge pro Jahr, um profitabel zu sein.
Heute gehört Antonow zum staatlichen ukrainischen Rüstungskonzern Ukroboronprom. Und kann inzwischen wieder Erfolge vermelden: Mit chinesischen Partnern einigte man sich, die An-225 Mriya wieder zu bauen. Sie ist das größte Frachtflugzeug der Welt und wurde einst in der Sowjetunion hergestellt - in vier Fabriken im heutigen Russland, in drei ukrainischen Fabriken und in einer in Usbekistan. Die Kooperation mit China wurde seinerzeit allerdings auch als Ausverkauf der ukrainischen Luftfahrtindustrie gewertet. Antonov selbst betonte aber, dass die Rechte an dem Flugzeug bei der Ukraine blieben.
Von dem Riesenflieger wurde bislang nur ein Exemplar gebaut wurde. Es wurde 1988 fertiggestellt und dient heute für kommerzielle Schwertransporte. Ein zweites Exemplar wurde nur zu 70 Prozent fertig und liegt in Kiew. Laut Medienberichten soll dieses Flugzeug in Zusammenarbeit mit China fertiggestellt werden.
In Deutschland war die An-225 dieses Jahr auch zu sehen. Am 29. April um 14 Uhr wurde die Landung in Leipzig/Halle erwartet, wie der Flughafen stolz twitterte, was für Flugzeugliebhaber natürlich immer ein Ereignis. Und nachmittags erfolgte die Erfolgsmeldung, dass sie zum 15. Mal gelandet sei.
... und wieder auf Erfolgskurs
Antonov hat auch angeboten, die Lücke zu füllen, die der Rückzug der Russen in Leipzig/Halle hinterlässt. Außerdem gab das Unternehmen bekannt, zusammen mit der Türkei ein neues Militärflugzeug zu entwickeln. Die An-188 werde Militärfahrzeuge aller Art, Hubschrauber, bis zu 300 Soldaten oder Rüstungsgüter aller Art transportieren können.
Auch die Unternehmensbilanz sah zuletzt wieder besser aus: In 2017 betrug der Umsatz 5,9 Milliarden Hrywnja, 1,6 mal mehr als in 2016. Der Reingewinn belief sich auf 180 Millionen Hrywnja.
Außerdem feierte das Unternehmen die Entwicklung zweier neuer Produkte: das Flugzeug An-132D und die Kampfdrohne Horlytsya. Im An-132D sei Spitzentechnologie verbaut worden, so das Unternehmen, unter anderem aus den USA, Kanada, Großbritannien, Frankreich und Deutschland. "Die An-132D ist das erste ukrainische Flugzeug ohne russisches Zubehör", betont das Unternehmen. Auch für das Transportflugzeug An-70 seien Kooperationspartner zur Modernisierung gefunden worden. "Das Flugzeug wird eine neue Bordelektronik erhalten und seine russischen Bestandteile loswerden."