Dumme Gute, gute Böse

Bad Banks, 2. Staffel. Bild: ZDF/Fabrizio Maltese

Mentale Arbeitsteilung zwischen Schwarz und Grün: Die zweite Staffel von Bad Banks verbindet Klischees und Wahrheit und übertrifft die erste als großartige Zeitgeist-Reflexion

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Du solltest endlich lernen, kein Nein zu akzeptieren.
Bad Banks 2, Folge 1

Es ist kein Rückblick diesmal, als der die zweite Staffel von Bad Banks erzählt wird. Deren Beginn setzt vielmehr etwa ein gutes halbes Jahr nach der im ersten Teil eskalierenden Krise der "Deutsche Global Invest Bank" ein.

"Lets face it: Investmentbanking ist tot", sagen die Verkäufer an der Schreubtisch-Front. Ihre Chefs, die Manager, sitzen weiterhin auf ihren Pöstchen, nur der niederländische Investment-Chef Gabriel Finger hat das Rad überspannt und sitzt stellvertretend für die Fehler aller in Untersuchungshaft. Aber dort wird auch er nicht lange bleiben. Neu im Spiel ist der ehrgeizige Berliner Finanzminister Alexander Schunk, der sich der Wirtschaft zu bedienen versucht, um die eigene Karriere voranzutreiben - ein Reißbrett-Technokrat.

"Bad Banks" gibt vielleicht nicht eine Vorstellung, aber doch zumindest eine vage Ahnung über global Finanzgeschäfte, über den Menschentypus, der sie vorantreibt, geschickt werden Klischees und Wahrheit verbunden. Die Serie ist besonders gut darin, die Sprache der Finanzwelt zu entfalten: Der "Inkubator" soll "the future of banking" verkörpern, man dealt mit "Short Positions", sucht für Investitionen nach einem "Robo Advisor" oder einem "Coder".

Gehandelt wird nicht mehr mit klassischen Spekulationsobjekten, sondern mit "Fintechs", kleine neue Finanzdienstleister, die riesige Apparate der alten Geldhäuser durch schlaue Algorithmen ersetzen. Einige von ihnen kommen sogar wertkonservativ daher.

Wettlauf auf allen Ebenen: Die ökonomische Wolfsgesellschaft

Die zweite Staffel braucht in der ersten Folge ein wenig, um ins Laufen zu kommen. Ist das aber einmal geschehen, hat Drehbuchautor Oliver Kienle gemeinsam mit Regisseur Christian Zübert, der Christian Schwochow in der zweiten Staffel ersetzt hat, eine Situation etabliert, in der ein Wettlauf auf allen Ebenen stattfindet und die ökonomische Wolfsgesellschaft noch weiter auf die Spitze getrieben ist. Gab es zuvor zumindest Bündnisse auf Zeit und aus taktischen Gründen, kämpft nun jeder offen gegen jeden, und misstraut allen anderen.

Die tückische Finanzchefin Christelle LeBlanc fürchtet zu Recht um ihren Job und versucht im Gegenzug alle anderen zu manipulieren; ihr Chef, Altbanker Quirin Sydow versucht, seinen Vorstandsvorsitzenden abzuschießen und besticht weiterhin den Leiter der Finanzaufsicht, mittendrin die Heldin Jana Liekam und "ihr" Team Adam und Thao. Sehr früh bekommt Jana den Tip, dass Christelle heimlich gegen ihr eigenen Kunden spekuliert.

Bad Banks, 2. Staffel. Bild: ZDF/Fabrizio Maltese

Es ist ein permanenter Kriegszustand, die Waffen aber sind verunsichernde Blicke und das Mobiltelefon, das man entweder zum Spionagetool ummanipuliert, oder mit dem im richtigen Moment der Anruf bei der Finanzaufsicht und der Compliance des eigenen Unternehmens getätigt wird.

Es ist erstaunlich für so ein unmoralisches Milieu und eine Serie, die so offen mit der Gewissenlosigkeit ihrer Protagonisten spielt, welche Rolle die Moral in bestimmten Situationen einnimmt. Auch das ist Zeitgeist pur: Wo das ökonomische Controlling ausgereizt ist, setzt das Controlling des Gewissens und der guten Absichten ein. Das idealistische Reden, die zur Schau getragenen guten Absichten, und die Rechtsvorschriften, die das Einhalten von Mindeststandards erzwingen sollen, sind nichts als die neueste Waffe im Kampf der Bösen gegen die noch Böseren.

Dazu gehören auch modische Ökothemen wie Klima und Nachhaltigkeit. Die Story der zweiten Staffel dreht sich nämlich zunächst um ein gerade gehyptes Start Up, dass die Nachhaltigkeit zum Alleinstellungsmerkmal und zur moralischen Investitionsalternative erklärt: "Green Wallet". Von Anfang an lässt Jana dabei keine Zweifel an ihrer eigentlichen Haltung: "Nachhaltigkeit ist 'nen Spitzenaushängeschild". Sie will in "Green Wallet" nur investieren, um die Vergehen von Christelle aufzudecken, weil sie zugleich von dieser erpresst wird.

Stellen wir uns vor es gibt Geld und keiner geht hin

Alle haben noch aus der ersten Staffel ihre Leichen im Keller. Außer den Ökoinvestoren mit dem guten Gewissen. Doch von Anfang an lässt "Bad Banks" kaum Zweifel daran, dass die grünen Finanzhaie, die im Berliner "Inkubator" ihre Anlegerangebote ausbrüten, nur anders und eher noch schlimmer sind als die neoliberalen Zyniker der "Global Invest". Denn auch bei Öko-Banken geht es letztlich um Profit. Zum Geld hinzu kommt nur noch der emotionale Gewinn.

Nicht nur, dass es einer der wenigen richtig komödiantischen Momente ist, wenn beide Seiten in einem Klischee-Berliner Loft, das direkt den 1990er-Jahren entstiegen ist, aufeinandertreffen, sich nichts zu sagen haben, und Adam anschließend über "diese behinderten Bio-Latten" lästert, "schön einen auf Öko machen und sich dann von den Idioten finanzieren lassen. Is klar".

Bad Banks, 2. Staffel. Bild: ZDF/Fabrizio Maltese

Ein bisschen wie Steve Jobs verkauft der grüne Investitionshändler seine Waren:

Stellen wir uns vor alle Menschen der Welt werden von heute auf morgen entscheiden, ihr Geld nicht mehr in die üblichen Verdächtigen zu stecken, in die großen Konzerne die das soziale Netz und das Pflegesystem in Deutschland zerstören, die die Immobilien aufkaufen, was dazu führt, dass normale Menschen sich keine Wohnung mehr leisten können. In eine Industrie, die von extremem Wachstum lebt und dadurch unseren Planeten zerstört. Was wäre wenn alle Menschen ihr Geld nur noch in nachhaltige Ideen investieren würden?
Dann hätten wir nicht nur die Probleme unserer Umwelt und unsere Gesellschaft gelöst nein wir wären damit auch noch ein wesentliches Stück reicher das schönste dabei ist dass die Zeit in der dieser Satz naiver Unsinn war endlich vorbei ist.

Auch weil "Bad Banks 2" sich darin gefällt, die unglaubliche Arroganz der Öko-Fonds-Manager zu betonen, zum Teil auch ihre Verlogenheit zu zeigen, und die Behauptung, Profit und Nachhaltigkeit würden sich unter derzeitigen Strukturbedingungen nicht widersprechen, zu widerlegen. Unter der coolen Rasta-Frisur ist die Ökobankerin auch nur eine harte Yuppie-Lady, die sinistre Pläne brütet und sich bei erster Gelegenheit abwerben lässt.

Zugleich entpuppen sich alle wahren Idealisten in dieser Serie früher oder später als entweder manisch-depressive psychisch Kranke oder massiv medikamentenabhängig oder als korrupt. Und finanzieren können Öko-Fonds nur reiche Erben - ein desaströses Bild, bei dem sogar die härteste Kapitalistin Mitleid bekommt. Überhaupt der Gefühle: Sentimentalität gibt es hier immer nur an der falschen Stelle.

Eine schwarz-grüne Koalition aus Abgebrühten und Moralisten

Dies alles ist insofern Zeitgeist pur, als das in der Beziehung der Yuppies zu den Öko-Moralisten die mentale Arbeitsteilung unserer Gesellschaft offenkundig wird: eine schwarz-grüne Koalition aus Abgebrühten und Moralisten, aus Idealisten und Desillusionierten, die kulturell innerhalb der gebildeten bürgerlichen Schichten schon längst existiert.

Im Zweifel sind die ökologischen Moralisten dabei Sprößlinge der reichen Großbürger, die "hungrigeren" Yuppies und Neoliberalen entstammen der unteren Mittelschicht und "haben es noch nötig". Gemeinsam ist ihnen die Verachtung für den Rest, allen voran die Alten und die Politiker.

Dabei ist nicht zu übersehen, dass "Bad Banks" auch mit dem Masochismus von Teilen des Publikums spielt, dem Selbsthass der Idealisten, die es auf perverse Weise genießen, ihresgleichen - den wohlhabenden Mittelschichten, die sich Moral gern leisten können - beim Scheitern zuzusehen.

Bad Banks, 2. Staffel. Bild: ZDF/Fabrizio Maltese

Dieses Scheitern der Idealisten ist die eigentliche Botschaft von "Bad Banks 2". In einem zentralen Monolog formuliert Gabriel Finger, warum alle Ideen von Nachhaltigkeit und anderem Wirtschaften scheitern müssen, solange nicht auch die Gesellschaft und das Bewusstsein jedes Einzelnen einer Revolution unterworfen wurden:

"Weil du eine kleine feige Hure bist, genau wie alle anderen Menschen, deswegen wird 'Green Wallet' scheitern ... du spendest wahrscheinlich 50 Euro im Jahr, die du von der Steuer absetzt, kaufst dir jedes Jahr ein neues Handy, für das Kinder in denjenigen Ländern sterben, für die du deine 50 Euro spendest ... Wir alle mogeln uns um unser Gewissen herum und die, denen das am besten gelingt, die die sich am besten einreden, das Richtige zu tun, während sie anderen schaden, die sind die Gewinner."

Moral ist ein Gen-Defekt, der zum Tode führt. Der Zyniker entpuppt sich als der wahre, freilich gescheiterte Moralist.

Dynamisierung, Temposteigerung

Die zweite Staffel von Bad Banks übertrifft die erste. Sie ist mutiger in Inhalt und Erzählweise im Vergleich zu Christian Züberts Dynamisierung der Inszenierung, zu Temposteigerung ist im im Nachhinein erkennbar, wie behäbig und bieder die erste Staffel stellenweise doch noch war, und wo die Grenzen von Christian Schwochows Regie liegen.

Bedeutenden Anteil an allem haben die Darsteller. Ihre Figuren sind selten einfache Identifikationsträger, um so mehr ist ihre Leistung zu würdigen, mit der sie die kaum im Detail durchschaubare Handlung tragen, und Dialoge im Finanz-Chinesisch sprechen, denen mindestens vier Fünftel des Publikums rational nicht zu folgen vermögen.

Bad Banks, 2. Staffel. Bild: ZDF/Fabrizio Maltese

Für Paula Beer ist die Figur der Jana Liekam eine ideale Rolle. In der zweiten Staffel ist die noch facettenreicher: Nicht mehr die halb-unschuldige Novizin am Hof des Geldadels, sondern einen Fürstin aus eigenem Recht. Geachtet und gefürchtet, vor anderen immer cool, dabei nicht ohne menschliche Wärme und Seiten, die nur wir Zuschauer kennen. Man bekommt Sympathien für sie, die nicht mehr in Unschuldslammqualitäten liegen.

Beer kann auch Autor und Regisseur dankbar sein, dass sie ihr Möglichkeiten jenseits bisheriger Auftritte geben. Hier ist Beer nicht wie so oft schon idealisiertes Objekt in den Händen eines Regisseurs, hier stellt sie ein Film nicht als püppchenhafte Ikone auf einen Sockel wie schon in ihrem Debüt bei Chris Kraus ("Poll") und zuletzt noch in Donnersmarcks "Werk ohne Autor" und Petzolds "Transit". Stattdessen entfaltet Beer Charme, jugendlichen Unrast, dabei viel Expertise in ihrem Beruf - zusammen fasziniert ein seltsamer Kontrast zwischen fast kindlicher Wirkung und der Härte der Finanzkriegerin.

Großartig ist auch Albrecht Schuch in der Rolle von Janas vertrautem Partner Adam - der das Gegenteil von Jana verkörpert: Der Finanzmarkt ist für Adam Droge ("Ich muss das leben. Um aus Scheiße Geld zu machen, musst Du sie zuerst probieren."), vom kurzfristigen Erfolg ist er abhängig wie ein Fixer vom täglichen Schuss.

Den Ausgleich bilden andere Exzesse mit Frauen und Alkohol, dazwischen gibt es kurzfristige Depressionsschübe, und ab und an verliert Adam einfach mal die Fassung - das alles mag Börsen-Klischees seit "Wall Street" und "American Psycho" folgen, doch Schuch bringt es mit erstaunlicher Glaubwürdigkeit und Humanität, nie karikierend auf den Bildschirm. Und sogar den ganz unverstellt naiv liebenden Vater der von ihm getrennt lebenden Kinder nimmt man ihm ab.

Im Vergleich zur ersten Staffel fällt dafür Mai Dong Kieu ab: War sie 2018 noch "die" Entdeckung, lässt ihre Rolle der Thao diesmal kaum mehr zu, als das Klischee von der "undurchschaubaren Asiatin".

Routiniers wie Desiree Nosbusch als manipulative Lady Macbeth des Bankenmilieus, Barry Atsma, in einem diesmal kleineren Auftritt. Gabriel Finger und Tobias Moretti in einem wunderbaren Auftritt als von den neuen Verhältnissen überrollter Altbanker an der Grenze zur Karikatur runden das Tableau ab. Einzig Trystan Pütter als deutscher Finanzminister bleibt in jeder Szene eine Witzfigur: absurd unglaubwürdig und den Kollegen nicht gewachsen.

Broker am Rande des Nervenzusammenbruchs

Wo steht diese Serie? Weltanschaulich? Sie ist keineswegs so neutral wie Rezensenten jetzt behaupten. Sie feiert den Kapitalismus und die Härte. "Bad Banks 2" inszeniert die Entfesselung des Chaos auf allen Ebenen.

Es zeigt Broker am Rande des Nervenzusammenbruchs und funktioniert selbst ein bisschen wie Derivate-Handel: Schnell, ohne Blick zurück und Zeit zur Reflexion. Das Publikum ist mal in der Rolle von Insidern, die auf der Höhe der Macher eine neue Idee entwickeln, dann wieder in der von jenen trotteligen Kleinsparern, die von Menschen wie der ambivalenten Heldin Jana in zwei Minuten zugelabert und über den Tisch gezogen werden.

Die Verzinsung der Serie ist dabei überraschend langfristig. Man wartet auf die nächste Tranche.

Arte, 6. Februar, 20 Uhr 15, Folgen 1-3, 7. Februar, 20 Uhr 15, Folgen 4-6;
ZDF, 8. Februar, 21 Uhr 45, Folgen 1-2, 9.2., 22 Uhr 15, Folgen 3-4, 10.2., 22 Uhr 15, Folgen 5-6
"Bad Banks", Arte Mediathek und ZDF Mediathek, komplett verfügbar ab sofort

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.