"Durchgespielt" reicht nicht - GTA 5 muss man bewohnen

Alle Bilder: Rockstar.

Claus Jahnel ist nach Los Santos umgezogen

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Endlich: Nach jahrelangem Promo-Gewese ist GTA 5 zumindest für die aktuellen Konsolen von Microsoft und Sony erschienen (eine für den PC portierte Fassung ist angekündigt) und setzt bereits die erwarteten Fantastilliarden um. Nun würde man es sich aber zu leicht machen, wenn man die GTA-Serie als reines Hype-Produkt betrachtet. Insbesondere die 3er und 4er-Serien - es sind jeweils drei einzelne Teile erschienen - haben gezeigt, dass es sich hier um eine der wenigen Marken der Popkultur handelt, die äußerst effektive Werbekampagnen mit einer offensichtlichen gestalterischen Brillanz koppelt, die es wieder und wieder schafft, alle wichtigen Entwicklungen der Spielebranche zu integrieren und mit eigenen Innovationen jeweils zum absoluten Stand der Dinge zu vereinen.

Die Frage war nur: Was konnte nach GTA 4 noch kommen? Für dieses Spiel hatte Rockstar 2008 bereits ein komplett begeh- und befahrbares Abbild von New York namens Liberty City erschaffen, das als Städtesimulation neue Maßstäbe gesetzt hatte. Maßstäbe, die so hoch waren, dass sich das Produktionsstudio in der angenehmen Lage wiederfand, sich lediglich selbst übertreffen zu müssen.

Also, Koffer gepackt und nach Los Santos gezogen. Aha, ich bin ein Gangster aus der Hood. Freunde und Verwandte scheinen samt und sonders auf Crystal Meth zu sein, also erstmal ins Auto gesetzt, um ein bisschen durch die Stadt zu rasen.

Natürlich ist man einmal mehr beeindruckt. Der Nachbau von Los Angeles wirkt weitläufiger als Liberty City. Andererseits wurde in grafischer Hinsicht nicht der erwartete Sprung nach vorne unternommen - die Bäume und Wolkenkratzer flimmern bei schneller Fahrt oder Kamerabewegung immer noch ein wenig. Das verwundert jedoch nicht wirklich, schließlich muss GTA5 mit denselben Grafikprozessoren arbeiten wie der Vorgänger, dabei aber eine deutlich größere Stadt abbilden.

Dann wird es dunkel. Meine Güte. Jetzt ist das Spiel so schön, dass man als Liebhaber ambitionierter Videospielkunst beinahe weinen möchte. Die Lichter und Leuchtreklamen gehen an und man ist erschüttert. Der Chronist war so ergriffen, dass er Verbrechen erst mal Verbrechen sein ließ und direkt zum VINEWOOD-Schriftzug in den Vinewood Hills gefahren ist.

Man kommt nur über Feldwege hin, aber dann steht er da, wie der echte in Hollywood. In Originalgröße, mit Scheinwerfern, Graffitis und allem Drum und Dran. Davor ein atemberaubender Blick über den nächtlichen Moloch. Man sieht die Skyline und weiß: Man kann zu jedem dieser Gebäude fahren, durch keine Ladezeiten und Zwischenbildschirme davon getrennt. Du bist da, und die Stadt ist es auch. Zu einem Ort zu kommen, dauert solange, wie man braucht, um hinzufahren.

Noch umwerfender präsentiert sich die Spielwelt, wenn man beginnt, das Hinterland zu erkunden. Hier scheinen die Erfahrungen, die Rockstar mit dem Western-Epos Red Dead Redemption gemacht hat, den wahren Innovationssprung ausgelöst zu haben.

Letzten Endes wurde der hohe Standard in puncto Simulation großstädtischen Treibens qualitativ gehalten und grafisch eher in Details verfeinert. Dafür (und das ist bei Weitem interessanter als ein paar Pixel mehr) ist es gelungen, diesen Standard flächenmäßig gewaltig auszudehnen, sodass dieses Mal nicht nur die Stadt selbst, sondern zusätzlich auch der zugehörige Bezirk dargestellt wird. Die Prognose, dass einst GTA 12 bei einer Spielzeit von 5000 Stunden den kompletten Globus simulieren wird, scheint nicht allzu weit hergeholt.

Während man in Liberty City als mittelloser Serbe in New York ankommt, sich vom kleinen Mann fürs Grobe zum Boss hocharbeitet und sich dabei langsam die Stadt erschließt, landet man hier noch vor dem Vorspann in einem Banküberfall mit heftiger Schießerei. Nach besagtem Vorspann muss man sofort wie ein Irrer durch die City rasen und wird schon von den Cops verfolgt, bevor man sich überhaupt so recht eines Verbrechens bewusst wird.

Der stimmungsvolle Anfang von GTA 4, der einem sofort bewusst macht, dass gerade etwas Großes beginnt, findet hier keine Entsprechung. Bald zeigt sich jedoch, dass die Idee, statt einer Hauptfigur deren drei zu verwenden (der Spieler kann drei verschiedene Charaktere steuern, deren Schicksale im Rahmen der Geschichte immer mehr ineinander verwoben werden) sich wohltuend auf die Langzeitmotivation auswirkt.

Das "Mehr" an Fläche, vor allem aber auch an verschiedenartigen Schauplätzen - Gebirge, Schrottplätze, Öhlbohranlagen, Militär-Komplexe, Trailer-Park-Siedlungen und viele mehr -, lässt ein wenig an eine mafiose Variante der eher revolutionär angelegten Just-Cause-Serie denken, ermöglicht aber vor allem der Geschichte, neue Wege zu gehen, was noch bei GTA 4 undenkbar gewesen ist.

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