ESC: Sanktionen gegen die Ukraine?

Kristian Kostov. Foto: Okras. Lizenz: CC BY-SA 4.0

Der stellvertretende ukrainische Ministerpräsident Wjatscheslaw Kirilenko setzt darauf, dass sein Land trotz des Einreiseverbots für die russische Teilnehmerin weiter am Schlagerwettbewerb teilnehmen darf

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Vom 9. bis zum 13. Mai soll in der ukrainischen Hauptstadt Kiew der European Song Contest (ESC) stattfinden, eine Art Europameisterschaft im Schlagersingen. Die Jury des russischen ARD-Äquivalents Perwy Kanal nominierte für diesen Wettbewerb Julia Samoilowa: eine 27-jährige Casting-Show-Berühmtheit, die wegen spinaler Muskelatrophie seit ihrer Kindheit an den Rollstuhl gefesselt ist. Die ukrainischen Behörden wollen diese Sängerin nicht in die Ukraine einreisen und am Schlagerwettbewerb teilnehmen lassen, weil sie 2015 einen Auftritt auf der Krim absolvierte, die sich 2014 der Russischen Föderation anschloss (vgl. ESC: Ukraine in der Zwickmühle).

Nachdem die ukrainischen Behörden dieses Einreiseverbot bestätigten, schrieb Ingrid Deltenre, die Direktorin der Europäischen Rundfunkunion EBU, die den ESC verwaltet, dem ukrainischen Ministerpräsidenten Wladimir Groisman, die Entscheidung sei "inakzeptabel" und habe Mitglieder der EBU so "verärgert", dass diese mit einem Boykott gedroht hätten. Um welche Mitglieder es sich dabei handelt, lässt das Schreiben offen. Außerdem heißt es in dem geleakten und später als echt bestätigten Brief, man respektiere die ukrainischen Gesetze, habe aber bislang keine Anhaltspunkte dafür präsentiert bekommen, warum eine russische Rollstullfahrerin für die Ukraine ein Sicherheitsrisiko sein soll.

Drohung mit Sperre, damit kein Präzedenzfall geschaffen wird

Weil ein Beharren auf die Teilnahmeverweigerung "sicherlich sehr große negative Auswirkungen auf den internationalen Ruf der Ukraine als eine moderne, demokratische europäische Nation haben" würde, erwarte man von der ukrainischen Regierung, dass sie interveniert, um sowohl Schaden für das Land als auch für den Schlagerwettbewerb abzuwenden. Bleibt es bei der Entscheidung, werde man Sanktionen wie den zeitweisen Ausschluss des ukrainischen ARD-Äquivalents UAPBC von ESC-Veranstaltungen prüfen, um zu vermeiden, dass aus dem in der Geschichte des Wettbewerbs einmaligen Ereignis ein Präzedenzfall wird. Diese Drohung äußerte Delentre auch in der schweizerischen Zeitung Blick.

Der Aufsichtsrat der ukrainischen Fernsehgesellschaft warf der EBU darauf hin ein Überschreiten ihres Kompetenzbereichs, eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Ukraine und mangelnden Respekt vor der Souveränität des Landes vor. Im Fernsehsender UA.Perschij hieß es zudem, die EBU lasse sich als "Instrument zur Verstärkung fremder politischer Manipulationen" missbrauchen.

Kirilenko bezweifelt, "dass alle in der Europäischen Rundfunkunion große Freunde des Kremls sind"

Wjatscheslaw Kirilenko, der stellvertretende Ministerpräsident der Ukraine, gab sich dem Portal Obozrevatel gegenüber skeptisch, dass die EBU ihre Drohung tatsächlich wahr macht. Ob das wirklich geschehen wird ist seiner Ansicht nach offen, weil es dazu Mehrheitsentscheidungen braucht und er "bezweifle, dass alle in der Europäischen Rundfunkunion große Freunde des Kremls sind", auch wenn Russland ein "großer Markt" sei und EBU-Mitgliedsgebühren zahle. Zudem könne man der Rundfunkunion im Bedarfsfall die eigene Position noch einmal "zusätzlich erklären".

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