EU-Binnenmarktkommissar sieht "absolut keinen Bedarf" für Sputnik V
Thierry Breton hat verlautbart, dass mit den bereits bestellten Impfstoffen bis Mitte Juli eine Herdenimmunität erreicht werden könne
Thierry Breton, der französische Nationalitätsquoten- und Binnenmarktkommissar in Brüssel, sagte seinem heimischen Fernsehsender TF1 gestern in einem Interview, es gebe in der EU "absolut keinen Bedarf" nach dem russischen Sars-CoV-2-Impfstoff Sputnik V. Für dieses Vektorvirenserum, das - anders als der Vektorvirenimpfstoff von Astrazeneca - zwei verschiedene Adenoviren nutzt, um eine bessere Wirkung zu erzielen, hat der russische Staatsinvestitionsfonds RDIF einen Antrag auf Zulassung bei der EU-Arzneimittelbehörde EMA gestellt (vgl. EU-Impfstoff: Sputnik V rückt näher). Wann sie über diesen Antrag entschieden haben wird, ist noch unkar.
Slowakei: Russisches Serum Anlass für Regierungskrise
In Ungarn, wo die regierende Fidesz-Partei letzte Woche aus der in Brüssel dominierenden christdemokratischen EVP ausstieg, hat man den russischen Impfstoff bereits in Eigenregie bewertet und impft nun damit. Tschechien, das mit hohen Inzidenzwerten kämpft, hat ebenfalls um Sputnik-V-Lieferungen gebeten (vgl. Stiko erweitert Astrazeneca-Empfehlung auf Über-65-Jährige). In Italien beginnt das Spital Lazzaro Spallanzani in Rom voraussichtlich noch diese Woche mit einem Testeinsatz. Ab Juli soll die russische Entwicklung dort vom schweizerisch-russischen Unternehmen Adienne hergestellt werden (vgl. Sputnik V statt Astrazeneca?).
In der Slowakei ist es im Streit um den Einsatz von Sputnik V währenddessen zu einer Regierungskrise gekommen: Weil er mit dem Einsatz des Serums aus Russland nicht einverstanden ist, hatte Richard Sulík, der Wirtschaftsminister und Gründer der Regierungskoalitionspartei "Freiheit und Solidarität" (die auf europäischer Ebene zur konservativen und von der polnischen PiS dominierten EKR-Fraktion gehört), den slowakischen Ministerpräsidenten Igor Matovič zum Rücktritt aufgefordert. Der holte sich zuerst die Rückendeckung seiner Partei "Gewöhnliche Leute und unabhängige Personen" (die sich in Brüssel der EVP angeschlossen hat, aber vom Profil her eher den Freien Wählern als der CDU ähnelt), erklärte dann jedoch, er sei zu einem Rücktritt bereit, wenn Sulík ebenfalls seinen Hut nimmt.
Impfbereitschaft hoch genug für Herdenimmunität?
Als Begründung dafür, warum es in der EU keinen Bedarf für Sputnik V gebe, nannte Breton andere Impfstoffe, die "kommen" und "da sein" würden: Für den März erwartet er 60 Millionen Dosen, für den April 100 Millionen und für den Mai 120 Millionen. Deshalb, so der Franzose, könne die EU bis Mitte Juli eine "Herdenimmunität" erreichen. Ob das dann tatsächlich der Fall sein wird, stellt sich in drei Monaten heraus.
Zu einer Herdenimmunität gehören in jedem Fall nicht nur Impfdosen, sondern auch eine arbeitsfähig unbürokratisch gestaltete Impfinfrastruktur (vgl. Corona-Impfdesaster: Es liegt nicht nur am Mangel) und eine ausreichende Menge an Impfwilligen. Ob diese Menge außerhalb der Personenkreise, die schwerere Covid-19-Verläufe fürchten müssen, zusammenkommt, bleibt abzuwarten. Auch deshalb, weil viele Menschen wegen der eher kurzen Entwicklungsphasen und der Meldung zu mindestens einer dort nicht entdeckten schweren Nebenwirkung (vgl. Corona-Impfung kann Thrombozyten aktivieren) für sich persönlich möglicherweise anders abwägen, als Politiker das für Bürger machen (vgl. Astrazeneca: Individualabwägung vs. Politikerplan).
In Rumänien ist das Interesse an solchen Impfungen den Daten von Vaccin Live nach eher gering: Es liegt zwischen 0,46 Prozent in Suceava in der Bukowina und 8,66 Prozent im siebenbürgischen Klausenburg. Das hat zur Folge, dass in Deutschland wohnende Personen, die einen Nebenwohnsitz in Rumänien haben, dort auch dann Impftermine bekommen, wenn sie jung und gesund sind. Andererseits deutet eine im deutschen Ärzteblatt gemeldete Studie aus der Ukraine, die gleich hinter der Bukowina liegt, darauf hin, dass sich Herdenimmunität auch ohne Impfungen erreichen lässt: Dort stieg der Anteil der Personen mit Sars-CoV-2-Antikörpern angeblich von neun Prozent im Juli 2020 über 33 Prozent im Oktober 2020 auf je nach Region 44 bis 60 Prozent im Januar.
In Deutschland drohen währenddessen weitere massive Lockdown-Einschränkungen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens: Die weitere Verlängerung des im Herbst bekommenen und dann mehrfach verschärften und nur für kurze Perioden teilweise gelockerten Verbotsregimes, die Kanzlerin Merkel und die deutschen Ministerpräsidenten heute debattieren, soll bis mindestens 18. April reichen.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.