EU-Ertüchtigungsfonds: Tödliches Gerät außer Kontrolle

Seite 3: Friedensfazilität und EU-Exportrichtlinien

Ein Großteil der über die Friedensfazilität finanzierbaren Waffen unterliegen den nationalen und europäischen Rüstungskontrollvorschriften.

Insofern ist es auch kein Wunder, dass im EFF-Ratsbeschluss mehrfach betont wird, über die Fazilität finanzierte Waffenausfuhren müssten sich an die EU-Rüstungsexportrichtlinien halten (den sog. Gemeinsamen Standpunkt für Waffenexporte). Wörtlich heißt es im EFF-Ratsbeschluss:

Unterstützungsmaßnahmen, die mit der Ausfuhr oder dem Transfer von in der Gemeinsamen Militärgüterliste der Europäischen Union erfassten Gütern verbunden sind, müssen den Grundsätzen des Gemeinsamen Standpunkts 2008/944/GASP entsprechen.

EFF-Ratsbeschluss

Dieser Gemeinsame Standpunkt enthält acht Kriterien zum Export von Waffen, die vom Rat erstmals bereits Anfang der 1990er formuliert wurden und den Kern der europäischen Rüstungsexportrichtlinien bilden.

Im Juni 1998 wurden diese acht Kriterien dann in den "Verhaltenskodex über Waffenexporte" überführt und damit eigentlich rechtsverbindlich. Er besagte, dass eine Rüstungsexportlizenz bei Verletzung der Kriterien 1-4 grundsätzlich abgelehnt und eine Verweigerung bei Verstoß gegen die Kriterien 5-8 zumindest ernsthaft erwogen werden sollte.

Waffenlieferungen an die Ukraine verstoßen mindestens gegen das Kriterium 3 des Gemeinsamen Standpunktes, in dem es heißt:

Die Mitgliedstaaten verweigern eine Ausfuhrgenehmigung für Militärtechnologie oder Militärgüter, die im Endbestimmungsland bewaffnete Konflikte auslösen bzw. verlängern würden oder bestehende Spannungen oder Konflikte verschärfen würden.

Gemeinsamer Standpunkt

Das ganze Konstrukt hat aber mehrere entscheidende Schwachstellen – es sind die Staaten, die beliebig über die Auslegung der Kriterien entscheiden. Es fehlt an einer verlässlichen Prüfung, inwieweit die Exportvorschriften eingehalten werden und vor allem mangelt es an Sanktionen, im Falle einer Verletzung der Regeln. Dies wurde selbst vom Europäischen Parlament in mehreren Resolutionen mal mehr, mal weniger scharf kritisiert.

Grüne: Legal, illegal…

Der Europäische Gerichtshof ist in dieser Frage nicht zuständig und auch in Deutschland existiert bislang kein Rüstungsexportgesetz, das es ermöglichen würde, gegen Verstöße der nationalen oder europäischen Richtlinien zu klagen.

Selbst die grüne Europaabgeordnete Hanna Neumann, unter deren Ägide der letzte, zwar bereits verwässerte, aber immer noch halbwegs kritische EP-Bericht zu den EU-Rüstungsexporten erschien, forderte noch 2019, hier Abhilfe zu schaffen:

Deswegen [wegen der hohen deutschen Exportzahlen] brauchen wir dringend ein deutsches Rüstungsexportgesetz, dass [sic!] die Kriterien des EU Standpunkts [sic!] verbindlich und einklagbar macht. Diese nehmen Bezug auf die Menschenrechtssituation in den importierenden Staaten und untersagen Exporte in Kriegs- und Krisenregionen.

Hannah Neumann

Nun mag sich ja die Haltung zu Waffenlieferungen nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine bei Menschen wie Neumann verändert haben – gleichgeblieben ist aber, dass die Friedensfazilität eindeutig an die Einhaltung des Gemeinsamen Standpunkts gebunden ist, der klare Verstoß im Falle der Ukraine aber nicht einklagbar ist.

Und geht es nach Neumann – und vermutlich den meisten anderen Grünen – scheint das nun auch in Ordnung zu sein. Denn sie rechtfertigte nun die jüngsten EU-Waffenlieferungen folgendermaßen:

Die EU hat nun erneut 500 Millionen Euro für die Ausfuhr von Waffen in die Ukraine bereit gestellt, finanziert durch die europäische Friedensfazilität. […] Ich unterstütze diese Exporte ebenfalls. […] Die Friedensfaziliät wird nicht aus dem EU-Haushalt finanziert, sondern ist ein besonderer EU-Geldtopf, den die EU-Staaten für mehrere Jahre selbst finanziell ausgestattet haben. Die Fazilität unterliegt daher nicht üblichen EU-Regeln für Waffenlieferungen.

Hannah Neumann

Aktuell wird unter der Ägide von Wirtschafts-Staatssekretär Sven Giegold an einem deutschen Rüstungsexportgesetz gearbeitet. Es gehe darum, so der Ex-Attac-Aktivist Giegold, eine "restriktive und klare gesetzliche Grundlage" zu schaffen. Auch werde eine EU-Verordnung zur Thematik angestrebt.

Am 6. April will sich Giegold mit VertreterInnen der Rüstungsindustrie treffen – allzu bange vor diesem Gesetz dürfte es ihnen aber nicht sein, nach der Haltung, die die Grünen zu den jetzigen Waffenlieferungen an die Ukraine und zur Friedensfazilität an den Tag gelegt haben.

Von Exportrichtlinien zur Einzelfallprüfung

Faktisch ist mit den Waffenlieferungen in die Ukraine das kategorische Verbot von Ausfuhren in Kriegsgebiete Geschichte, es dürfte von einer Einzelfallprüfung ersetzt werden, die es künftig sehr viel einfacher machen wird, Waffen in solche Situationen zu entsenden.

Völlig zu Recht bemerkte Georg Restle bei Monitor deshalb bereits kurz bevor die Europäische Friedensfazilität ins Leben gerufen wurde:

Neu ist, erstmals wird die EU selbst Waffen liefern können und nicht nur ihre einzelnen Mitgliedstaaten. […] Die sogenannte Friedensorganisation EU soll jetzt zum internationalen Waffenlieferanten aufsteigen. So etwas nennt man dann wohl "Paradigmenwechsel". […] Nicht zu vergessen, 2012 hat die Europäische Union den Friedensnobelpreis bekommen – wofür eigentlich?

Georg Restle, Monitor