EU-Gipfel: Hilflose Drohgebärden gegen Russland
Seite 2: Das Land, das die EU verlassen will, will der Rest-EU auch noch Vorschriften machen
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Stattdessen spielte sie die Scharfmacherin in Sachen Russland und die Bremserin bei Anti-Dumping-Maßnahmen gegen China. May blockiert einen EU-Beschluss, obwohl sie gleichzeitig neue bilaterale - also exklusiv britische - Handelsabkommen plant! Außerdem besaß sie die Unverfrorenheit, die (durch den Brexit nötig gewordenen) Sondergipfel der 27 Rest-EU-Mitglieder wie zuletzt in Bratislava zu kritisieren.
Sollten sich die EU-Chefs noch einmal ohne die Briten treffen und dabei Beschlüsse fassen, so werde dies Konsequenzen haben, so die Brexit-Führerin. Großbritannien werde solche Beschlüsse nicht einfach abnicken. Das Land, das die EU verlassen will, will der Rest-EU auch noch Vorschriften machen! Das hätte man sich vor sechs Monaten in Brüssel nicht einmal träumen lassen.
Doch nicht nur die Briten spielten Foul. Auch die Niederländer halten die Union hin. Premier Mark Rutte sollte seinen Amtskollegen erklären, wie es mit dem Assoziierungsabkommen mit der Ukraine weitergehen soll, nachdem die Niederländer im Frühjahr bei einem Referendum Nein gesagt hatten. Doch er konnte keine klare Antwort geben - und hielt die EU weiter hin.
Ärger gab es dann auch noch mit Belgien, wegen des geplanten CETA-Abkommens mit Kanada. Zwar steht Belgien nicht allein auf der Bremse. Das tun auch Bulgaren und Rumänien, die Visa-Freiheit für ihre Bürger in Kanada verlangen. Doch der Druck konzentrierte sich beim EU-Gipfel auf die belgische Provinz Wallonie. Sie verweigert ihre Zustimmung, weil sie Bedenken gegen den geplanten Investitions-Gerichtshof hat und Nachteile für ihre Landwirte fürchtet.
Ceta könne doch nicht an 2,5 Millionen Wallonen scheitern, warnten die EU-Führer. Er sei tief besorgt, erklärte EU-Gipfelchef Donald Tusk nach einem Gespräch mit dem belgischen Premierminister Charles Michel. "Europas Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel." Hektisch wurde eine Sondersitzung der EU-Botschafter einberufen, die EU-Kommission intervenierte. Doch am Abend war immer noch keine Lösung in Sicht. Die Gespräche mit der Kommission wurden abgebrochen.
Der wallonische Ministerpräsident Paul Magnette verließ wortlos die Krisensitzung, kurz vor Mitternacht lehnte seine Regierung den Kompromissentwurf ab. Am Freitag Morgen soll das wallonische Regionalparlament erneut über Ceta beraten. Mit einem Durchbruch wird aber nicht mehr gerechnet, die Zeichen stehen auf "Non".
Zwar könnte Ceta auch nach dem EU-Gipfel noch kommen: Die Staats- und Regierungschefs werden für die Zustimmung nicht gebraucht. Wenn Belgien seinen Widerstand doch noch aufgibt, reicht sogar ein schriftliches Umlaufverfahren. Doch der Streit hat das Gipfeltreffen überschattet und gezeigt, dass nach dem Süden (Eurokrise) und dem Osten (Flüchtlingskrise) nun auch der Westen Europas zum Problemfall geworden ist.
Die einzig neue Botschaft aus Brüssel könnte am Ende die Sanktionsdrohung gegen Russland sein. Die verlorene Einheit kann die Europäische "Union" jedoch auch mit dieser Drohgebärde nicht verbergen. Und den Krieg in Syrien beenden wird sie auch nicht.