EU-Kommission verkündet das Ende der Krise

Seite 2: Ist die Arbeitslosigkeit wieder auf Vorkrisenniveau?

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In dem Resümee fällt sogleich auf, dass sich Brüssel keinen Vergleich zehn Jahre zurück in das Jahr wagt, in dem die Krise 2007 ausgebrochen ist. Denn damit wäre die Selbstbeweihräucherung sofort Makulatur. Dabei hätte man nur kurz bei der Europäischen Statistikbehörde vorbeischauen müssen. Eurostat gibt die fallende Arbeitslosenquote im Euroraum derzeit mit 9,1% und in der gesamten EU mit 7,7% an. Scrollt man in der aktuellen Pressemitteilung zur Arbeitslosigkeit in Europa dann nach unten, zeigt sich eine Grafik über den Verlauf der Quote zurück bis zum Jahrtausendwechsel.

Bild: EU

Ein kleiner Blick genügt also, um sofort zu sehen, dass die Arbeitslosigkeit weiter deutlich über dem Vorkrisenniveau liegt. Tatsächlich lag sie im Juni 2007 bei 7,5% im Euroraum und bei 7,2% in der gesamten EU. Die Quote der Langzeitarbeitsarbeitslosigkeit lag 2007 im Euroraum bei gut 3% und liegt nun bei 5%, ist also fast doppelt so hoch.

Die Propagandisten in Brüssel äußern sich auch nicht dazu, dass die Lage auf dem Arbeitsmarkt in einigen Ländern der von der EU-Kommission propagierten Austeritätspolitik weiter enorm hoch ist. Hier ist vor allem Griechenland zu nennen, wo noch mehr als 20% Arbeitslosigkeit verzeichnet werden. In Spanien sind es immer noch mehr als 17% und die Jugendarbeitslosigkeit liegt sogar noch bei 39% und in Italien bei gut 35%. Besser aufgestellt als vor der Krise also?

In Italien (11,1%), Zypern (10,8%), Kroatien (10,6%) und Frankreich (9,6) liegen Arbeitslosenquoten heute auch weiterhin deutlich über dem Durchschnitt und sie sind schlechter als vor der Krise. Positiv fällt Portugal auf. Gegen den Bestrafungsdruck aus Brüssel hat sich die Linksregierung erfolgreich von der Austeritätspolitik gelöst. Das Land befindet sich auf einem guten Weg, hat neben dem Defizit zudem auch noch die Arbeitslosigkeit deutlich abgebaut, Sie liegt mit 8,8% unter dem Durchschnitt und nur noch knapp über der Quote vor zehn Jahren.

Völlig unbeachtet bleibt in Brüssel, dass sich die Qualität der Arbeitsplätze verschlechtert hat, die zusehends prekärer wurden. Es sind oft nur ungewollte Teilzeitjobs und sehr viele Verträge werden nur noch befristet geschlossen. In Spanien sind sogar nun mehr als 92% der neuen Arbeitsverträge befristet. Nur noch 5% aller Verträge sind Vollzeit und unbefristet. Inzwischen sind schon 20% aller bestehenden Verträge befristet, obwohl die Lockerung von Kündigungsschutz und die Kürzung von Abfindungen angeblich die unbefristete Beschäftigung fördern sollten.

Die Zahl der prekären Jobs ist sogar in den letzten beiden Jahren weiter gestiegen, in denen Spanien ein deutliches Wachstum verzeichnet hat, denn 2015 gab es noch 18% befristete Verträge. Aber auch die, die noch über einen alten Vollzeitvertrag verfügen, haben in der Krise meist über Lohnkürzungen und Inflation deutlich an Kaufkraft verloren, macht sogar die konservative Zeitung El Mundo deutlich und titelt: "Löhne und Arbeitslosenzahlen widerlegen Brüssel",

Insgesamt hat die zunehmende prekäre Beschäftigung auch dazu geführt, dass das Armutsrisiko enorm gestiegen ist. 2015 lebten fast 120 Millionen Menschen in der EU in Haushalten, die als von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht eingestuft werden. "Das entspricht einem Anteil von 23,7% der Gesamtbevölkerung", heißt es in der letzten Auswertung von Eurostat. Auch in Deutschland, das gerne als Musterland in Europa gilt, wurde die Armut durch die Politik der Bundesregierung vergrößert. Im Euroraum waren 23,1% der Bevölkerung arm, von Armut oder von Ausgrenzung bedroht. Die Quote ist mit der Senkung der Arbeitslosenquote aber nur leicht gesunken. Ohnehin gilt auch das nicht überall. In Italien ist die Quote zuletzt sogar weiter auf 28,7% gestiegen, das waren gut 320.000 mehr als im Vorjahr. (). Im Euroraum und in der EU ist man in den Fragen also weit vom Vorkrisenniveau entfernt.