EU-Pläne zur Gebäudesanierung könnten Ruin für Eigentümer und Mieter werden

Energieeffiziente Gebäudesanierung in der Europäischen Union

Mit einer Pflicht zur Gebäudesanierung möchte die EU-Kommission die Energieeffizienz steigern.

(Bild: Andreas Lischka, Pixabay)

Energieeffizienz von Häusern soll nach Plänen der EU-Kommission steigen. Sie könnten aber Unternehmen, Eigentümer und Mieter überfordern. Das sind die Details.

In der Europäischen Union entfallen rund 40 Prozent des Energieverbrauchs und 36 Prozent der Treibhausgasemissionen auf den Gebäudesektor. Diese Zahlen verdeutlichen: Die Energieeffizienz von Gebäuden muss dringend gesteigert werden, wenn die Klimaziele erreicht werden sollen.

Bislang konnten sich die EU-Staaten jedoch nicht über den Umfang der geplanten Sanierungspflicht einigen. Nach einem Bericht des Handelsblatts steht eine Einigung aber offenbar kurz bevor. Ein Kompromissvorschlag sehe vor, bis 2030 rund 15 bis 20 Prozent und bis 2035 bis zu 25 Prozent des Primärenergieverbrauchs im Vergleich zum Jahr 2020 durch Gebäudesanierung einzusparen.

Der Kompromiss lockert die Sanierungspflicht. Hausbesitzer können daher aufatmen, denn auf sie kommen geringere Kosten zu. Am Donnerstag sollen die Verhandlungen im sogenannten Trilog-Verfahren zwischen EU-Kommission, Rat und Parlament abgeschlossen werden. Das genaue Reduktionsziel wird aber erst im Januar festgelegt.

Widerstand gegen ursprüngliche Vorschläge der EU-Kommission

Der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission zur Reform der Gebäuderichtlinie war bei den Mitgliedstaaten auf heftige Ablehnung gestoßen. Die Länder hätten ihren Gebäudebestand nach gleichem Muster in Klassen einteilen müssen. Für die beiden untersten Klassen war dann eine Sanierungspflicht vorgesehen.

Der Vorschlag der EU-Kommission sah vor, dass zunächst die 15 Prozent energetisch schlechtesten Wohngebäude in jedem Land bis 2030 saniert werden sollten. Bis 2033 wären dann die Gebäude der zweitschlechtesten Effizienzklasse an der Reihe.

Weiterhin sieht der Kommissionsentwurf vor, dass in wenigen Jahren alle Neubauten Nullemissionsgebäude sein sollen. Es sollen also nur noch Häuser gebaut werden, die so gut gedämmt sind, dass sie einen geringen Eigenbedarf haben. Dieser könnte dann durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Diskutiert wurde auch der Vorschlag, dass alle bestehenden Gebäude bis 2050 diese Energieeffizienz erreichen müssen.

Kritiker bemängelten, dass sich für manche Häuser eine teure Sanierung nicht lohne. Einige EU-Länder fühlten sich durch die Regelung benachteiligt, weil sie bereits in der Vergangenheit in den Gebäudebestand investiert hatten. Außerdem gebe es keinen international vergleichbaren Standard.

Wissenschaftliche Perspektive: Bedenken hinsichtlich Nullemissionsgebäuden

Auch in der Wissenschaft wird der Kommissionsentwurf kritisch betrachtet. Nikolas Müller, Leiter des Real Estate Management Institutes an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Wiesbaden, weist auf ein gravierendes Problem mit den Nullemissionsgebäuden hin. Er erklärte:

[Sofern] das Referenzgebäude als Nullemissions-Gebäude so definiert wird, dass es eine sehr hohe Energieeffizienz erreicht und keine oder kaum Restenergie benötigt, bieten sich auch dem deutschen Gesetzgeber nicht mehr viele Möglichkeiten, diese Auslegung zu umgehen.

Denn dann müssten alle Gebäude diesen unglaublich hohen Effizienz-Standard erfüllen, der in vielen Fällen unwirtschaftlich ist. Es würde keinen Spielraum mehr für Gebäude geben, die nach wirtschaftlichen Kriterien energetisch effizient saniert werden und den restlichen Energiebedarf über erneuerbare Energien decken – und damit auch Nullemissions-Gebäude wären.

Soziale und wirtschaftliche Auswirkungen: Ein Blick auf die Eigentümer und Mieter

Besonders betroffen von der Neuregelung wären Eigentümer oder Käufer von Einfamilienhäusern, da diese in der Regel höhere Sanierungskosten aufweisen.

Zudem könnten kommunale Wohnungsunternehmen und Genossenschaften in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Denn im Gegensatz zu börsennotierten Unternehmen erzielen sie geringere Eigenkapitalrenditen, agieren in schrumpfenden Märkten und stehen vor der Herausforderung, preiswerten Wohnraum für Menschen mit geringem Einkommen bereitzustellen.

Für sie, aber auch für private Vermieter gilt: Sie werden durch die Anforderungen finanziell besonders belastet, wenn sie die Kosten für energetische Maßnahmen nicht auf die Mieter umlegen können. Hier müsse der Staat neue Förderinstrumente einführen, so Müller.

Die Last der Kosten: Auswirkungen auf Mieter

Wenn die Kosten auf die Mieter umgelegt werden können, kann dies ein ernsthaftes soziales Problem darstellen. Lisa Vollmer, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Europäische Urbanistik der Bauhaus-Universität Weimar, erklärt, dass vor allem arme Menschen von der Sanierungswelle betroffen sein werden.

Denn Studien zeigen deutlich, dass die Ausgaben pro Quadratmeter für Heizung und Warmwasser mit sinkendem Einkommen steigen, was darauf hinweist, dass einkommensarme Haushalte in Gebäuden mit besonders schlechten Energiestandards leben

Lisa Vollmer

Es ist auch wahrscheinlich, dass die Kosten der Wärmewende allein von den Mietern getragen werden müssen. Denn im privaten Mietwohnungssektor werden staatliche Fördermittel für energetische Modernisierungen eher selten in Anspruch genommen. Und da die Mieterinnen und Mieter keinen Einfluss darauf haben, ob und wie energetische Maßnahmen durchgeführt werden.

Zudem hätten qualitative Studien gezeigt, so Vollmer, dass energetische Modernisierungen regelmäßig zu deutlichen Mietsteigerungen führen, die durch die sinkenden Heizkosten bei Weitem nicht kompensiert werden. In der Folge komme es zur Verdrängung und Segregation oder zur Verdrängung des Lebensstils, da die Haushalte bei anderen Ausgaben des täglichen Lebens sparen müssten.

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