EU beschließt Aktionsplan für sicheres Internet
Briten für Hotlines, Italiener und Franzosen filtern lieber, Experten besorgt um ausreichendes Catering, österreichische Posttochter als selbsternannter Musterknabe unter den ISPs
Der "Aktionsplan zur Förderung einer sicheren Nutzung des Internet " (Action plan on promoting safer use of the Internet), der den Rat der Europäischen Union am 21. Dezember passiert hatte, ist seit kurzem im Netz zugänglich.
Davon abgesehen, dass die allgemeine Einleitung ("Preliminiary Text") umfangreicher ausgefallen ist als der Aktionsplan selbst, liegt das offenbare Hauptaugenmerk desselben auf der Einrichtung von Hotlines, bei denen illegale oder schädliche Inhalte gemeldet werden sollen. Während in diesen, wie in zwei anderen Punkten - freiwillige Selbstbeurteilung ("self rating") und Öffentlichkeitsarbeit ("awareness actions") - britische Initiativen federführend sind, steht der weitaus problematischste Abschnitt zum Thema "third-party filtering and rating software" unter italienisch-französischer Patronanz.
Zur Umsetzung des gesamten Plans ist freilich eine Ausschreibung vonnöten, die derzei noch in der Vorbereitungsphase ist und im März 1999 erfolgen soll. Der Aufruf an potentielle Vertragsnehmer enthält jedenfalls Details, die der EU offenbar sehr wichtig sind. Mögliche Kontraktoren haben dafür zu sorgen, heisst es im zweiten Punkt, dass bei den Meetings für ausreichendes Catering gesorgt ist und den Experten verbilligte Hotelzimmer zur Verfügung stehen.
Die österreichische Internet Service Providers Association (ISPA), die Anfang Dezember in einer Hauruck-Aktion vorgeprescht war und eine Hotline eingerichtet hatte, geht die Sache nunmehr vorsichtiger an. Der in der Tonart "Auf gehts!" gehaltene Begleittext wurde durch eine wesentlich differenzierte Darstellung ersetzt. Der Hintergund dafür, dass ausdrücklich nur noch Meldungen über "kinderpornographische und neonazistische" Inhalte entgegengenommen werden, die auf österreichischen Servern stehen, dürfte in der Entwicklung der Hotline zu sehen sein. In den ersten 14 Tagen ihres Bestehens wurde zwar kein Fall von tatsächlich illegalen Inhalten gemeldet, genutzt wurde sie vielmehr von notorischen Beschwerdestellern aller Art.
Die peinliche Rolle des selbsternannten Musterknaben fällt nunmehr alleine dem Post-Ableger AON zu, auf dessen Site ein ganzer Katalog von Verboten und Einschränkungen aufgelistet ist. Entfernt wird da nicht nur "illegale Pornographie (Kinderpornos etc.)" sondern auch "rechts- und linksextremes Gedankengut, Rassismus, Drogen" sowie "Herabwürdigung religiöser Lehren", womit der Willkür der Post-Zensoren Tür und Tor geöffnet ist.Zusätzlich will AON alle möglichen Newsgroups "schliessen bzw.sperren" und für alle, denen dies nicht genügt, bietet man auch noch Filtersoftware an.
Den Hintergrund für die Aktion der Provider haben die Spatzen schon rund um den EU-Gipfel in Wien von allen Netzknoten gepfiffen. Nachdem die österreichische EU-Präsidentschaft keines von ihren Zielen erreichen konnte, wurde in letzter Minute der Musterknabenplan aus dem Hut gezaubert und von drei Ministern durchgesetzt. Die nach Wien angereisten EU-Spitzen, wurden von ihrem eigenen Vorhaben zur Bekämpfung von schädlichen und illegalen Inhalten im Internet informiert und mithilfe von Schlagzeilen wie "Polizei verstärkt Jagd auf Kinderpornos im Internet" von der Boulevard-Presse begrüsst.
Bei den besonders zahlreich mitgereisten Wirtschaftsexperten soll die österreichische Zugangsweise zum Neuen Medium auf nicht besonders große Gegenliebe gestoßen sein.