EU schätzt Gasstreit mit Russland kritischer ein als sie zugibt

Mehrere Krisensitzungen von Brüsseler Diplomaten seit Putins "Rubel-Erlass". Wer sich am Ende durchsetzt, scheint offen

Der Lieferstopp russischen Erdgases an EU-Länder trifft die Union nach Angaben von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nicht unerwartet. "Wir sind vorbereitet auf dieses Szenario", teilte sie am Mittwoch mit. Man stehe in engem Kontakt mit allen EU-Staaten und habe daran gearbeitet, Lieferungen aus anderen Ländern sicherzustellen.

Zudem gebe es Notfallpläne für eine solche Situation. Es sei ein "weiterer Versuch Russlands, Gas als Erpressungsinstrument einzusetzen", kritisierte die deutsche Politikerin. Dies zeige einmal mehr die Unzuverlässigkeit Russlands als Gaslieferant.

Die Gazprom teilte knapp eine Stunde nach Beginn des Lieferstopps über den Kurznachrichtendienst Twitter mit, der Konzern stelle "die Gaslieferungen an die bulgarische Bulgargaz und die polnische PGNiG vollständig ein, da sie nicht in Rubel zahlen".

Der Text einer entsprechenden Erklärung war – offenbar wegen Überlastung des Servers – allerdings nicht zu erreichen. Auch Gazprom Germania war wenig auskunftsfreudig: "Wir geben dazu keine Information", sagte ein Vertreter der Konzernpressestelle am heutigen Mittwoch auf telefonische Anfrage von Telepolis-Anfrage knapp – und legte auf.

Der Krieg in der Ukraine - hier der Frontverlauf am 25. April – hat einen Wirtschaftskrieg zur Folge

Nicht nur das ist ein Beleg für die zunehmende Nervosität bei allen Beteiligten im laufenden Gas- und Sanktionsstreit. Trotz der betonten Gelassenheit von Vertretern der EU und auch Russlands zehrt der Wirtschaftskrieg an den Nerven.

Denn für Russland sind die Einnahmen aus dem Energiegeschäft eine wirtschaftliche Überlebensfrage. Aber auch die EU begibt sich mit der Sanktionspolitik und der Abkehr von Energiegeschäften mit russischen Lieferanten auf dünnes Eis.

Zwar hielt sich die Kommissionspräsidentin an das in Brüssel besprochenen Wording. Dort hatten diplomatische Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten seit dem Rubel-Dekret Nummer 172 des russischen Präsidenten vom 31. März wiederholt die Notwendigkeit eines einheitlichen Vorgehens betont.

Nach Angaben eines EU-Diplomaten sind aber vorrangig die Westbalkanländer und angrenzende Staaten angesichts des sich zuspitzenden Gasstreits betroffen und drohen daher auszuscheren. Vor allem die Slowakei und Kroatien hätten zuletzt ihre hohe Abhängigkeit von russischem Gas betont.