Echelon sorgt jetzt auch in Japan für Unruhe
Nach dem Bericht einer japanischen Zeitung wurde das Lauschsystem auch gegen Japan zur Wirtschaftsspionage eingesetzt
Nächste Woche wird der nichtständige Ausschuss über das Abhörsystem Echelon des Europäischen Parlaments seinen Abschlussbericht vorlegen. Ergebnis ist, dass die Existenz eines globalen, von den Amerikanern betriebenen Lauschsystems, an dem auch Großbritannien, Australien, Kanada und Neuseeland beteiligt sein sollen, bestätigt wird, mit dem vermutlich auch Wirtschaftsspionage betrieben wird. Nach einem Zeitungsbericht gibt es nun auch erstmals in Japan Kritik an Echelon.
Gerhard Schmid, Vizepräsident des Europäischen Parlaments und Berichterstatter des Ausschusses, fasste das Ergebnis der Untersuchungen so zusammen, dass ein Nationalstaat nicht in der Lage ist, Lauschangriffe anderer Staaten abzuwehren:
"Früher konnte der Staat die Vertraulichkeit der Kommunikation herstellen (er musste dies sogar als Grundlage fairen Wettbewerbs in der Wirtschaft tun), weil Kommunikationsraum und Staatsgebiet meist deckungsgleich waren. Heute finden wichtige Teile der Kommunikation international statt, eine globale Autorität, die Vertraulichkeit von Kommunikation herstellen könnte, gibt es bisher nicht! Hinsichtlich von Kommunikation sind wir angesichts ihrer Globalisierung auf Verhältnisse zurückgeworfen, wie sie vor der Zeit des bürgerlichen Staates existierten."
Rechtlich lässt sich in der EU gegen ein Abhören von Privat- oder Geschäftspersonen nur im Rahmen der Menschenrechtskonvention vorgehen. Es gibt viele Ausnahmen, aufgrund derer im Interesse der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Sicherheit oder des wirtschaftlichen Wohlergehens des Landes, zur Abwehr von Unordnung oder Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten von Anderen gelauscht werden darf. Das Abhören muss allerdings EU-intern ausreichend demokratisch kontrolliert, die Rechtsprechung für die Bürger zugänglich und voraussehbar und für eine demokratische Gesellschaft notwendig sein. Da die Tätigkeit der US-Nachrichtendienste aber geheim ist, wird gegen die Prinzipien der Zugänglichkeit und Voraussehbarkeit verstoßen. Die Mitgliedsstaaten, so sagt der Entwurf, können sich den Verpflichtungen der Menschenrechtskonvention nicht dadurch entziehen, "dass sie die Nachrichtendienste anderer Staaten auf ihrem Territorium tätig werden lassen, die weniger strengen Bestimmungen unterliegen". Das richtete sich gegen Großbritannien und Deutschland (Untersuchung des Echelons-Systems richtet den Blick auch auf Misstände in der EU).
Inzwischen hat der amerikanische Geheimdienst NSA angekündigt, den Lauschposten in Bad Aibling abzubauen, so dass es schon einmal einen Konfliktpunkt weniger gibt. Allerdings könnte es sein, dass die USA sich in Spanien einen neuen Stützpunkt für Echelon schaffen wollen. Spanien will von den USA besonders Technologien zum Belauschen und Knacken von Verschlüsselung erhalten. Man vermutet aber auch, dass die USA für den Kampf der spanischen Regierung gegen die ETA Informationen aus dem Echelon-System angeboten haben könnte. Das wäre nicht nur eine gute Rechtfertigung des Lauschsystems, sondern würde auch erforderlich machen, die gesamte Kommunikation zu überwachen (Mit Echelon gegen ETA?).
Bislang wurde Kritik an Echelon vornehmlich in Europa und in den am Lauschsystem beteiligten Ländern laut. Doch jetzt hat ein Artikel in der japanischen Zeitung Mainichi, der am 27. Juni erschienen ist, auch für Unruhe in Japan gesorgt. Mit Berufung auf Nicky Hager wird dort behauptet, dass Echelon auch zum Zwecke der Wirtschaftsspionage gegen Japan und zugunsten der USA eingesetzt worden sei. Allerdings habe man beim Abhören wegen der hohen Verschlüsselung nur wenige Informationen erhalten können, versichert die japanische Regierung: "Wir denken", so zitiert die Zeitschrift einen Sprecher des japanischen Außenministeriums, "dass nur einfache Dokumente gelesen werden konnten. Es wäre unmöglich gewesen, diplomatische top secret Dokumente zu lesen."
Nach Hager hat der neuseeländische Geheimdienst vom Lauschposten in Waihopai Kommunikation, die über Satelliten ging, von japanischen Botschaften oder Konsulaten abgehört.Seiner Meinung nach hätte die Verschlüsselung der meisten Kommunikationen aber geknackt werden können. Unter den abgefangenen Dokumenten wären Berichte von Botschaften und Informationen über Handelsvorgänge, das Fischerweiwesen, Verhandlungsberichte oder Unterstützung von Entwicklungsländern gewesen. In den 80er Jahren habe man beispielsweise durch Echelon Informationen zu den Verhandlungen der japanischen Regierung über Kohlepreise abhören können, die dazu führten, dass Neuseeland einen guten Handel mit seinen Kohlenexporten abschließen konnte. Seit den 90er Jahren sei von Waihopai aus auch das Abhören von Telefongesprächen möglich gewesen und man sei von der ausschließlichen Überwachung japanischer Botschaften zum Abhören von japanischen Fischerbooten und Schiffen übergegangen, die Plutonium transportieren. Das rohstoffarme Japan muss für die zahlreichen AKWs, die 30 Prozent der Stromversorgug abdecken, Plutonium vornehmlich aus Europa einführen.