Ehen mit Minderjährigen: Andere Länder, andere Sitten

Seite 3: Viel Kritik an dem Urteil

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Der Rechtsprofessor Mathias Rohe, Direktor des Erlanger "Zentrums für Islam und Recht in Europa" (EZIRE), war in einem vergleichbaren Fall als Experte um Rat gefragt worden. Sein Urteil: Diese Ehe könne nach deutschem Recht nicht anerkannt werden. Die Fortführung sexueller Beziehungen wäre strafbar.

Rohe fordert eine für alle Bundesländer eine einheitliche gesetzliche Regelung. Auch die Menschenrechtsorganisation "Terre des Femmes" (TdF) kritisiert die Bamberger Entscheidung.

Teere des Femmes fordert seit langem, das Mindestheiratsalter in Deutschland auf 18 Jahren ohne Ausnahme festzulegen. Dafür haben wir über 108.000 Unterschriften gesammelt und im Mai im Rahmen eines Fachgesprächs dem Bundesjustizministerium übergeben. Zusätzlich fordern wir, dass im Ausland geschlossene Ehen mit Minderjährigen in Deutschland nicht anerkannt werden.

Doch das Phänomen trat nicht erst mit den Flüchtlingen in Deutschland auf. "Frühehen sind hier schon lange ein Problem", erläutert die zuständige TdF-Referentin Monika Michell gegenüber Telepolis: "Terre des Femmes arbeitet seit 2001 gegen Frühehen und Zwangsheirat. Leider gab es keine offizielle Zahlen. Erst 2011 wurde eine umfassende Studie erstellt, deren Zahlen sich allerdings auf 2008 beziehen."

Laut der Studie Zwangsverheiratung in Deutschland des Bundesfamilienministeriums aus dem Jahr 2011 haben sich allein im Jahr 2008 3.443 von Zwangsverheiratung bedrohte oder betroffene Personen an Beratungseinrichtungen gewandt, um Hilfe zu suchen. 93 % der Betroffenen waren weiblich, knapp ein Drittel der Betroffenen unter 18 Jahre.

In der Studie wird erläutert, dass "bereits seit Februar 2005 Zwangsverheiratung als ein besonders schwerer Fall der Nötigung mit einem Strafrahmen von 6 Monaten bis zu 5 Jahren strafbar ist. Der Bundesrat hat am 8. Juli 2005, am 10. Februar 2006 sowie am 12. Februar 2010 den Entwurf für ein Zwangsverheiratungs-Bekämpfungsgesetz beschlossen und in den Bundestag eingebracht. Am 17.03.2011 verabschiedete der Bundestag den von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines 'Gesetzes zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Änderungen' in einer auf Antrag von Union und FDP geänderten Fassung".

Die Begrifflichkeiten "Zwangsehe" und "Frühehe" werden nicht immer getrennt betrachtet. Nicht jede Frühehe ist eine Zwangsehe, und nicht jede Zwangsehe eine Frühehe. Allerdings ist davon auszugehen, dass Ehen mit Mädchen, die jünger als 16 Jahre alt sind, sowohl Früh- als auch Zwangsehen sind. Denn die Betroffenen können die Tragweite dieser Handlung überhaupt nicht abschätzen.Oft werden sie gar nicht gefragt - oder sie kennen es nicht anders. Häufig wird für Ehen, bei denen die Braut zum Zeitpunkt der Eheschließung jünger als 16 Jahre alt war, der Begriff "Kinder-Ehe" verwendet.

Auch hierzulande werden laut Michell sowohl Früh- als auch Zwangsehen geschlossen. Und zwar vorwiegend in religiösen und kulturellen Milieus. In muslimischen Communities z.B. von Imamen. "Bei Roma-Familien beispielsweise gilt es als Eheversprechen, wenn das Mädchen ins Haus ihres Partners zieht" so Michell.

Was ist mit kirchlichen Zeremonien in katholischen und evangelischen Gotteshäusern?

Laut Aussage der evangelische Kirche werden Paare nur nach der standesamtlichen Trauung in einer kirchlichen Zeremonie getraut. Laut des katholischen Rechts, des kanonischen Rechts, liegt das Heiratsalter für Mädchen bei 14 Jahren. Die katholischen Gemeinden haben uns gegenüber allerdings versichert, dass sie sich an die bundesdeutsche gesetzliche Regelung halten, und nur volljährige Paare trauen. Im Falle der Eheschließung eines Paares mit einer minderjährigen Braut lassen sie sich die Erlaubnis des Familiengerichts zeigen.

Dass nun ein Gericht in Deutschland die Heirat einer 14-jährigen Syrerin anerkenne, sei ein fatales Signal, das alle bisherigen Anstrengungen im Kampf gegen Frühehen zunichte mache, so Michell.