Ein Fall von "Lepra" im Vatikan?

Fussnoten

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Obwohl Homosexualität in Europa bis in die jüngste Gegenwart strafbar war, verboten war, verfolgt wurde, und beispielsweise im Iran noch immer mit Erhängen bestraft wird, ist sie nichtsdestoweniger eine normale und geradezu triviale Form menschlicher sexueller Aktivität. Dies gilt gleichermaßen für männliche wie weibliche Sexualität.

Dass der homosexuelle Mann in einer ihm feindlich gesonnenen Gesellschaft selber ein hinterfotziger Mensch wird, zeigte der französische Autor Stendhal in seinem Roman "Le Rouge et le Noir" ("Das Schwarze und das Rote") von 1831. Der Held der Geschichte wurde natürlich niemals als Schwuler deklariert, weil das die Verkaufschancen des Romans sofort auf Null gesenkt hätte. Selbst 100 Jahre später priesen prominente schwule Autoren wie Somerset Maugham oder Andre Gide den Roman als einen der "10 besten Romane aller Zeiten" oder als "einen Roman für das 20. Jahrhundert", ohne je die Homosexualität des Helden auch nur anzudeuten.

In der Tat waren die Kirche und das Militär die einzigen Orte, wo schwule Männer eine erfolgreiche Karriere bewerkstelligen konnten. Stendhal begnügte sich mit der Schilderung des "schwarzen" Teils, also der Karriere seines Helden in der Kirche, und ließ ihn dann sterben. Vermutlich hätte es den militärischen ("roten") Teil auch noch gegeben, wenn dem Autor nicht auf halbem Wege die Puste ausgegangen wäre.

Natürlich gab es in der katholischen Kirche auch, trotz des Zölibats, heterosexuelle Priester, die sexuelle Partnerinnen fanden — Haushälterinnen, alleinstehende Frauen, Dienstboten. Der Witz dazu war, dass man einen rothaarigen Pastor an den vielen rothaarigen Kindern im Dorf erkannte. Heute, wo häufig afrikanische Geistliche auf dem Lande Dienst tun, ist diese Option vielleicht außer Mode gekommen. Aber die Frauen verhüten heute natürlich auch besser. Homosexuelle Männer in der Kirche fanden gleichgesinnte Kollegen und funktionierten auf diese Weise als vortreffliche Diener ihrer Organisation, solange ihnen nicht übelgesinnte Menschen aus der Gesellschaft am Zeug flickten.

Der Päderast ist dagegen nicht ein Homosexueller, der auf kleine Jungs abonniert ist. Er missbraucht Jungen und Mädchen und traumatisiert sie oft für ihr gesamtes restliches Leben. Dass es ihn in der katholischen Kirche gibt, ist weniger die Schuld des Zölibats, denn, wie gesagt, ein "normales" erwachsenes Sexualleben ist auch unter den erschwerten Bedingungen des Zölibats immer noch möglich. Das gleiche galt für lesbische Beziehungen, nicht zuletzt in Klöstern und Klosterschulen. Die christliche Doktrin und Heilslehre, die hier gepflegt wurde, war letztlich nichts anderes als ein Vorwand, um diese Organisationen aufrecht zu erhalten.

Und tatsächlich hatten die Menschen in der heterosexuell ausgerichteten Gesellschaft es oft sehr viel schwerer, mit ihrer Sexualität klar zu kommen. Nicht zuletzt, weil ihnen die Ehe, das Verbot des Ehebruchs und der Scheidung, und dergleichen mehr, von der Kirche oktroyiert wurden und es zugleich Geschlechtskrankheiten, Bordelle als Verteilerkreise für Syphilis, usw., die Verachtung des unehelichen Kindes usw. gab. Die Rolle des blutsaugerischen Kraken, der sich an der Gesellschaft gütlich tut und sie peinigt, hat die katholische Kirche noch immer inne, insbesondere in Ländern, wie in Lateinamerika, wo sie im Alltag verwurzelt ist und auch das Sexualleben der Menschen dominiert und desavouiert.

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