"Ein Haufen gesetz- und gottloser Rambos"

Private Militär- und Sicherheitsunternehmen sind in den USA zu einem profitablen Industriezweig geworden

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Viele der Bilder aus dem Irak wird die Öffentlichkeit in bleibender Erinnerung behalten. Neben den schockierenden Fotos aus dem Militärgefängnis Abu Ghureib (Sadistische KZ-Spiele) gehören dazu sicherlich auch die verstümmelten Leichen von Falludscha (Triumph der Grausamkeit) oder die von irakischen Rebellen verschickten Aufnahmen von der Hinrichtung amerikanischer Bürger wie dem Ingenieur Paul Johnson. In beiden Fällen handelte es sich bei den Opfern um Angestellte von US-Rüstungskonzernen, so genannten "Private Military Companies" (PMCs), die als Vertragspartner des Pentagon oder des US-Außenministeriums in Krisengebieten rund um den Globus im Einsatz sind. Johnson arbeitete als Ingenieur für Lockheed Martin, die Toten von Falludscha begleiteten im Auftrag von Blackwater Security Consulting einen Verpflegungskonvoi der US-Armee (Die globale Konjunktur der Söldnertruppen).

Als im Februar 2003 ein kleines Aufklärungsflugzeug in den Dschungeln der südkolumbianischen Provinz Caquetá von der marxistischen Guerilla FARC (Fuerzas Armadoas Revolucionarias de Colombia) abgeschossen wurde, gab es keine Fernsehbilder, Zeitschriftenartikel oder Pressekonferenzen. Zwei der Insassen wurden bei einem anschließenden Feuergefecht getötet, drei Überlebende gefangen genommen und verschleppt. Bis heute befinden sich Marc Gonsalves, Keith Stansell und Thomas Howe in der Gewalt der Rebellen. Auch sie sind US-Bürger und auch sie arbeiteten für eine der größten Sicherheitsfirmen der USA, Northrop Grumman. Bei einer misslungenen Rettungsaktion kamen kurze Zeit später drei weitere Amerikaner ums Leben, als ihre Maschine unter heftigem Beschuss einen Baum rammte. Wie aus einem Bericht des amerikanischen Verteidigungsministeriums hervorgeht, ist den Qualifikationsbedingungen der Vertragspartner für Kolumbien inzwischen eine weitere hinzugefügt worden: Dschungel-Überlebenstraining.

Private Militär- und Sicherheitsunternehmen sind in den USA zu einem profitablen Industriezweig geworden. Ein zumindest auf Seiten der Verantwortlichen nicht unbedingt erwünschter Nebeneffekt des Booms ist die gesteigerte öffentliche Aufmerksamkeit. Für einigen Wirbel sorgte in den USA unlängst der Wissenschaftler Peter Singer, der in seinem Buch "Corporate Warriors"1 vor allem auf die Unkontrollierbarkeit dieses weiterhin stark expandierenden Sektors hinwies.

Auch "Der Spiegel" veröffentlichte vor kurzer Zeit ein umfangreiches Dossier mit dem Titel "Privatkrieg auf Staatskosten" zum gleichen Thema.2 Der Fokus der Aufmerksamkeit liegt dabei zumeist auf dem Irak, dem "neuen Klondike" (Spiegel) für Söldner aus aller Welt. Über Kolumbien wird dagegen nur selten berichtet. Doch während unklar ist, wie die Erfahrungen des Irak-Krieges die weitere Kooperation zwischen Militär und PMCs beeinflussen werden, könnte der Andenstaat trotz der unterschiedlichen Ausgangslage zumindest Hinweise für die Zeit nach einem möglichen (Teil-)Abzug der amerikanischen Truppen aus dem Irak geben.

Rent-A Cop

Rund zwei Dutzend PMCs sind in Kolumbien aktiv, teilweise schon seit über 10 Jahren. Offiziellen Angaben zufolge hatten im letzten Jahr drei solcher Firmen Verträge mit dem US-Außen-, 17 weitere mit dem Verteidigungsministerium. Wie auch im Irak oder in Afghanistan stellen die Firmen Berater, Ausbilder, Überwachungsexperten, Piloten, Wachpersonal oder Techniker. Aber auch Privatunternehmen oder Wirtschaftskonzerne engagieren "Contractors" zum Schutz von Einrichtungen, Ölfeldern und Pipelines, die beliebte Anschlagsziele der Guerillas darstellen.

Die zu dem Technologiekonzern Computer Sciences Corporation (CSC) gehörende Firma DynCorp, die 98% ihrer Umsätze durch Geschäfte mit amerikanischen Regierungsinstitutionen macht und u.a. auch den Personenschutz für den afghanischen Präsidenten Hamid Karzai übernommen hat, ist der größte Auftragnehmer in Kolumbien. Lukrative Verträge werden darüber hinaus auch von bekannten Großunternehmen wie Lockheed Martin, Bechtel, dem Helikopter-Hersteller Sikorsky & Bell oder mehrere Ablegern des texanischen Ölkonzerns Halliburton gehalten, dessen ehemaliger Direktor der amerikanischer Vizepräsident Dick Cheney ist.

Der Unterschied zum Irak liegt in erster Linie im Maßstab. Zumindest offiziell herrscht in Kolumbien kein Kriegszustand. Im Irak befinden sich zurzeit 135.000 amerikanischen Soldaten, ergänzt von etwa 20.000 -25.000 Söldnern aus aller Welt. In Kolumbien ist die mögliche Höchstzahl - "troop cap" - amerikanischer Militärangehöriger per Gesetz auf 400 begrenzt. Deren Aufgabe soll es sein, einheimische Polizei- und Armeeeinheiten im "War on drugs", dem Kampf gegen Drogenanbau und -schmuggel zu unterstützen. Das Eingreifen in den seit mehr als 40 Jahren schwelenden Bürgerkrieg des Landes ist den amerikanischen Soldaten allerdings streng untersagt.

Diese Vorschrift ist Generälen und politischen Hardlinern auf beiden Seiten schon seit längerem ein Dorn im Auge. Zum einen, so wird argumentiert, überschneiden sich Drogen- und Guerillabekämpfung, da die Rebellen finanziell vom Anbau und Verkauf profitieren würden. Zum anderen ist Kolumbien heute nach Israel und Ägypten der drittgrößte Empfänger amerikanischer Militärhilfe und unter den anwesenden US-Soldaten befinden sich kaum genug Spezialisten, um die kolumbianischen Sicherheitskräfte im Umgang mit den gelieferten Geräten, z.B. Hubschraubern, Waffensysteme oder Nachrichtentechnik, zu schulen. Die Hilfe von PMCs, deren Angestellte größtenteils ehemalige Angehörige von Eliteneinheiten oder Geheimdiensten sind, ist da mehr als willkommen.

Auch hier wurde im "Foreign Aid Law" Mitte 2002 eine Obergrenze von 400 festgelegt, die sich allerdings nur auf amerikanische Staatsbürger bezieht. Private Sicherheitsunternehmen sind deshalb dazu übergegangen, Angehörige anderer Nationalitäten anzustellen. Die US-Regierung hält sich bedeckt, wenn es darum geht, wie viele solcher Söldner tatsächlich in Kolumbien aktiv sind. Sicher ist, dass ihre Zahl nicht nur die festgelegte Obergrenze, sondern auch die Präsenz regulärer US-Militärangehöriger bei weitem übersteigt.

Kritik wird vor allem immer wieder in Bezug auf die kaum zu kontrollierenden Einsatzkompetenzen laut, die nicht zuletzt unter dem Einfluss der weltweiten Terrorbekämpfung immer undurchsichtiger zu werden drohen.3 Die Angestellten der Vertragspartner übernehmen nicht nur die Ausbildung kolumbianischer Einheiten im Antiguerillakampf, sondern begleiten diese auch auf Aufklärungsmissionen oder Kampfeinsätzen.

Juristisch unterstehen die Söldner, die von der kolumbianischen Wochenzeitung Semana als "Haufen gesetz- und gottloser Rambos" bezeichnet wurden, nicht der Militärgerichtsbarkeit und müssen sich auch nicht vor Kongressausschüssen verantworten. Eine strafrechtliche Verfolgung wegen der Teilnahme an Aktionen, die zum Tode von Zivilisten führen, wie z.B. die Flächenbombardements mehrerer von Guerillas kontrollierten Dörfern aus dem Jahr 2001, ist praktisch kaum möglich. Im gleichen Jahr geriet mit Aviation Development Corporation aus Alabama ein weiterer Militärdienstleister in den Fokus der Aufmerksamkeit. Die Firma führte in Zusammenarbeit mit dem kolumbianischen Militär das umstrittene "air bridge denial program" durch, das die Piloten autorisierte, Flugzeuge, die des Drogenschmuggels verdächtigt werden, notfalls mit Gewalt zur Landung zu zwingen. Nach dem Abschuss des Flugzeugs einer amerikanischen Missionarin und ihrer Tochter über Peru wurde das als "shootdown policy" bekannt gewordene Programm zeitweise eingestellt. Die ursprünglich vom CIA geleiteten Einsätze obliegen mittlerweile der Kontrolle des State Department.

Drogenbekämpfung oder "Mission Creep"?

Trotz der bedenklichen Vorfälle dringen insgesamt nur wenige Informationen über die Dienste und die Aktivitäten der PMCs in Kolumbien nach Außen. Die außenpolitische Strategie der USA ist hauptsächlich auf die Bedrohungen im Irak, Afghanistan oder Nordkorea fixiert. Die Öffentlichkeit ist nur mäßig an den Problemen Kolumbiens interessiert, und auch auf der Medien-Agenda besitzt der Andenstaat keine sehr hohe Priorität.

Menschenrechtsorganisation beschuldigen die PMCs, die Konflikte nur unnötig anzuheizen und die USA unter Umgehung politisch-öffentlicher Kontrollinstanzen immer tiefer in den kolumbianischen Bürgerkrieg hineinzuziehen. Erinnerungen an das wenig ruhmreiche amerikanische Engagement in El Salvador, Nicaragua oder Vietnam werden wach. Ein Teil der Sprühflüge gegen Koka-Plantagen in den kolumbianischen Dschungelgebieten wird von Eagle Aviation Services and Technology Inc., einer Tochtergesellschaft von DynCorp, durchgeführt - der gleichen Firma, die im Iran-Contra-Skandal während der 80er-Jahre heimlich Waffen an die nicaraguanischen Rebellen lieferte.

Für Kolumbien gilt ebenso wie für den Irak: der moderne Krieg wird längst nicht mehr nur von den reguläre Streitkräfte geführt. Die Rentabilität der "Outsourcing"-Strategie der US-Regierung ist zuletzt wiederholt von Untersuchungen in Frage gestellt worden. Offizielle weisen aber darauf hin, dass das Militär viele der von Privatunternehmen übernommen Aufgaben gar nicht leisten könnte. Dass dazu auch heikle und gefährliche Einsätze gehören, die den regulären Truppen verboten sind, für die Regierung auch bei Fehlschlägen aber keine Verantwortung übernehmen muss, wird dabei nur allzu gern unter den Tisch fallen gelassen.

Die Administration ist ebenso wie die PMCs daran interessiert, dass das so bleibt. Die Söldner selbst wissen sehr wohl, welche Risiken sie eingehen, lassen sich ihre Diskretion aber auch teilweise mit dem dreifachen Tageslohnes eines normalen Soldaten vergüten. Mindestens fünf Mitarbeiter privater Sicherheitsunternehmen sind 2003 in Kolumbien bei Einsätzen ums Leben gekommen, im Irak wird die Zahl auf etwa 50 geschätzt. Nachzuprüfen sind diese Zahlen kaum. Die Toten finden sich ebenso wenig in den Verluststatistiken der amerikanischen Armee wie die entführten Marc Gonsalves, Keith Stansell und Thomas Howe. Sie alle sind Opfer von Konflikten, an dem sie offiziell gar nicht teilnehmen. Den Rebellen - Iraker, Afghanen oder Kolumbianer - ist das egal. Ihre Sache kennt keine Unterschiede.