Ein Netz voller Charity
Hier klicken, spenden und Menschenleben retten!
Weihnachten - das Fest des Schmausens und des Schenkens. Doch beim Entsorgen des Geschenkpapiers zwickt manch einen Vollgegessenen das schlechte Gewissen. Der traditionelle Wohlstandsbürger wirft sein Scherflein deswegen während der Mette in den Klingelbeutel, um das Elend in der Welt zu bekämpfen und sich selbst zu beruhigen. Der vernetzte Mensch erledigt das Spenden dagegen immer öfter online von Zuhause aus - mit ein paar Mausklicks. Einfacher geht's kaum noch: Abgebucht wird von der Kreditkarte oder per Lastschrift vom Konto, die Spendenquittung fürs Finanzamt wird per Post zugesandt.
Den Möglichkeiten, sich im Internet großzügig zu erweisen, sind kaum Grenzen gesetzt: Wer noch Anfänger ist beim Gutes tun, kann über www.spenden.de ins soziale Netz einsteigen. Dort finden sich unter anderem Links zur Website des Deutschen Roten Kreuzes, zum Albert-Schweitzer-Verband oder zum CCF Kinderhilfswerk. "Ich möchte spenden", leuchtet dem Gebewilligen dort im Idealfall gleich neben dem Bild einer Münze entgegen.
Noch entschiedener geht es bei Amnesty International zur Sache: "Ja, ich will spenden!", ist bei der Menschenrechtsorganisation das entsprechende Webformular gekennzeichnet. Geübtere können von www.spenden.de aus gleich zum ausführlichen Verzeichnis der Online-Spendenmöglichkeiten des Deutschen Spendeninstituts Krefeld durchstarten, wo die Auswahl zwischen 156 gemeinnützigen Organisationen etwas schwerer fällt: Von der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste bis zum Verein der Zoofreunde Krefeld reicht das Angebot der Geldempfänger. Kreditkartendaten werden verschlüsselt übertragen, damit die Spende auch tatsächlich nur den Begünstigten erreicht.
Genaue Zahlen, wie viel die Sites an Spenden akquirieren, gibt es für Deutschland noch nicht, wo die meisten "Charity-Angebote" erst im Laufe des Jahres eingerichtet wurden. Die Site des amerikanischen Roten Kreuzes ist dagegen schon seit Mitte 1997 online. 22.000 freizügige Surfer spendeten im Geschäftsjahr 1999 stolze 2,5 Millionen Dollar. "Es war phänomenal", freut sich Robert Guldi, der für "Kreativdienstleistungen" bei der Hilfsorganisation zuständig ist. Doch in Zukunft könnte sich der Geldregen aus dem Internet noch vervielfachen: Der Washingtoner Freiwilligeneinrichtung "Independent Sector" zu Folge haben von den 70 Prozent der spendenwilligen Haushalte in den USA erst 1 Prozent die bequemen Möglichkeiten des Internet genutzt. Sara Melendez, die Präsidentin der Organisation, ist sich daher sicher: "Das wird noch richtig abheben, so wie alles andere, was vom Internet erfasst wurde."
Auf den Boom des Spenden-Netzwerks baut auch die AOL-Stiftung. Im Oktober hat sie deswegen das Angebot Helping.org ins Web gestellt, wo man für über 620.000 vom Finanzamt anerkannte Organisationen spenden kann. "Viele von uns haben gute Absichten", weiß die Sprecherin der Stiftung, Kathy McKiernan. Aber damit sei es nicht getan. Die Site werde das Geben nun hoffentlich so einfach wie möglich machen. "Gerade rund um die Feiertage, nach all dem Stress, ist das sicher ein nützliches Werkzeug", glaubt McKiernan. Viele der Hilfsorganisationen wollen neben der Spendenerleichterung im Web außerdem junge Zielgruppen erreichen, die bisher wenig oder überhaupt nichts aus ihren Sparschweinen für gute Zwecke abgezweigt haben.
Online-Spendenaktionen gehören in jedes Marketingportfolio
Gleichzeitig mit den Nonprofit-Organisationen entdecken immer mehr E-Commerce-Angebote, dass Spenden im Netz sexy ist. Vor allem Auktions-Sites wollen den guten Zweck mit dem sublimen Marketing verbinden. Ebay.com war eine der ersten Auktionsplattformen, wo einzelne Gegenstände zu Gunsten von Einrichtungen wie der "For All Kids Foundation" versteigert wurden. Die Konkurrenz ist inzwischen nachgezogen: Offerto aus Regensburg etwa hat jüngst einen "Charity-Channel" gestartet, auf dem jeder in den nächsten Monaten seinen Krempel versteigern kann. Das Geld fließt nicht an den Anbieter zurück, sondern direkt an die Karlheinz-Böhm-Stiftung "Menschen für Menschen". Ersteigerbare Prominentenartikel wie ein handsigniertes T-Shirt der Rolling Stones sollen die Surfer in den Spendenkanal locken.
Auch beim neu eröffneten "Aktionshaus" von Go-On, dem zentralen Webangebot des Axel Springer Verlags, geht nichts mehr ohne Benefizcharakter. Bei Bild online werden beispielsweise ein Helm von Mika Häkkinen und ein Kostüm von Verona Feldbusch zum Höchstgebot abgegeben. Der Erlös geht an "Ein Herz für Kinder" vom Verein "BILD hilft". Die monatliche Familienzeitschrift Familie&Co bietet auf ihrer Homepage vier Reisen für je vier Personen nach Italien, Fuerteventura, Mallorca und in die Türkei an. Der Erlös kommt der "Deutschen Kinder- und Jugendstiftung" zugute.
Auch die "neuen deutschen Internet-Startups" rufen zum Spenden auf, diesmal zu Gunsten der Erdbebenopfer im türkischen Marmara-Gebiet. Auf dem Netzwerk der selbst ernannten "Internet-Weihnachtsmänner", das von der Beauty-Community abea.de, über die Verbraucherzentrale amiro.de, dem Webride-Erfinder datango.de, dem Auktionshaus eBay.de bis zum Spielzeugversender myToys.de sowie der Familien-Community urbia.com reicht, wird der Surfer zum Spenden per Überweisung, ec- oder Kreditkarte aufgefordert. Für die Berliner Verbraucherplattform Dooyoo.de war anscheinend kein Platz mehr in der Vermarktungsgemeinschaft, weshalb die Macher eigene Impulse setzen wollen: Für jede bis zum Jahresende abgegebene Produktrezension spendet die Firma eine Mark auf das UNICEF-Konto.
Spenden oder spenden lassen
Nicht selber spenden zu müssen, sondern Sponsoren zum Geben zu veranlassen, lautet so die ultimative Devise im Charity-Taumel, in den sich das Web gerade in der Weihnachtszeit stürzt. Modell steht die bereits Kultstatus genießende Hungersite des amerikanischen Programmierers John Breen, die immerhin in einem guten halben Jahr rund 400.000 Dollar "eingeklickt" hat. Der "Spender" drückt dabei einmal täglich leicht auf den Knopf "Donate Free Food" - und schon wird der Hunger eines Menschen in den Elendsgebieten der Welt mit Hilfe des "United Nations World Food Program" durch eine Schale Reis oder Mais gestillt. Möglich macht die "Tele-Sättigung" eine Gruppe von Sponsoren, die sich eine Imagesteigerung von der Aktion erhoffen. Mit der Abmagerungspille im Bauch kann der Surfer danach befriedigt seine Börsenkurse checken - so schön kann Spenden im Netz sein.