Ein Tabubruch der besonderen Art: "Im letzten Sommer"

Seite 2: Ein Hauch von Verachtung und Sex

Es bietet sich an, gewisse Parallelen zwischen "Im letzten Sommer" und anderen Filmen der Regisseurin, vor allem "A ma soeur" von 2001, dem vielleicht bekanntesten Werk in Breillats Filmographie - zu ziehen.

In beiden Filmen geht es um junge Körper, die sich noch in der Entwicklung befinden und sich ihrer selbst nicht voll bewusst sind. Und in beiden Werken werden diese Körper von älteren Menschen gebraucht und benutzt, die aufgeklärt genug sind, um zu wissen, was sie tun.

In beiden Fällen blickt Breillat mit mindestens einem Hauch von Verachtung auf die "jungen Dinger", mit einem grundsätzlich erwachsenen Blick, der den Nichterwachsenen unausgesprochen mitteilt: "Du bist jung und schön, aber das wird schneller vergehen, als Du ahnst. Du wirst das Leben schon noch lernen."

Machismo, Schuld und Begehren

Es gibt einen grundsätzlichen Machismo in den Filmen von Catherine Breillat. Er stellt die verlogene, aber mehrheitsfähige romantisierende Sicht auf Schuld und Begehren infrage.

Genau durch derartige geschickte Inszenierungsentscheidungen gelingt es Breillat der Falle schlichter Verklärung ihrer Figuren zu entgehen. Mit anderen Worten: Es interessiert sie nicht, was hier "erlaubt" ist. Sie zeigt den Sex sinnlich und erotisch, aber andere Momente des Films überlagern diese schönen Gefühle.

Provokation als Kunstform

So sympathisch diese und andere Provokationen der "moral majority" braver Bürger sind, und ihren Verzicht auf auch nur vage Andeutungen moralischer Qualen und Qualitäten der Hauptfigur Anna, so ärgerlich ist, dass Breillat die Amour Fou allzu wörtlich nimmt, und ihre "starke Frau", die doch auch die bourgoise Kälte repräsentieren soll, tatsächlich als Liebes- oder Sexwahnsinnige durch einen Leidenschaftstaumel immer schwächer werden lässt. Sie ist allen Ernstes verrückt nach dem blonden Laffen!

Jenseits von jeder Bedeutung und Tiefe geht es hier um den Sieg des Fleisches über die Vernunft. So ist das Leben – sagt uns die Regisseurin.