Ein Tag, wegen dem Laschet nicht die Politik ändern will
Mehr als 100 Tote durch Hochwasserkatastrophe - und der Kanzlerkandidat der Unionsparteien lobt deren Klimapolitik
Das Ausmaß der Hochwasserkatastrophe nach den Starkregenfällen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen wird erst nach und nach bekannt: Mehr als 100 Tote wurden inzwischen gezählt, 43 in NRW und mindestens 60 in Rheinland-Pfalz, davon zwölf allein in einer Behinderteneinrichtung der Lebenshilfe in Sinzig, wo die Ahr in den Rhein mündet. Sie ertranken bereits in der Nacht zum Donnerstag, wurden aber erst einige Stunden später geborgen. Am Abend war zunächst von neun bestätigten Todesfällen in der Einrichtung die Rede, bis Freitagvormittag erhöhte sich deren Zahl auf zwölf.
Zwischenzeitlich waren bis zu 1.300 Personen als vermisst gemeldet worden, was aber zum Teil mit dem Ausfall von Mobilfunknetzen erklärt wurde. In Sinzig, Bad-Neuenahr, Remagen und Andernach wurden Anlaufstellen für Obdachlose in Schulgebäuden und Festhallen eingerichtet. Wieviele Menschen in der Region durch Überschwemmungen und Hauseinstürze obdachlos geworden sind, ist gegenwärtig nicht bekannt.
Rheinland-Pfalz richtet Spendenkonto ein
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sprach von einer "nationalen Katastrophe". Es mache sie aber "unglaublich stolz", wie das Land in dieser schwierigen Zeit zusammenstehe. Innenminister Roger Lewentz und Finanzministerin Doris Ahnen (beide SPD) sprachen von zahlreichen Anfragen, wie die betroffenen Menschen unterstützt werden könnten. Das Land habe dafür ein Spendenkonto eingerichtet.
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), derzeit auch Kanzlerkandidat der Unionsparteien, wurde bei seinen letzten öffentlichen Auftritten wohl oder übel mit der Klimapolitik der letzten Jahre konfrontiert, denn nach Einschätzung von Klimawissenschaftlern dürfte die menschengemachte Erderwärmung zu einer Häufung von Extremwetterbeilagen wie dieser führen.
Laschet ist sich keiner Fehler bewusst
"Entschuldigen Sie, junge Frau. Nur weil jetzt ein solcher Tag ist, ändert man nicht die Politik", sagte der CDU-Politiker im Gespräch mit der WDR-Moderatorin Susanne Wieseler in der Aktuellen Stunde. Der "Shitstorm", der sich daraufhin im Netz unter den Hashtags #JungeFrau und #Laschet über ihn ergoss, bezog sich teils auf die Anrede, teils auf den Inhalt. Laschet hatte in dem Interview verteidigt, dass der Kohleausstieg in Deutschland erst 2038 erfolgen soll, obwohl er sich abstrakt und unverbindlich auch für mehr Tempo beim Klimaschutz ausgesprochen hatte.
Am Donnerstagabend war Laschet der ZDF-Talkrunde von Maybrit Illner zugeschaltet und lobte die "schwarz-rote" Bundesregierung sowie das Wahlprogramm der Unionsparteien in den höchsten Tönen, weil es schließlich vorsehe, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral werde, aber auch Industrieland bleibe.
Dem Ernst der Lage angemessen wäre nach Meinung der Scientists for Future, die sich als Wissenschaftler für effektiven Klimaschutz einsetzen, das Jahr 2035 als Zielmarke. Das hat jedoch von allen bisher im Bundestag vertretenen Parteien nur Die Linke in ihr Wahlprogramm geschrieben.
"Die große Koalition hat so viel geleistet im Senken von CO2 wie keine Bundesregierung seit vielen, vielen Jahren", sagte Laschet bei Maybrit Illner. Da platzte einem anderen Talkgast - dem Arzt, Moderator und Klimaschützer Eckhart von Hirschhausen, der Kragen: "Diese Arroganz der Politiker - immer noch so tun, ja, ja, wir machen ja so viel -, das ist einfach Bullshit, das muss man so deutlich sagen." Der Ausbau im Bereich der Erneuerbaren Energien müsse sehr viel schneller vonstattengehen als bisher, betonten in der Runde sowohl Hirschhausen als auch die Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Kemfert.