Ein abgesägter Zylinder

An antiker Städte steht jetzt in Alexandria der Nachfolger der historischen Bibliothek

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Cäsar wars. Als er 48 v. Chr. im Hafen von Alexandria ein Feuer legte, um zusammen mit Kleopatra der Palastrevolte zu entkommen, wurde auch die nahegelegene Bibliothek ein Opfer der Flammen. Die Hälfte der in ihr gelagerten 500.000 Papyrusrollen verbrannte und damit ein Großteil des Wissens der damaligen Zeit, dessen sich nicht nur Gelehrte wie Archimedes und Euklid für ihre Forschung bedienten. Den Rest erhielt die Bibliothek der Ptolemäer im 4. Jahrhundert n.Chr., als sich Christen und Heiden ihre Kämpfe lieferten. Heute nun, rund 1.750 Jahre später, eröffnete Staatspräsident Hosni Mubarak zusammen mit 3.000 geladenen Gästen aus Politik und Wissenschaft aus aller Welt den Neubau der weltbekannten Bibliothek. Die Bibliotheca Alexandrina, wie sie jetzt heißt, steht ab Sonntag dann auch der Öffentlichkeit wieder zur Verfügung.

Über zwölf Jahre baute man an dem 220 Millionen US-Dollar teuren Gebäude, das wie ein abgesägter und im Boden versenkter gläserner Zylinder im Hafen von Alexandria liegt, wo einst die antike Bibliothek in der Nähe von Universität und dem Palastviertel gelegen haben muss. Mit Bulldozern hatte man die historische Stätte vor dem Neubau geebnet und sich dabei den Zorn von Archäologen zugezogen, die noch wertvolle Funde darunter vermuteten.

Heute findet man auf 80.000 Quadratmetern nicht nur eine Bibliothek, sondern auch ein Planetarium und wissenschaftliche Einrichtungen. Weltoffenheit ist dabei der Kerngedanke. Alle 120 Alphabete, die es weltweit gibt, haben Steinmetze in den grauern Assuangranit eingemeißelt, als Hinweis, dass auch die neue Bibliothek dem Wissen aller Völker verpflichtet sei und wieder ein Zentrum des Lernens, wie es auch einst die antike Bibliothek war, entstehen soll.

Edle Materialien und modernste Technik sollen dabei das entsprechende Ambiente liefern, um die bislang 400.000 Bücher in Ruhe studieren zu können. Später sollen auf sieben Stockwerken vier Millionen Bücher in den Regalen stehen. Im Gegensatz zu früher müssen jedoch Wissenschaftler und Interessierte nicht mehr eine weite und kostspielige Anreise in Kauf nehmen. Mehr als 300.000 Bücher und rare Manuskripte stehen bereits jetzt neben Fernsehaufnahmen und Filmen im Internet zum Abruf bereit. 10 Milliarden Websites habe man schon gespeichert, denn man arbeitet zusammen mit dem Internet Archive. Stolz spricht man davon, dass bereits 100 Terabytes hier zur Verfügung stehen. Selbst ein neuer Brand könnte zumindest diese Werke im weltweiten Netz nicht mehr zerstören - wenn die Server gesichert sind.