Ein poetischer Revolutionär aus Mexico

Subcommandante Marcos, ein Intellektueller einer anderen Revolution

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Die Botschaften aus dem Lakandanischen Urwald des Subcommandante Marcos sind auch Botschaften einer anderen Revolution, die mehr auf die Worte als auf den Kampf, mehr auf das Leben als auf eine Ideologie, mehr auf wirkliche Demokratie als auf Programme setzt. Sie verschmilzt Poesie und Politik, Ironie und Spiel mit der Forderung nach einem freieren und besseren Welt.

Subcommandante Marcos

Als das Freihandelsabkommen zwischen den USA, Kanada und Mexico (NAFTA) am Beginn des Jahres 1994 inkrafttrat, kam es zu den ersten großen Aktionen des Ejercito Zapatista de Liberacion Nacional (EZLN) in Chiapas, Mexiko, und zur ersten Erklärung aus dem Lakedonischen Urwald. Die Bewegung gab es schon länger, auch Manifeste in einer nie gehörten Sprache, die das Elend der Indios und die Unterdrückung beschrieben. Es geht um "Demokratie! Freiheit! Gerechtigkeit", um ein menschenwürdiges Leben, um Befreiung von der Diskriminierung und von einer neoliberalistischen Politik, von der man noch Schlimmeres erwartet.

Erstes Kapitel, welches erzählt, wie das indianische Elend in Chiapas die oberste Regierung rührte und diese in ihrer Güte die Gegend mit Hotels, Gefängnissen, Kasernen und einem Militärflughafen versah; auch wird erzählt, wie die Bestie sich vom Blut dieses Volkes ernährt, nebst anderen höchst unglückseligen und bedauerlichen Ereignissen.

Marcos

Viel hört man gegenwärtig nicht mehr vom Aufstand der Indios in Chiapas. Sie haben sich eine Zeitlang unter Anteilnahme der Weltöffentlichkeit gegen die Diskriminierung der politischen und ökonomischen Macht in Mexiko Aufmerksamkeit verschafft und Verhandlungen erzwungen. Mit großem Einsatz ging das Militär gegen sie vor. Es gab Tote, Verhandlungen begannen, die, wie so oft, im Sande verliefen, aber schließlich 1996 doch zu einem Teilabkommen führten. Doch der Kampf geht auf beiden Seiten weiter.

Und dann sagten sie 'Globalisierung', und da wußten wir Bescheid, denn so nannten sie diese absurde Ordnung, in der das Geld die einzige Heimat ist, der die Leute dienen und in der die Grenzen nicht etwa aus Brüderlichkeit aufgehoben werden, sondern durch den Aderlaß, der die Mächtigen mästet.

Marcos

Verwundert nahm man aus der Entfernung zur Kenntnis, daß der Aufstand von einem ungewöhnlichen Mann, einem Intellektuellen, angeführt wurde, dessen Identität bis heute noch nicht bekannt ist, der aber durch seine Botschaften auffiel, die ganz aus dem Rahmen der üblichen revolutionären Rhetorik herausfallen. Man nennt ihn den Shakespeare des Lakedonischen Urwalds. Seine Texte fanden Aufmerksamkeit, sprachen die Menschen an, erzeugten Sympathie. Sie wurden in Zeitungen veröffentlicht und schließlich in Sammelbänden.

Der Stil des Sup - konzeptionelle Undeutlichkeit, schwer zu verstehende Ideen, die noch schwerer zu verdauen sind.

Marcos

Natürlich waren es nicht nur die Worte des vermummten und mit Waffen behängten Mannes, die die Solidarität auf sich zogen und zu großen Demostrationen in Mexiko führten. Aber sie atmeten den Geist dieser Revolte, die sich nicht in ideologischen Sackgassen und Überlebenskämpfe wie andere Guerilleros verwickeln wollte. Schnell war man zu einem Dialog bereit, setzte nicht auf ein chimärenhaftes Proletariat, sondern auf eine freie Gesellschaft, unterstützte man Wahlen und suchte demokratisch zu verfahren, glaubte man mehr auf die Kraft der Worte als auf die der Waffen.

Brüder und Schwestern. Es schreibt Euch Don Durito de La Lacandona, fahrender Ritter, Weltverbesserer, uruhiger Traum des weiblichen Geschlechts, Streben des männlichen, letztes und größtes Exemplar jener Rasse, die die Größe der Menschheit mit solch gewaltigen und uneigennützigen Helentaten erhöhte, Käfer und Mondkrieger.

Marcos

Zwar haben schon immer Literaten am politischen Kampf in Süd- und Mittelamerika teilgenommen oder mit Revolten sympathisiert, aber mit dem Subcomandante Insurgente Marcos:www.peak.org/~justin/ezln/MARCOS.html, dem inoffiziellen Sprecher des Geheimen Revolutionären Indigenen Komitees, Schildknappen des Käfers Don Durito und Generalkommandeurs des Ejercito Zapatista de Liberacion Nacional, steht ein Dichter an vorderster Front, der trotz allen Ernstes mit der Sprache spielt und mit Ironie und Witz die Anliegen der Indios vorträgt.

Jetzt sind Texte, Briefe und Erklärungen von Marcos auch auf deutsch in einem Band erschienen. Es geht nicht darum, einen aus den Zapatisten herauszugreifen und auf das Podest zu stellen, schließlich wurden, wie Marcos zumindest kundtut, die Kommuniqués unter Mithilfe und Billigung seiner Mitstreiter verfaßt, während die Briefe von ihm stammen und unterschrieben wurden. Aber schließlich ist es auch egal, wer schreibt. Immer spürt man eine menschliche, manchmal verzweifelte und anklagende, jedoch stets aufrechte, gelassene, ohne die üblichen martialischen Wortblasen von politischen Kommuniqués und Manifesten auskommende Stimme, die auch im Kampf und trotz aller Niederlagen weder die Hoffnung noch die Lust aufgeben will.

Marcos glaubt an die Kraft des Wortes: "Die ältesten Vorfahren erzählen, daß sie als Geschenk das Wort und das Schweigen erhielten, um sich zu erkennen zu geben und das Herz eines anderen zu berühren." Doch Redefreiheit ist, wie Marcos weiß, nicht alles, sondern nur eine Bedingung für eine wirkliche Demokratie, die nicht aus dem überall propagierten Neoliberalimus der virtuellen Klasse erwachsen kann, dessen Ergebnis nur die weitere Verelendung der Dritten Welt und die Schaffung von neuen Zonen der Dritten Welt in den entwickelten Ländern ist.

In the narrow terms of traditional military conflict, the Zapatista uprising has been confined to a limited zone in Chiapas. However, through their ability to extend their political reach via modern computer networks the Zapatistas have woven a new electronic fabric of struggle to carry their revolution throughout Mexico and around the world.

Harry Cleaver

Marcos ist Repräsentant einer anderen, noch unbekannten Revolution, vielleicht einer romantischen, die jetzt erst zu ihren Worten findet. Wer sein Buch liest, wird sich von ihr anstecken lassen. Aber die Zapatistas haben natürlich auch ihre eigene Homepage:www.peak.org/~justin/ezln/, auf der man Texte von Marcos und viele Informationen findet. Über die Mediennutzung der Zapatistas siehe den Text von Harry Cleaver The Zapatistas and the Electronic Fabric of Struggle.

Subcommandante Insurgente Marcos: Botschaften aus dem Lakandonischen Urwald. Über den zapatistischen Aufstand in Mexiko. Edition Nautilus 1996. 252 Seiten. DM 29,80