Eine Dekade des politischen Scheiterns
Seite 3: Kriege als Konfliktform
Niklas Luhmann hielt wohl voreilig den Krieg als Konfliktform für obsolet. Systemlogiken mögen hier zu unkritisch von zweckrational getakteten Organisationen ausgehen, die im Furor einer aktionistischen Präsidialspitze offensichtlich leer laufen.
Die Kriege im Zeichen von Weltbefreiung und Kreuzzugsmoral haben allerdings ihre klassische Form verloren. Bush verkündete nach den heißen Kampfhandlungen für den Irak nicht anders wie zuvor für den Afghanistan den Sieg, was in der Logik klassischer Kriege vor allem Öffentlichkeiten beruhigen soll.
Asymmetrische Kriege ohne nationale Konturierung auf der einen Seite sind dagegen infinite Kriege, wenn nicht jenseits des Konflikts politische, ökonomische wie Lösungen gefunden werden. Ob solche Kriege nach Carl von Clausewitz als "Degenerationsformen" (Ulrike Kleemeier) des Krieges angesehen werden oder als Fortsetzung des klassischen Krieges mit avancierten Mitteln ist allenfalls eine dogmatische Frage.
Mit anderen Worten: Kriege mit diffusen Frontverläufen zwischen Schlachtfeld und Zivilgesellschaft kann man nicht länger durch Kampf, also die Erschöpfung des Gegners, gewinnen. Dem zumeist unsichtbaren Gegner kann nicht, wie es von Clausewitz in seiner klassischen Definition vorsieht, der Wille aufgezwungen werden und der Krieg so schnell wie möglich absolviert werden. Der Irakkrieg fand in dem "Sieg" vom 1. Mai 2003 keine Zäsur, sondern die Konfliktfelder brannten weiter, ohne dass sich eine Zivilgesellschaft etablieren konnte, die diesen Namen verdient hätte (Der Krieg gegen den Terrorismus geht weiter).
Die von den Siegern geschaffene neue Unordnung mutierte umstandslos zum idealen Kampfszenario, in dem nun der Attentäter zum gefährlichsten Spielverderber einer eindeutigen Kategorisierung von Krieg und Frieden wurde. Das hätte man vorher wissen können: Auch in Afghanistan folgte auf den schnellen Sieg Ende 2001 die Kapitulation vor den Verhältnissen. Die Taliban bzw. Neo-Taliban waren, um es in der Paradoxie der neuen Kriegslogik zu sagen, von ihrer Niederlage so unbeeindruckt wie alle Kombattanten, die ihre Strategie auf Low-Intensity-Konflikte einrichten.
Seit "Nine/Eleven", um die politische Duftmarke mit dem vorgeblichen Schicksalsereignis zu verkoppeln, sollen die USA laut National Priorities Project 1,4 Billionen Dollar für ihre Kriegsabenteuer ausgegeben haben (Kostenticker auf costofwar.com). Andere reden von zwei bis sechs Billionen Dollar.
Zahlen allein enthüllen bei solchen unabschließbaren Projekten die Komplexität der Veranstaltung aber kaum. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz und die Harvard-Professorin Linda Bilmes wollten die "wahren Kosten des Krieges" ermitteln (Originaltitel: The Three Trillion Dollar War). Entscheidend seien die horrenden Kriegsfolgekosten, die sich - wie übrigens im Zweiten Weltkrieg nicht anders - erst Jahrzehnte später auswirken (Eine Viertelmillion Tote, mindestens 4 Billionen US-Dollar an Kriegskosten). Die immensen Ausgaben schaffen nach Stiglitz und Bilmes gegenwärtig aber schon das hohe Risiko, Haushaltsüberschüsse und sonstige finanzielle Spielräume auf Schwundstufen herunterzufahren, um dann kommenden Wirtschaftskrisen hilflos ausgeliefert zu sein. Insofern holt der kostspielige Hightech-Krieg die Gesellschaft der Sieger ein.