Eine Kiste DAB zum Tragen - und das absolut rauschfrei
Digital Radio mit drahtloser MP2-Übertragung existiert seit 1995. Inzwischen gibt es auch attraktive Hardware
Webradio leidet an wegen geringer Bitraten meist mäßigen Klang und häufigem Buffering bis zum Abreißen der Übertragung. Auch lässt es sich nicht ins Auto oder ins Freibad mitnehmen. Der gewöhnliche UKW-Dudelfunk (Stoppt den Dudel!) ist wiederum eher was zum Abgewöhnen. Und überhaupt, analog ist doch out? Kein Problem, Radio gibt es auch digital!
Webradio ist gut für selten gehörte Nischenprogramme, doch bei stark gefragten Webstreams wird es zur Plage für Zuhörer ebenso wie Macher: Da ein Stream pro Hörer erforderlich ist, steigt der Traffic enorm an. Die Folge sind Aussetzer, notwendige Restarts und geringe Tonqualität: Statt eines 128k-Streams vier Zuhörer mit 28k. Und damit wieder schlechter Klang. Mobil Zuhören kann man ganz vergessen - ein Problem, das auch Kabel- und Satellitenempfang haben.
CDs und MP3s zu hören ist die Alternative. Doch da muss man sich wiederum selbst darum kümmern, aktuell zu bleiben und ab und zu neue Stücke ins System zu füttern. Das klassische FM-Radio nervt dagegen durch 0815-Programme, die auf Massengeschmack ausgelegt sind: Hat man endlich mal einen guten Sender gefunden, dann rauscht es beim Empfang.
Radio Digital? Gibt es längst!
Seit 1995 gibt es jedoch in Bayern bereits das Digitalradio DAB (Digital Audio Broadcast). Dieses Jahr wird es als letztes auch endlich in den vom norddeutschen Rundfunk bestimmten Regionen Hamburg und Schleswig-Holstein ausgestrahlt. In England ist DAB sehr erfolgreich und führte zum Erfolg ganz neuer Radiostationen wie des Techno-Senders "Ministry of Sound". In Deutschland wurde die Technik dagegen zu früh eingeführt - es gab anfangs nur Autoradios in der neuen Technik, doch nichts für zuhause und nichts Tragbares. Da die Sender so ihre wenigen Hörer mit Handschlag begrüßen konnten, stiegen viele Stationen wieder aus. Weitere Verwirrung schaffte, in Deutschland das System statt "DAB" nur noch "Digitalradio" zu nennen, worunter die meisten Händler aber ein ganz gewöhnliches UKW-Radio mit digitaler Frequenzanzeige verstehen. Ursache war mal wieder ein Markenrechtsproblem: "DAB" für Radio hatte sich einst - nein, nicht die Deutsche Aktien-Brauerei, sondern Philips eintragen lassen.
Jetzt sind aber Empfänger in allen möglichen Varianten zu zwar noch gehobenen, doch im Vergleich zu anderen neuen Techniken durchaus akzeptablen Preisen am Markt, die neben DAB auch noch andere Leckereien bieten. So beispielsweise das Blaupunkt-Autoradio "Woodstock", das auch MP3-CD-ROMs abspielt und beim neuen Modell DAB 53 auch vom DAB-Radio direkt auf Flash-Karten mitschneiden kann: Gefällt ein Musikstück, reicht ein Knopfdruck und es ist im Kasten - auch während der Fahrt. DAB benutzt dabei zur Übertragung MPEG 1 Level 2, kurz "MP2", den direkten Vorläufer von MP3, der auf den üblichen MP3-Playern ebenso abgespielt wird. Man muss also nicht mehr mit Kassetten oder Soundkarten hantieren, es kann direkt digital mitgeschnitten werden. Einige Geräte können dabei auch von MP2 auf MP3 hochkodieren, was Speicherplatz spart, aber Lizenzgebühren kostet.
Mitschneiden direkt auf Festplatte oder Flash
Die "DR Box 1" von Terratec ist gerade so groß wie zwei Zigarettenschachteln, enthält aber einen vollwertigen DAB-Empfänger und findet so in jeder HiFi-Anlage noch Platz. Wer sie neben den Computer stellt, kann das Gerät über eine USB-Schnittstelle nicht nur bedienen, sondern auch direkt und zeitgesteuert auf Festplatte mitschneiden. Dabei kann sogar ein Programm gehört und gleichzeitig ein anderes aufgenommen werden. Wer ein Gerät in üblichen Verstärker-Maßen und mit Fernbedienung will, kann dagegen das Modell DR 1000 von Terratec nehmen oder auch DAB-Tuner etlicher gängiger Hifi-Marken.
Doch es gibt auch klassische "Kofferradios" für DAB, beispielsweise die klanglich berühmten Evoke-Holzmodelle im Retrodesign. Und schließlich gibt es auch tragbare Taschenradios, beispielsweise die Modelle von Perstel, die man wie den MP3-Stick mitnehmen kann. Auch hier gibt es bereits Modelle, die direkt auf Flash-Speicher aufzeichnen können. Die größte Auswahl an Geräten findet man dabei nicht im normalen Rundfunkhandel oder Elektronik-Discounter, sondern online. Man sollte nur aufpassen, dass man ein Gerät erwirbt, das "Band III" und "L-Band" empfängt - bei Geräten ohne L-Band, die für den englischen Markt bestimmt sind, kann nur das landesweite Sendernetz empfangen werden und keine lokalen Stadtprogramme.
Die Programme sind entscheidend
Der rauschfreie Klang alleine ist allerdings zugegeben völlig uninteressant, wenn auf DAB dieselben drögen Programme laufen wie im normalen Rundfunk. Doch gerade, weil DAB die letzten Jahre ziemlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, haben sich hier einige interessante Nischenprogramme niedergelassen, wie die seit 1995 sendende "Rockantenne" als zweites Programm von Antenne Bayern, "Rockland" oder der "Clubsender" Nova Radio in München und Berlin, der auch selbst Perstel-DAB-Taschenradios anbietet. Ja selbst die öffentlich-rechtlichen Sender werden hier flexibler: Neben eher fraglichen Innovationen wie "WDR 2 Klassik", bei dem ein übliches Magazinprogramm, bei dem Musik die Wortbeiträge stört bzw. umgekehrt, statt mit der Popmusik des Originals mit Klassik zwischen den Wortbeiträgen unterlegt wird, gibt es auch eigenständige werbefreie Programme wie "Das Modul" oder "BR mobil" des bayrischen Rundfunks - ersteres ein alle 2 Stunden die Musikrichtung wechselndes Jugendprogramm, letzteres softer Pop für die ältere Generation.
Ob die lokal empfangbaren Programme das Zuhören lohnen und den eigenen Geschmack treffen, sollte natürlich vor der Anschaffung eines DAB-Empfängers geklärt werden. Auch wird immer wieder diskutiert, ob sich das System etabliert oder etwas technisch noch Moderneres wie Radio im 5-Kanal-Sound kommt. Das sollte allerdings die nächsten Jahre noch nicht passieren und schon 1995 wurden nur zwei Jahre DAB versprochen und es sind mittlerweile zehn geworden. Es ist also nicht zu befürchten, dass ein DAB-Gerät morgen schon Elektronikschrott ist und sollte das System sich in Deutschland doch nicht dauerhaft durchsetzen, kann man sein Gerät ja immer noch nach England verkaufen.