Eine angeschlagene Kanzlerin als Symbol für eine angeschlagene Wirtschaft

Merkel beim Empfang in China. Foto: Chinesischer Staatsrat

Angela Merkel besucht drei Tage lang China

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel ist gestern zu einem dreitägigen Staatsbesuch in der chinesischen Hauptstadt Peking eingetroffen. Beim dortigen Empfang mit militärischen Ehren hatte sie (anders als bei mehreren Zeremonien in der jüngeren Vergangenheit) keinen Zitteranfall, blieb aber sitzen, während ihr Empfänger Li Keqiang zur chinesischen Nationalhymne aufstand.

Dass die deutsche Kanzlerin gleich zu Anfang einen angeschlagenen Eindruckt machte, wirkte wie eine Symbol für die deutsche Wirtschaft, deren Interessen sie in Peking vertreten soll. Auch sie ist angeschlagen. Sogar schwer, wie die gestern bekannt gewordenen Zahlen zu den Auftragseingängen im Juli zeigen. Die Aufträge gingen mit 5,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr nämlich sogar noch stärker zurück, als die ohnehin schon pessimistischen Analysten erwartet hatten.

Ursachensuche im Ausland

Das Bundeswirtschaftsministerium, das vom engen Angela-Merkel-Vertrauten Peter Altmaier geführt wird, nannte den Handelskonflikt zwischen den USA und China als Ursache für den Rückgang und dafür, dass zunächst "keine grundlegende Besserung der Industriekonjunktur" zu erwarten sei. Dazu passend äußerte Merkel in China die Hoffnung, dass dieser chinesisch-amerikanische Handelskonflikt bald beigelegt wird, weil er sich "auch auf andere Staaten" auswirke.

Tendenziell tut er das tatsächlich, da er in China zu einer Verlangsamung des Wachstums von 6,9 auf 6,6 geführt hat, weshalb dort potenziell weniger investiert, konsumiert und importiert wird. Aber die deutsche Wirtschaftsmisere alleine erklären kann der Handelskonflikt nicht (vgl. Wie sehr wirkt sich der amerikanisch-chinesische Handelskonflikt auf Drittstaaten aus?). Auftrags-, Produktions-, Wirtschafts- und Handelswachstum hängen nämlich von vielen Faktoren ab, die sich nicht nur von Land zu Land, sondern auch von Region zu Region und von Stadt zu Stadt unterscheiden.

Auch deshalb erwartet man in Deutschland praktisch kein, aber in Polen 3,7 und in Tschechien 2,6 Prozent Wirtschaftswachstum. Faktoren, die sich in Deutschland negativ auswirken und Investoren vom Investieren abhalten dürften, sind zum Beispiel Debatten über mehr Regulierung und neue Steuern. In den USA hat man dagegen 2017 die Steuern kräftig gesenkt (vgl. USA: Kongresskammern einigen sich auf Steuerreform). Das trug dazu bei, dass die Rate weltweiter ausländischer Direktinvestitionen im letzten Jahr um 13 Prozent sank, weil viele US-Unternehmen ihre Gewinne jetzt lieber in ihrer Heimat investieren. Und dazu, dass die amerikanische Wirtschaft 2018 um 2,9 Prozent wuchs.

Auch Analysten wie Carsten Brzeski, der Chefökonom der ING-Bank, wiesen gestern darauf hin, dass der aktuelle Abwärtstrend bei den Auftragseingängen in Deutschland "nicht nur durch eine schwächere Auslandsnachfrage aufgrund von Handelskonflikten und erhöhter Unsicherheit getrieben" ist: "Seit Jahresbeginn", Brzeski, "sind die Inlandsaufträge sogar stärker gesunken als die Auslandsaufträge".

In Hongkong sollen "alle Parteien, den Konflikt im Dialog und gewaltfrei lösen"

Ein anderes Thema, das Merkel in China ansprach, waren die anhaltenden Proteste in der ehemals von Großbritannien gepachteten Sonderwirtschaftszone Hongkong. Dort, so die Bundeskanzlerin, sollten "alle Parteien, den Konflikt im Dialog und gewaltfrei lösen, auf Basis der Gesetze und Freiheiten, die für Hongkong und für das Verhältnis zwischen China und dem Sonderverwaltungsgebiet gelten". "Anzeichen" dafür sieht sie in der Rücknahme des umstrittenen Auslieferungsabkommens durch die Hongkonger Regionalregierungschefin Carrie Lam.

Der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang antwortete bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Merkel auf Fragen nach einem militärischen Eingreifen mit der Formulierung, man könne darauf "vertrauen", dass China die Ordnung in Hongkong "im Rahmen der Gesetze" wiederherstellt.

Hongkong ist nur eine von vielen chinesischen Regionen, in denen mit unterschiedlichen Maßnahmen in Wirtschaft und Verwaltung experimentiert wird. Peking lässt so etwas explizit zu und beobachtet, welche Experimente besser funktionieren - und welche schlechter. Bestandteil des Experiments in Hongkong war, dass man versuchte, die Staatsaufgaben überwiegend durch Steuern auf Grundstücksgeschäfte zu finanzieren. Das setzte Anreize für eine ständige Verteuerung von Immobilien, die sich auch auf die Wohnungssituation auswirkte, welche als wichtiger Mitauslöser der Proteste gilt, aber in westlichen Medien kaum erwähnt wird.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier ein externer Inhalt geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.