Eine fingierte russische Cyber-Attacke und die Folgen

Seite 3: Der vierte Tag in westlichen Medien

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Auf einem Treffen der Staatschefs der führenden westlichen Staaten USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland wird Russland unkooperatives Verhalten vorgeworfen. In einer gemeinsamen Stellungnahme folgen die Staatsoberhäupter Geheimdiensterkenntnissen, wonach der Cyber-Angriff höchstwahrscheinlich von Putin persönlich in Auftrag gegeben wurde. Zugleich verständigen sie sich über einen Maßnahmenkatalog, der erst nach einer Information der restlichen westlichen Regierungen umgesetzt werden soll.

In der abendlichen Talkshow unter Leitung von Anne Will verlangt der Europa-Abgeordnete der CDU, Elmar Brok, Vergeltung in einem Umfang, wie er zuletzt in Nato-Kreisen thematisiert wurde. Auf die Frage von Harald Kujat, ob er ein militärisches Vorgehen meine, antwortet er, dass keine Option ausgeschlossen werden darf. Der ehemalige US-Botschafter John Kornblum wird deutlicher. Er hält einen fühlbaren militärischen Schlag für die einzig angemessene Antwort.

Der Verweis von Gabriele Krone-Schmalz auf ein Telefonat, das offenbar von Fancy Bear mitgeschnitten wurde, wird von Spiegel Online als "Propagandaakt einer Putin-Versteherin" bezeichnet. In dem Telefongespräch äußern litauische Spezialkräfte ihr Befremden zu der Interpretation der Ereignisse, den öffentlichen Reaktionen und dem erteilten Redeverbot. Sie sind erstaunt, weil auswärtige Cyber-Experten weder auf der Baustelle noch im Leitungszentrum gesichtet wurden. Bei einer 24-Stunden-Schicht wären diese kaum unbemerkt geblieben. Da der Leak von den Mainstream-Medien unisono verschwiegen wurde, können die übrigen Talkshow-Teilnehmer behaupten, nichts von solchen Enthüllungen zu wissen.

Der fünfte Tag in westlichen Medien

In den Morgenstunden schlagen 48 Tomahaks in die Anlagen des russischen Ölverladungshafens Primorsk ein. Weitere 22 kann die russische Luftabwehr abfangen. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko frohlockt: Die russische Ölexportkapazität sei zu einem erheblichen Teil zerstört worden, was die Deviseneinnahmen Russland in den nächsten Jahre deutlich vermindern würde. Uneingeschränkten Beifall erhält die Nato-Aktion auch durch die Regierungen Polens und der baltischen Staaten.

Die EU-Mitglieder sind vor Beginn der Attacke vom vortägigen Beschluss der führenden westlichen Staatschefs in Kenntnis gesetzt worden. Verhaltene Stellungnahmen gibt es aus Österreich, Kroatien und Griechenland. Dennoch wird allgemein Verständnis für den militärischen Schlag artikuliert, er wird als angemessen betrachtet. Die deutsche Kanzlerin äußert in einer gemeinsamen Botschaft mit dem französischen Präsidenten Macron an Putin die Hoffnung, dass Russland den Ernst der Lage begreifen und künftig auf weitere Cyber-Attacken verzichten möge.

Politische Beobachter Russlands sehen in der westlichen Militäraktion primär den Versuch, die russische Wirtschaft zu schädigen. Demselben Zweck dient die Stornierung des North Stream II-Projekts. Zwar gelang es nach russischen Angaben, 52 von 70 Raketen abzuschießen. Der Schaden sei dennoch enorm, da ein Schutz platzgreifender Zivilobjekte nur beschränkt möglich sei. Eine Antwort wird noch erwogen, sie würde aber unausweichlich sein und in gleichem Umfang erfolgen, was allein die politische Glaubwürdigkeit gebieten würde.

Nicht nur China verurteilt den westlichen Militärschlag, sondern auch eine Reihe neutraler Staaten wie Indien, Pakistan, Vietnam, Südafrika, Ägypten und sogar der Nato-Staat Türkei. Israel hat sich bislang mit Stellungnahmen zurückgehalten. Hier wird für den Nachmittag eine Großdemonstration der russisch-stämmigen Einwanderer erwartet. Kritische Stimmen sind ebenso aus politischen Kreisen des Westens zu vernehmen, wobei neben unzureichenden Belegen für einen russischen Cyber-Angriff die Unverhältnismäßigkeit des Mitteleinsatzes angeprangert wird. Die russische Seite wird zugleich aufgefordert, bei Gegenmaßnahmen Zurückhaltung zu üben, damit die Lage nicht eskaliert.