Eine fragwürdige Ehre: Das Regierungsverdienstkreuz
Seite 2: Ordenträger: Von Glaubenskämpfern zum Machtritual
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- Ordenträger: Von Glaubenskämpfern zum Machtritual
- Der "pathologische Umgang der Demokratie mit Krisen"
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Um die Orden und Ehrenzeichen rankt sich ein ganzer Forschungszweig, die sogenannte Ordenskunde, oder: Phaleristik. Der Name der Disziplin geht zurück auf ihren militärischen Ursprung: Belohnungen für kriegerische Erfolge bezeichneten die alten Griechen als "ta falara", die Römer als "phalera".
Diese "Auszeichnungen", so die wörtliche Übersetzung, waren meist kleine, etwa handgroße Plaketten bzw. Schildchen in Kreis- oder Halbmondform, die dem Träger hohes Ansehen und Privilegien verliehen.
Im Hochmittelalter etabliert sich die militärische Ordenskultur (v. lat. "ordo": Ordnung, Regel, Rang, Stand) als Kennzeichen einer engen, hierarchisch organisierten Gemeinschaft von Glaubenskämpfern. Aus den ersten Kreuzzügen und der Belagerung Jerusalems gehen 1099 der "Orden vom Hospital des Heiligen Johannes zu Jerusalem" – auch bekannt als Johanniterorden (engl. Knights Hospitaller) – hervor, sowie später auch die legendäre "Arme Ritterschaft Christi und des salomonischen Tempels zu Jerusalem", der Templerorden.
Nach dem Vorbild dieser geistlichen Ritterorden, die ihre Mitglieder als Kämpfer für die christliche Mission auszeichneten, entwickeln sich ab dem 13. Jahrhundert die weltlichen Ritterorden. In deren Zentrum stehen die Landesherren, die ihren Kriegern ihre Gunst erweisen und sich zugleich deren Treue versichern.
In den absolutistischen Staaten des 17. und 18. Jahrhunderts werden die erworbenen Insignien als "Haus- und Hoforden" zum Kennzeichen von politischem Einflussreichtum und einer besonderen Stellung gegenüber dem Souverän.
Wer einen Orden trägt, ist Teil eines elitären Kreises und meist "von Familie". Der Orden wird so zur reinen Insignie von Macht. Daneben etabliert sich die Praxis, besonders tüchtige Höflinge mit sogenannten Verdienstorden zu ehren, die meist mit neuen Ämtern und einem Aufstieg in der sozialen Rangfolge verbunden sind.
Hausorden wie der berühmte preußische "Pour le Mérite" ("für das Verdienst"), schreibt der kanadische Historiker Colin Gilmour, waren jedoch weiterhin den sozialen Eliten vorbehalten und repräsentierten deren Bindung an Landesfürsten und Herrscher.
In einer DFG-geförderten Studie von 2013 zum Thema Ordensverleihung und Politik heißt es:
Orden und Zeremoniell waren und sind wichtige Bestandteile symbolischer Politik eines Herrschaftssystems (…). Sie gehören zur politischen und sozialen Ordnung einer Gesellschaft und dienen der Selbstdarstellung des Herrschers. Durch die öffentlich inszenierte Belohnung wird eine Herrschaft legitimiert und bekräftigt. Orden und Zeremoniell sind also Rituale der Macht, welche im Laufe der Zeit stets verändert wurden.
Reinhardt Wendt et al.
"Ein verzweifeltes Aufbäumen gegen die Realität"
Deutlich wird diese Veränderung für viele Historiker insbesondere bei den nationalsozialistisch und sozialistisch inspirierten totalitären Staaten des 20. Jahrhunderts. Der Deutsche Orden der NSDAP gehört ebenso dazu wie der "Held der Arbeit" in der DDR. Russische Regierungskritiker sehen auch einen Medaillenkult unter Putin in diesem Kontext.
Durch den inflationären Gebrauch von Orden zeichnet sich eine weitere Entwicklungsstufe in der Geschichte der Orden ab – die Entwertung zum Schein.
Speziell im Spätstadium des "real existierenden Sozialismus" habe die Auszeichnung nur noch dazu gedient, ein im Zerfall begriffenes Gesellschaftssystem symbolisch zu kitten, heißt es etwa in einem Bericht des MDR über die SED-Diktatur:
Seit dem Ende der siebziger Jahre sind immer neue Auszeichnungsmöglichkeiten geschaffen worden. Und je trostloser die Lage wurde, desto mehr Orden gab es. Die letzten heftete Erich Honecker im Oktober 1989 Bestarbeitern, Künstlern und verdienten Genossen an die Brust. Es war wie ein verzweifeltes Aufbäumen gegen die Realität.
MDR, Medaillen und Orden: DDR - die "ausgezeichnete Republik"
Die Corona-Krise hat mit ihrem weitreichenden Grundrechtsentzug wie kaum eine andere Episode der jüngeren Geschichte einen Keil zwischen Bürger und Staat getrieben.
Dass nun einige der prominentesten Vertreter einer starken Exekutive ausgezeichnet werden – darunter solche, die am lautesten nach den verfassungsrechtlich höchst bedenklichen Maßnahmen gerufen haben –, kommt nach Auffassung des Autors dem Offenbarungseid einer post-demokratischen Politik gleich, die Gemeinschaft nur noch als Gefolgschaft akzeptieren kann.