Eine neue Flagge für den Irak
Der von der US-Regierung eingesetzte irakische Regierungsrat hat sich für eine neue Flagge entschieden und damit wieder einmal das Dilemma offenbart
Anfang April ist der Fortschritt offenbar durch das Aufflammen des Widerstands, an dem nun mit den Milizen von al-Sadr sich auch Schiiten beteiligen, zu einem Stillstand gekommen. Am 2. April gab es den vorerst letzten "Wöchentlichen Regierungsbericht", auf der Website der Zivilverwaltung unter "Wöchentliche Fortschrittsberichte" eingeordnet. Anfang April hat man noch über die Fortschritte auf dem Weg zur "irakischen Souveränität" durch Verteilung von Broschüren mit dem Transitional Administrative Law (TAL) und mit Aufklärung der Bürger über demokratische Prinzipien, die man auch online findet, berichtet.
Wie es mit der sowieso nur eher symbolischen Machtübergabe am 30. Juni aussieht, steht noch in den Sternen. Offenbar scheint man in der Bush-Regierung bemerkt zu haben, dass die von ihr bestellten Mitglieder des Regierungsrats, allen voran Dschalabi, im Irak nicht sonderlich angesehen sind und eher die Korruption gefördert haben. Auch die Entscheidung, alle Baath-Mitglieder zu feuern, wird revidiert. Nun werden vielleicht zu spät lange anstehende personelle Konsequenzen gezogen, während gleichzeitig Städte belagert werden und womöglich ein Showdown ansteht, der die Risse im Land und zwischen Iraker und Besatzern noch tiefer macht.
Chaos herrscht also nicht nur im Lande, sondern auch im politischen Prozess des Nation-Building, den die Bush-Regierung sich wohl anders vorgestellt hat, wenn überhaupt wirklich konkrete Planungen vorhanden waren. Man könnte den Eindruck haben, dass man sich im Weißen Haus gedacht haben könnte, dass die Vorschläge der jubelnd begrüßten Befreier, die wissen, wo es politisch und wirtschaftlich lang geht, von den Befeiten willig umgesetzt werden und im Zuge des Aufschwungs alle Probleme sekundär bleiben würden.
Immerhin hat man im Irak jetzt nicht mehr nur neue Geldscheine, sondern vielleicht auch bald eine neue Flagge. Der Regierungsrat - wenn auch nicht einstimmig - hat sich für einen Entwurf aus 30 Vorschlägen entschieden, wobei allerdings die Frage ist, ob diese Entscheidung lange Bestand haben wird. Die alte Flagge geht zwar nicht auf die Hussein-Diktatur zurück, aber sie wurde natürlich von ihr verwendet. Sie war rot-weiß-schwarz gestreift. Drei grüne Sterne symbolisierten die Zusammengehörigkeit mit allen anderen arabischen Ländern. Hussein, nur aus taktischen Gründen religiös, fügte noch die Inschrift hinzu: "Gott ist groß".
Interessant ist, was mit der neuen Flagge, die schon in den nächsten Tagen an Behördengebäuden gehisst werden soll, symbolisiert werden soll. Hamid el Kefaae vom Regierungsrat erklärt, dass die Flagge den Frieden und Neubeginn durch die weiße Hintergrundfarbe und den Islam durch einen hellblauen Halbmond darstellen soll. Darunter befinden sich drei waagrechte Streifen. Zwei blaue Streifen, die Euphrat und Tigris symbolisieren sollen, schließen einen gelben Streifen ein. Gelb ist die Farbe der kurdischen Minderheit, also auch die Bevölkerungsgruppe, die den USA am nächsten steht und die auch in der Verfassung Sonderrechte erhalten hat. Die anderen Bevölkerungsgruppen, vor allem die Sunniten und die Schiiten, die Mehrheit der Iraker, werden nicht eigens dargestellt.
Ob der Schritt, schon vor der Übergabe der Macht noch mit dem von der US-Regierung eingesetzten und umstrittenen Regierungsrat eine neue Flagge einzuführen, politisch klug war, darf bezweifelt werden. Ablehnung wird aber auch durch die Hervorhebung der Kurden provoziert werden. Insofern ist die Flagge auch ein Symbol für die verfahrene Lage im Irak und für die mangelnde Sensibilität der US-Regierung über die Konsequenzen ihrer Handlungen. Übrigens ist das einzige Land, das ansonsten auf seiner Flagge noch blaue Streifen in der Region hat, ausgerechnet Israel.
Die Flaggenfindung wurde in den USA ironisch durch den Kakao gezogen. So heißt es bei "The Daily Farce":
"This flag was designed by the Iraqis for the Iraqis" stated L. Paul Bremmer, the American Administrator in Iraq, "There was absolutely no American influence and Americans where not allowed to enter the contest." ... "We understand that some people may think that the new flag looks somewhat like our American flag." Stated Mr. Bremmer, "However, we don't believe it does. That crescent makes a world of difference."