Eine riskante Welt der Schulden und unsicherer Banken

Seite 3: In der Falle des Teufelskreislaufs ohne neue Rezepte

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Insgesamt klingen die Rezepte des IWF wieder ziemlich absurd. Dem IWF geht es nicht in erster Linie darum, dass Schulden abgebaut werden. Denn auch in Washington ist bekannt, dass das Wachstum im Kapitalismus, ohne dass er zusammenbricht, vor allem über neue Schulden geschaffen wird. Letztlich wird die Lage mit den steigenden Schulden und den Teufelskreisen, in die sich der Kapitalismus an seinen inneren Widersprüchen immer stärker verstrickt, auch immer prekärer. Wenn es Ländern wie Deutschland gerade sogar gelingt, tatsächlich einen Teil der Staatsschulden abzubauen, dann liegt das vor allem an der gefährlichen Geldpolitik der EZB. Würde die ihre Zinsen erhöhen, würde der "Spielraum" schnell wieder deutlich kleiner werden. Für viele Staaten würde es sofort existenzbedrohend, deren Verschuldung deutlich höher als in Deutschland ist.

Diese Zinspolitik ist in der verfahrenen Lage nun auch scheinbar "alternativlos" geworden. Deshalb traut sich auch die US-Notenbank FED trotz eines einigermaßen stabilen Wachstums in den USA nicht, zur Normalisierung der Zinspolitik zurückzukehren. Denn es besteht die Gefahr, dass mit steigenden Zinsen das gesamte Kartenhaus schnell einstürzen könnte.

Allerdings hat diese Politik auch mittel- und langfristig sehr ungesunde Nebenwirkungen. Denn letztlich werden Sparer darüber langsam enteignet, da sie auf ihre Einlagen praktisch keine Zinsen mehr erhalten. Damit wird zudem die einst so stark gepriesene private Altersvorsorge ausgeblutet. Die versprochenen Zusatzrenten können angesichts dieser Zinspolitik niemals erwirtschaftet werden und schon vor zwei Jahren wurden erste Rettungsmaßnahmen für Lebensversicherer gestartet (Keine Chance, Teilenteignung zur Rettung von Lebensversicherern zu entgehen). Damit droht angesichts abgesenkter staatlicher Renten aber auch in Deutschland denen Altersarmut, die auf Heilsversprechen von Riesterrenten vertraut haben, Geld dafür ausgeben, was wiederum dem Konsum und damit der Konjunktur entzogen wurde und wird.

Letztlich bringt eben auch die Nullzinspolitik Banken in Gefahr. Das gilt für die Deutsche Bank, die sich derzeit in massiven Turbulenzen befindet, allerdings nur zu einem Teil. Einige Beobachter meinen angesichts der Lage, in der sich die Bank mit ihrer Zockerei manövriert hat, dass sie dem Untergang geweiht ist (Deutsche Bank - Game over!). Es beschweren sich auch gesunde Institute, dass den Banken über die Null- und Negativzinspolitik der EZB immer stärker die Ertragssäule wegbrechen würde. So sei die "Ertragslage der europäischen Banken angespannt", stellte der Bundesverband deutscher Banken (BdB) gerade fest. Deren Hauptgeschäftsführer Michael Kemmer meinte, dass "ausgerechnet die gesunden und liquiden Banken" besonders von der Politik betroffen seien. Sie leiden also letztlich unter der Politik, die der IWF fördert und auf der praktisch seine gesamt Strategie baut. Der BdB kritisiert, dass darüber die Banken in ihrer Aufgabe behindert würden, die Wirtschaft mit Krediten zu versorgen, also für das Wachstum zu sorgen, dass der IWF ebenfalls fordert.

So ist über die Lage der Deutsche Bank nur noch einmal deutlich geworden, dass die Bankenkrise in Europa nie beseitigt war und nun verstärkt erneut auch in Deutschland wieder aufbricht. Deshalb kommt natürlich auch der IWF - wenig überraschend - zu keinem guten Befund der Bankenlandschaft in Europa. In dem Finanzstabilitätsbericht, der vor der Herbsttagung veröffentlich wurde, rechnen dessen Experten vor, dass in den Büchern europäischer Banken noch faule Kredite im Umfang von 900 Milliarden Euro schlummern.

Ein Drittel des europäischen Bankensystems sei vom Untergang bedroht, sagt der IWF. Diese Banken hielten Vermögenswerte in Höhe von 8,5 Billionen Dollar und seien "nicht fähig, nachhaltige Profite zu erwirtschaften". Selbst wenn sich die Lage verbessert, lege man ein optimistisches Szenario an, würden sie auch weiterhin nicht genug Profite erwirtschaften. Europa müsse diese Probleme "dringend und umfassend" angehen, notleidende Kredite abbauen und Kosten senken.

Sonst drohte das Eigenkapital der Banken wegen des schwachen Wachstums und der geschildeten Zinspolitik immer weiter abzuschmelzen, was ebenfalls wieder negative Auswirkungen auf die auf Konjunktur und Finanzstabilität habe. "Es gibt einfach zu viele Filialen mit zu geringen Einlagen und zu viele Banken mit Finanzierungskosten, die weit über jenen anderer Institute liegen", sagte der zuständige IWF-Direktor Peter Dattels bei der Vorstellung des Berichts. Mit Blick auf die Deutsche Bank sagt er, dass sie zu den Instituten gehöre, "die weiter Anpassungen vornehmen müssen, um Investoren davon zu überzeugen, dass ihr Geschäftsmodell für die Zukunft tragfähig ist".

Dass Dattels die Bank direkt benannt hat, habe nach Angaben des Handelsblatts für eine "Riesenärger" in der Bundesregierung gesorgt. Die Äußerungen des IWF seien aus ihrer Sicht unprofessionell und Berlin habe sich umgehend beim IWF beschwert. Die Bundesregierung versucht, die Probleme der größten deutschen Bank kleinzureden. Sie dementierte auch, dass bereits über eine mögliche Rettung gesprochen worden sei. Dabei wird immer wieder und immer spezifischer berichtet, wie die Bank im Notfall aufgefangen werden soll. Glauben muss man solchen Dementis, das haben die Jahre der Finanzkrise gelehrt, ohnehin nicht.

Die Schelte aus Berlin hat ihre Wirkung in Washington nicht verfehlt. So zeigte sich Lagarde bei der Eröffnung der Herbsttagung gestern zu der Frage deutlich schmallippiger. "Ich möchte zunächst erst einmal feststellen, dass wir nicht für eine Mikrosekunde die Deutsche Bank in unserem Finanzstabilitätsbericht erwähnt haben", sagte sie auf eine Nachfrage. "Wir sagen aber auch, dass sich viele Banken auf der Welt ihr Geschäftsmodell ansehen und Anstrengungen unternehmen müssen, um auf die aktuellen Finanzbedingungen zu reagieren." Klar ist, dass angesichts der Finanzierungsbedingungen, die der IWF propagiert, wenigstens im Bankensektor zusehends mit Verwerfungen zu rechnen ist.