"Eine unglaubliche Verödung des öffentlichen Lebens"

Seite 2: Politik ist die Fortsetzung der Religion mit anderen Mitteln

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Die theologische Dimension der Politik

Die Themen, zu denen Sie in den vergangenen Jahren publizierten, haben einen ungewöhnlich breiten Fokus. Sie beschäftigen sich einerseits viel mit Geopolitik und der Rolle der USA, dann aber auch wieder mit Geschichtsphilosophie und dem Einfluss der Religion. Inwiefern verändert das den Blick auf aktuelle Politik?

Hauke Ritz: Ich habe Literaturwissenschaft studiert, weil ich meine eigenen Erfahrungen mit Literatur besser verstehen wollte. Damals nach dem Abitur stand mir jegliche Beschäftigung mit Politik zunächst sehr fern. Ich hatte nicht mal die Absicht, mich jemals intensiver mit Politik zu befassen. Mein Interesse galt ausschließlich der Kunst und ganz besonders der Literatur.

Je länger ich mich jedoch mit Fragen der Ästhetik beschäftigte, desto deutlicher wurde für mich die Abhängigkeit jeglichen Kunstwerks von dem geschichtlichen Moment seiner Entstehung. Ich verstand immer mehr, dass die Erkenntniskraft, die Kunst besitzt, zwar einerseits innerhalb der Zeit Bestand haben kann, oft ganze Epochen überdauert, so dass wir uns auch heute noch von einem Theaterstück William Shakespeares oder den großen Tragödiendichtern des antiken Griechenlands angesprochen fühlen können. Dass aber andererseits diese Form von Wahrheit, die sich in der Kunst manifestiert, nichtsdestotrotz innerhalb der Geschichte und in gewisser Weise auch durch die Geschichte entsteht und ermöglicht wird.

Das klingt zunächst wie ein Widerspruch.

Hauke Ritz: Lassen Sie es mich genauer erklären. Damit ein Kunstwerk eine überhistorische Geltung erlangen kann, ist es notwendig, dass der Künstler oder Dichter bereits zu seiner Zeit die geistigen Grenzen dieser Zeit überschreitet. Und das kann er nur, wenn er die Widersprüche seiner Epoche in sich aufnimmt, an ihnen leidet, sie durchdenkt, sein Leben als Antwort auf sie konzipiert und so schließlich durch die Gestaltung seines Werks die Grenzen seiner Zeit bewusst oder auch intuitiv transzendiert. Auf diese Weise entsteht in der Geschichte und durch die Geschichte eine überhistorische Wahrheit, die sich im Kunstwerk verkörpern kann.

Jedes Kunstwerk, das sich nicht dieser Anstrengung aussetzt, wird dementsprechend vom jeweiligen Zeitgeist beeinflusst und verliert dann auch mit dem Ende einer Epoche seine Geltung. Wenn aber der Wahrheitskern eines Kunstwerks auf die Weise, die ich gerade beschrieben habe, ein geschichtlicher ist, dann stellt sich natürlich die Frage, wie überhaupt Wahrheit und Geschichte aufeinander bezogen sind. Um dies genauer zu verstehen, begann ich mich mit Ideengeschichte und damit letztlich auch mit Geschichtsphilosophie zu beschäftigen.

Und die Religion?

Hauke Ritz: Von der Geschichtsphilosophie ist es nur noch ein kleiner Schritt bis zur Theologie. Die Theologie hat durch ihren Bezug auf die Heilsgeschichte die Fragen und Probleme aufgeworfen, die dann die Geschichtsphilosophie mit den Mitteln der Vernunft zu beantworten versucht. Bereits bei Hegel, dem bedeutendsten Geschichtsphilosophen der neueren Zeit, wird der innere Zusammenhang zwischen Theologie und Geschichtsphilosophie ganz explizit ausgesprochen. Die Geschichtsphilosophie geht in Theologie über und die Theologie in Geschichtsphilosophie. Die Verknüpfung beider Disziplinen nennt man gewöhnlich Religionsphilosophie. Deshalb gehört auch unsere Fähigkeit, über die Geschichte philosophisch nachzudenken und sie nicht einfach als Fatum und Schicksal zu akzeptieren, zum christlichen Erbe unserer Kultur. Hat man sich dann aber eine Weile mit diesem Nexus von Geschichtsphilosophie, Theologie und der Erkenntnismacht der Kunst befasst, so steht einem irgendwann die theologische Dimension der Politik vor Augen.

Diese Aussage wird manchen befremden. Politik wird heute im Westen in der Regel als völlig getrennt von der Theologie betrachtet.

Hauke Ritz: Dem liegt aber ein falsches Verständnis der Religion zugrunde. Religion ist nicht etwas, das verschwindet, nur weil man bewusst aufhört an sie zu glauben. Eine religiöse Bewusstseinslage ist in jedem Menschen, in jeder Kultur und in jeder Zeit immer in der einen oder anderen Form präsent. Mal ist diese Religiosität bewusst und mal vollzieht sie sich unbewusst. Am Grunde aller Politik findet man deshalb immer theologische Positionen.

Man könnte in Abwandlung eines berühmten Zitats sagen, Politik ist die Fortsetzung der Religion mit anderen Mitteln. Denn Politik ist das Ringen der Menschen um den Verlauf der Geschichte. Und der Verlauf der Geschichte kann nicht gedacht werden ohne heilsgeschichtliche Implikationen. Denn der Begriff der Geschichte umfasst alles, womit wir es im Leben, in der Politik und der Kultur zu tun haben. Die Geschichte kann nicht relativiert werden. In ihr ist das Absolute präsent, ob uns das gefällt oder nicht. Die Geschichte selbst verweist auf die letzten Fragen und diese können nur von der Religion beantwortet werden. Das ist die unumstößliche und bleibende Einsicht, die wir Carl Schmitt verdanken, so problematisch dieser Philosoph sonst auch eingestuft werden mag. Aber auch Jacob Taubes und Walter Benjamin haben in diesen Zusammenhängen gedacht. Das war der Ausgangspunkt, von dem aus ich mich irgendwann der Politik zuwendete. Ich wollte es eigentlich nicht. Aber es hat sich so ergeben.

Peak Oil oder die Idee die Idee einer materiellen Grenze der Gesellschaftsentwicklung

Ihre ersten politischen Essays befassten sich dann mit dem auf den ersten Blick wenig philosophischen Thema Peak Oil. Wie kam es dazu?

Hauke Ritz: Ja, das ist richtig. Um Ihnen zu erklären, wie auch das mit einem philosophischen Hintergrund zusammenhängt, muss ich ein wenig ausholen. Max Weber hatte mich nämlich dazu inspiriert. Am Ende der "Protestantischen Ethik"1 gibt es jene Passage, in der Weber sehr eindringlich vom "Stählernen Gehäuse" spricht. Das Stählerne Gehäuse ist Webers Metapher für eine Welt, die in ihrer eigenen Immanenz gefangen ist, die also die Frage nach dem Sinn all ihrer Unternehmungen nicht mehr zu stellen vermag. Das Stählerne Gehäuse ist eine Metapher für eine Gesellschaft, die jeglichen Transzendenzbezug verloren hat. Die Gefangenschaft der modernen Gesellschaft in ihrer eigenen immanenten Logik ist für Weber das Resultat des Kapitalismus. Und diesen wiederum führt er auf die protestantische Ethik zurück.

Nun muss man aber wissen, dass die gesamte Geschichtsphilosophie des 20. Jahrhunderts letztlich dieses von Weber beschriebene Problem umkreist. Die Begriffe für eine gesellschaftliche Ordnung, die in ihrer eigenen immanenten Logik gefangen ist, verändern sich. Walter Benjamin spricht von einem "Traumschlaf" in dem die moderne Gesellschaft mit dem Anbruch des Kapitalismus gefallen sei, Adorno spricht vom "Verblendungszusammenhang" oder vom "Bann" der über der modernen Gesellschaft läge. Kojève und später Taubes bezeichnen diese Situation schließlich als den Zustand des "Posthistoire", also als das Ende der Geschichte, in dem die Transzendenz, für die die Geschichte als Horizont einsteht, endgültig verschwunden ist. Doch so verschieden die Begriffe auch sind, die dafür gewählt wurden, das Problem bleibt eigentlich das gleiche.

Nun wagt Max Weber allerdings auf den letzten Seitens seines berühmten Buches "Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus" eine Prognose darüber, auf welche Weise das Stählerne Gehäuse sein Ende finden könnte. Er schreibt: "Niemand weiß noch, wer künftig in jenem Gehäuse wohnen wird". Und er nennt zwei Auswege. Zum einen den, "ob am Ende dieser ungeheuren Entwicklung ganz neue Propheten oder eine mächtige Wiedergeburt alter Gedanken und Ideale stehen wird". Das ist also die Möglichkeit eines geistigen Ausbruchsversuchs, ähnlich wie Moses sein Volk durch den Glauben an Gott aus der Versklavung in Ägypten herausgeführt hat. Oder aber, ob diese "Wirtschaftsordnung" … die "heute den Lebensstil aller einzelnen, die in dies Triebwerk hineingeboren werden […] mit überwältigendem Zwang bestimmt und bestimmen wird", fortdauert, "bis der letzte Zentner fossilen Brennstoffs verglüht ist". Hier ist somit die Idee einer materiellen Grenze formuliert.

Darüber dachte ich nach, als ich zufällig auf einen Artikel stieß, der sich mit dem Ende des Erdöls, also dem Phänomen Peak-Oil beschäftigte. Ich hatte bis dahin befürchtet, dass der von Weber, Benjamin und Adorno beschriebene Gesellschaftszustand noch Jahrhunderte fortdauern könnte. Und da wurde ich auf das Peak-Oil-Phänomen aufmerksam und dachte, wenn das stimmt, dann fährt das heute vorherrschende Prinzip der Vergesellschaftung gegen eine Wand. Dann werden wir schwere Erschütterungen erleben, die aber zugleich die Chance enthalten, die verschütteten Potentiale vergangener Kulturepochen erneut zu aktualisieren. Und so verbrachte ich einige Zeit damit, das Phänomen Peak Oil zu studieren. Ich habe dann eine ganze Reihe von Artikeln zum Thema geschrieben. Das war zwischen 2005 und 2007. Ich halte die Peak-Oil-Prognose auch heute noch für aktuell. Denn die Produktion von Biokraftstoffen und von Frackingöl hat das Problem nicht wirklich gelöst, sondern vielleicht nur um wenige Jahre aufgeschoben.

Die Berichte über Peak Oil vor einigen Jahren waren für viele ein Ausgangspunkt, über das ökonomische System als Ganzes nachzudenken. Welche Schlussfolgerungen zogen Sie daraus?

Hauke Ritz: Das Ölthema machte mich in gewisser Weise auf benachbarte Themen aufmerksam, zum Beispiel, wie das Öl mit den Finanzmärkten verflochten ist, also das sogenannte Petrodollarsystem. Und das wiederum richtete meine Aufmerksamkeit auf die verschiedenen Kriege im Nahen Osten. Und so begann ich mich verstärkt mit den Grundlagen der Geopolitik zu beschäftigen.

Im Verlauf meiner Recherchen ging es dann immer mehr um die Frage, wie eigentlich ein moderner Staat im 21. Jahrhundert arbeitet, wie sich zum Beispiel die Kriegsführung auf ehemals zivile Bereiche, wie Journalismus, Engagement für Menschenrechte, Stichwort NGOs, Stichwort Informationskriegsführung und so weiter ausgedehnt hat. Langfristig möchte ich diese Themen, also Energiekrise, Finanzkrise, Geopolitik und die verdeckte Kriegsführung im 21. Jahrhundert gerne direkt in eine Beziehung zu meiner Beschäftigung mit Geschichtsphilosophie stellen. Das ist jedoch nicht so einfach. Aber das schwebt mir langfristig vor.

Wir haben uns seit dreißig Jahren mit den "postmodernen" Philosophen beschäftigt und eigentlich kaum eine Einsicht hinzugewonnen

In ihrem kürzlich erschienenen Buch "Der Kampf um die Deutung der Neuzeit" analysieren Sie die geschichtsphilosophische Debatte in Deutschland über den Zeitraum der letzten einhundert Jahre. Sie sagen, dass das eigentliche Thema in der deutschen Geschichtsphilosophie des 20. Jahrhunderts die ideengeschichtliche Deutung der Neuzeit war und erwähnen zunächst die bekannteren Positionen, etwa von Hegel, Weber, Nietzsche, Löwith und Arendt, um dann den Schwerpunkt auf einen weitgehend vergessenen Zweig der Debatte zu legen, für den die Namen der westdeutschen Nachkriegsphilosophen Klaus Heinrich (*1927), Georg Picht (1913-1982) und Jacob Taubes (1923-1987) stehen. Was ist das Besondere an diesen Dreien?

Hauke Ritz: Man kann dazu zweierlei Haltungen einnehmen. Entweder geht man davon aus, dass diese Philosophen nicht so bekannt sind, weil sie nicht so wichtig sind. Oder man stellt in Rechnung, dass die Kanonbildung fehlerhaft sein kann. Dass also die Debatte sich auf Werke bezieht, die eigentlich zweitrangig sind und die wirklich bedeutenden Erkenntnisfortschritte übersehen und in der Kanonbildung nicht berücksichtigt worden sind. Davon bin ich in gewisser Weise in meiner Arbeit ausgegangen. Deshalb stelle ich diese relativ unbekannten Philosophen in den Mittelpunkt. Ich denke, dass die von ihnen behandelten Fragestellungen, und die von ihnen aufgeworfenen Probleme es sind, an die die Philosophie auch im 21. Jahrhundert erneut anknüpfen müsste.

Ich habe relativ wenig Vertrauen in die Objektivität des Wissenschaftsbetriebes. Denn letztlich wird dieser auch von Moden bestimmt. Und in den letzten zwanzig bis dreißig Jahren waren Philosophen modern, die sich sehr auf Nietzsche bezogen und die ein postmodernes Programm hatten. Immer wenn sie nach einem Schuldigen in der Weltgeschichte suchten, stießen sie auf das Christentum und wiederholten damit die ideengeschichtlichen Zuordnungen Nietzsches bis zum Abwinken. Mir kam das sehr langweilig vor. Das kann es doch nicht sein. Meine Intuition leitete mich in eine andere Richtung.

Wenn die Moderne ein atheistisches Zeitalter ist, dann kann die Lösung der Probleme, die mit der Moderne verbunden sind, doch nicht in noch mehr Atheismus liegen. Zudem erschien mir diese ständige Wiederholung nietzscheanischer Positionen recht billig. Das ist das gemeinsame Merkmal aller postmodernen Autoren, egal ob man Lyotard liest, Derrida, Foucault, Deleuze, Blumenberg, Löwith oder Marquard, immer stößt man am Ende auf nietzscheanische Theoreme und nietzscheanische Wertsetzungen. Die Frage, was die Neuzeit als die dritte Großepoche, die auf das Mittelalter und die Antike folgt, eigentlich ist, kann aber mit Nietzsches Philosophie höchstens gestellt, nicht aber beantwortet werden.

Und so muss man sich fragen, ob es eine Gegenposition gibt. Gibt es eine Gruppe von Philosophen, die einzeln oder gemeinsam einen anderen Weg eingeschlagen haben? Natürlich fallen einem da als erstes die Denker der Frankfurter Schule ein. Doch die schrieben vor der postmodernen Ära. Zudem gehen sie mit der Ausnahme Benjamins nicht weit genug in der Vergangenheit zurück. Adornos ideengeschichtliche Analysen beziehen sich meist nur auf Marx, Freud, Kant und Hegel. Alles, was jenseits der Französischen Revolution liegt, wird nur noch beiläufig behandelt. Das ist die Schwäche von Adornos Geschichtsphilosophie, obwohl ich Adorno sonst sehr schätze.

Und so stieß ich nach und nach auf die drei Philosophen, die ich in meinem Buch in den Mittelpunkt stelle, nämlich Klaus Heinrich, Georg Picht und Jacob Taubes. Jeder von ihnen hat große ideengeschichtliche Deutungsversuche unternommen. Jede dieser drei Geschichtsphilosophien kreist um das Problem der Neuzeit und versucht dieses Zeitalter zu verstehen und zwar indem es rückbezogen wird auf die Ideengeschichte der antiken Welt. Heinrich und Picht gehen dabei zurück bis zu den Vorsokratikern, während Taubes sich weniger auf die griechische Antike, dafür aber mehr auf das prophetische Judentum und die Begründung des Christentums bezieht und von dort aus die Ideengeschichte Europas bis in unsere Zeit rekonstruiert. Hier sind Geschichtsdeutungen entstanden, die so ehrgeizig sind und so viele wertvolle Einsichten enthalten, dass sie eine nähere Beachtung verdienen, zumal wir uns jetzt schon seit dreißig Jahren mit diesen "postmodernen" Philosophen beschäftigen und eigentlich kaum eine Einsicht hinzugewonnen haben.

In Ihrem Buch gibt es eine sehr eindringliche Passage, in der Sie am Beispiel von Pichts Philosophie den Geist des Nihilismus beschreiben. Worum geht es da?

Hauke Ritz: Picht zeigt auf, dass der Nihilismus der Moderne ein doppeltes Gesicht hat. Zum einen handelt es sich bei ihm um ein Zeitalter, in dem die Menschen nicht mehr wissen, was die klassischen Begriffe des Christentums, also Gott, Offenbarung und Auferstehung eigentlich bedeuten. In der nihilistischen Epoche weiß der Mensch nach Picht nicht mehr, was der Glaube eigentlich ist. Doch parallel dazu handelt es sich eben auch um eine Zeit, in der neben dem Glauben sich auch dessen Gegenpol, nämlich das Wissen, verändert hat. Zum vergessenen Wissen um den Glauben gesellt sich der nicht mehr vorhandene Glauben an das Wissen. Die Verdunkelung des einen hat das Verlöschen des anderen zur Folge.

Picht entwickelt aus dieser Vorstellung ein geschichtsphilosophisches Theorem, das, wie ich finde, unsere heutige Situation recht treffend beschreibt. Er widerlegt die Annahme, dass eine Abschaffung des Glaubens zu mehr Wissen führt. Für ihn sind stattdessen Wissen und Glauben auch in der Kulturgeschichte aufeinander bezogen. Wissen ist nach Picht dort wirkungsmächtig, wo der religiöse Glaube noch kulturell präsent ist und deshalb auch das Wissen noch geglaubt wird. Wo Wissen geglaubt wird, dort ist auch Skepsis eine kritische Kraft.

Die Skepsis der ersten Wissenschaftler von der Renaissance bis zur Aufklärung konnte noch Konsequenzen zeitigen. Denn sie lebten in einer Epoche, in der der kulturelle Horizont des Christentums noch präsent war. In einer glaubenslosen Welt, wie der heutigen, verliert Skepsis dagegen ihre Einspruchskraft. Sie verwandelt sich in Zynismus und dient am Ende nur dazu, Kritik zu neutralisieren. Die Folge davon ist, dass das Wissen selbst sich verändert. Es verliert seine Klarheit, es wird nicht mehr geglaubt und zeitigt deshalb auch keine Konsequenzen mehr. Für den modernen Menschen ist es im Grunde genommen egal, was wahr ist. Der Begriff der Wahrheit gilt heute als totalitär. Also kümmert man sich nicht mehr um die Frage was wahr ist. Picht erklärt aus dieser Wechselbeziehung zwischen Glauben und Wissen den Geist des modernen Nihilismus. Er leitet aus ihm die Unfähigkeit moderner Gesellschaften ab, aus Einsichten Konsequenzen zu ziehen.

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