Einst Deutschlands oberster Verfassungsschützer – und zu rechts für die CDU
Immer mehr Christdemokraten wollen Ex-BfV-Chef Hans-Georg Maaßen loswerden. Auch der Antisemitismus-Beauftragte im Bund befasst sich mit ihm. Im Dunkeln bleibt Maaßens Rolle bei der NSU-Vertuschung.
Der Mann, der 2012 Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) wurde, weil dort nach dem NSU-Skandal alles besser werden und die mögliche Verstrickung der Behörde in den Rechtsterrorismus aufgeklärt werden sollte, ist zu rechts für die CDU. Immer mehr seiner Parteifreunde gelangen zu dieser Überzeugung und wollen Hans-Georg Maaßen loswerden.
Auch der Thüringer Landesverband der Christdemokraten distanzierte sich nun von ihm. Deren Generalsekretär Christian Herrgott sagte dem MDR Thüringen, Maaßens jüngste Äußerungen passten weder in Stil noch Inhalt zu Werten und Zielen der Thüringer CDU. Daher habe er Maaßen aufgefordert, die Partei zeitnah zu verlassen.
Besagte Äußerungen des Ex-Geheimdienstchefs wurden zuvor von jüdischen Organisationen als Relativierung des Holocaust kritisiert. Maaßen hatte in einem Tweet unterstellt, die Stoßrichtung der "treibenden Kräfte im politischen-medialen Raum" sei ein "eliminatorischer Rassismus gegen Weiße".
Mitte Januar hatte der Leiter der KZ-Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner, in einem Gastbeitrag für die Jüdische Allgemeine die CDU aufgefordert, sich von Maaßen zu trennen.
CDU-Chef Friedrich Merz sah sich inzwischen zumindest veranlasst, zu reagieren: "Die Äußerungen von Herrn Maaßen sind erneut inakzeptabel", sagte Merz laut einem Bericht der Jüdischen Allgemeinen am Dienstag in Berlin. Zugleich betonte er, es werde keine vorschnelle Entscheidung über ein Ausschlussverfahren geben.
Dies hatte zuvor CDU-Bundesvize Karin Prien ins Spiel gebracht. "Sollte Herr Maaßen bei unserer nächsten Bundesvorstandssitzung am 13. Februar noch Mitglied der CDU sein, werde ich einen entsprechenden Antrag an den Bundesvorstand stellen, ihn aus unserer Partei auszuschließen", sagte Prien. Die schleswig-holsteinische Bildungsministerin warf Maaßen vor, wiederholt antisemitische und verschwörungstheoretische Codes verwendet und Rassismus verharmlost zu haben.
"Typisch für antisemitische Hetze"
Der Antisemitismus-Beauftragte des Bundes, Felix Klein, sah in Maaßens Formulierung "ganz klar die Grenze demokratischer Legitimität" überschritten. Die offensichtliche Anlehnung an den Begriff des "eliminatorischen Antisemitismus", den der Historiker Daniel Goldhagen für die Verbrechen des Naziregimes geprägt hatte, die Übernahme dieses Vokabulars sei eine Relativierung der Schoah – und die so betreibende Täter-Opfer-Umkehr "typisch für antisemitische Hetze", so Klein.
Reagiert hatte Maaßen damit auf einen Tweet des Sprechers der Seenotrettungsorganisation Mission Lifeline e. V., der die Befürchtung geäußert hatte, dass Rassismus und Abschottungspolitik nicht enden würden, "solange Deutschland existiert" – dafür seien die Strukturen zu verfestigt.
Daraus hatte Maaßen "eliminatorischen Rassismus gegen Weiße" konstruiert, den er auch gleich den "treibenden Kräften im politischen-medialen Raum" unterstellte – obwohl der Mission-Lifeline-Sprecher und die Chefredaktionen großer Medien sowie fast alle Spitzenpolitiker selbst weiß sind.
Ein gebürtiger Schwabe mit türkischen Wurzeln an der Spitze des Agrarministeriums ist das einzige Mitglied des Bundeskabinetts, das mit viel gutem Willen als "Person of Colour" durchgeht. Cem Özdemirs Schwerpunktthemen sind aber aufgabenbedingt nicht Migration und Rassismus.
Wen Maaßen also genau für die "treibenden Kräfte" hält und ob er ihnen mehrheitlich Selbsthass unterstellen wollte, blieb im Dunkeln. Aber auch das Ende seiner Karriere als Geheimdienstchef war 2018 mit einer skurrilen Einschätzung seinerseits verbunden: Damals hatte er von "linksradikalen Kräften" in der SPD fabuliert, die nur widerwillig mit den Unionsparteien koaliert hätten und nun seinetwegen einen Koalitionsbruch riskieren wollten.
Ultrarechter BfV-Chef als "Konsequenz" aus dem NSU-Skandal
BfV-Chef geworden war Maaßen 2012 als Nachfolger Heinz Fromm, der seinen Hut nehmen musste, nachdem in der Behörde gezielt Akten über V-Leute aus der rechten Szene Thüringens und der NSU-Brutstätte "Thüringer Heimatschutz" vernichtet worden waren.
Danach hatte Maaßen sechs Jahre lang reichlich Gelegenheit zu weiteren Vertuschungsaktionen. Ein Großteil der NSU-Aufklärungsversuche vor Gericht und in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen fiel in seine Ära als BfV-Chef. BfV-Mitarbeiter wurden sowohl im Münchner NSU-Prozess als auch in den Ausschüssen als Zeugen geladen, aber wie weit ihre Aussagegenehmigung ging und ob sie überhaupt erteilt wurde, bestimmte das Amt.
Es ging um V-Leute, die selber zutiefst in die militante Neonaziszene verstrickt und zumindest zeitweise überzeugte Nazis gewesen waren, um ein Szenemagazin, das teilweise vom BfV redigiert worden war, bis hin zu einem toten Zeugen, der fast zwei Jahrzehnte lang als V-Mann gearbeitet hatte. Die NSU-Mordserie selbst fiel nicht in Maaßens Zeit als BfV-Chef. Aber er sollte vorgeblich in der Behörde aufräumen und helfen, den Skandal aufzuklären, nachdem Fromm "versagt" hatte.
Mission: Asylrecht weiter einschränken
Die gesamte NSU-Aufklärung beziehungsweise deren Verhinderung muss nun auch im Licht der Gesinnung betrachtet werden, die er immer deutlicher nach außen trägt. Ganz geheim war auch früher nicht, in welche Richtung sie geht: Seine Doktorarbeit schrieb der Jurist in den 1990er-Jahren über Möglichkeiten, das Asylrecht weiter einzuschränken, als es gerade erst eingeschränkt worden war und die Flüchtlingszahlen nach unten gingen.
Heute spricht er von einer "schäbigen Schmutzkampagne", die nun auch von CDU-Funktionären betrieben werde, um seine mögliche Wahl zum Vorsitzenden der WerteUnion am kommenden Samstag zu verhindern.
"Ich werde mich als Vorsitzender der WerteUnion für die Durchsetzung christlich-demokratischer Ziele, für konservative und liberale Werte und gegen jede Art von Ökosozialismus und Gender-Wokismus einsetzen", kündigte er am Dienstag auf Twitter an.