Eisschild in der Antarktis: Meereis auf Rekordtief, Thwaites-Gletscher schwindet
Energie und Klima kompakt: Die Meereisbedeckung der Antarktis erreicht im Februar historischen Tiefstand. Neueste Forschungsergebnisse liefern zudem ein genaueres Bild zum Abschmelzen des Thwaites-Gletschers.
Es gibt derzeit mehrere Gründe, mit Sorge in Richtung Antarktis zu blicken. Der Eisschild der Antarktis ist der größte der Welt, und wenn auch nur Teile davon abschmelzen – wie Beobachtungen in der Westantarktis für die Zukunft vermuten lassen – würde der Meeresspiegel um mehr als einen Meter ansteigen.
Doch die Antarktis ist weit mehr als ein gigantischer Speicher gefrorenen Wassers. Sie ist Lebensraum für Tiere wie den Kaiserpinguin, der nur auf dem dortigen Meereis brütet, und sie steht als Lebensraum am Anfang der Nahrungsnetze im Meer.
Viele Meerestiere ernähren sich vom Antarktischen Krill, hauptsächlich für verschiedene Walarten sind die winzigen Krebstiere ein wichtiger Bestandteil der Nahrung. Doch schon kleine Veränderungen im antarktischen Klima können das Nahrungsangebot im dortigen Ozean in kaum vorhersehbarer Weise beeinflussen.
Am 8. Februar bedeckte das antarktische Meereis eine Fläche von 2,2 Millionen Quadratkilometern. Wie das Meereisportal des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) mitteilt, ist dies ein historischer Tiefstand für dieses Datum, wobei die Meereisschmelze noch bis in die zweite Februarhälfte andauern wird (schließlich ist noch antarktischer Sommer) und ein neuer Negativrekord zu erwarten ist.
Die rasante Abnahme des Meereises in den letzten sechs Jahren ist sehr erstaunlich, weil sich die Eisbedeckung in den fünfunddreißig Jahren davor kaum verändert hatte. Es ist unklar, ob dies der Anfang vom schnellen Ende von sommerlichem Meereis in der Antarktis ist, oder ob es sich nur um eine neue Phase mit geringerer aber weiterhin stabiler Meereisbedeckung im Sommer handelt.
Christian Haas, Leiter der Meereisphysik am AWI
Die Meereisausdehnung in der Antarktis schwankt stark zwischen 18 und 20 Millionen km² im Winter und etwa 3 Millionen km² im Sommer. Die aktuelle Entwicklung ist zumindest ungewöhnlich.
Als Ursache für die starke Eisschmelze nennt das AWI die um 1,5 Grad über dem langjährigen Mittel liegenden Lufttemperaturen westlich und östlich der Antarktischen Halbinsel. Aber auch das derzeit vorherrschende Klimamuster Southern Annular Mode (SAM), das beispielsweise für starke Westwinde sorgt, könnte eine Rolle spielen.
Während also für das antarktische Meereis noch nicht klar ist, wohin die Reise geht, ist sie für den Thwaites-Gletscher in der Westantarktis viel klarer, nämlich Richtung Meer. Die Klimaforscher befürchten seit Langem, dass der Thwaites-Gletscher, ein Koloss von der ungefähren Größe Großbritanniens, eines Tages komplett kollabieren und den Meeresspiegel um 65 Zentimeter ansteigen lassen könnte.
Der Kollaps droht, wenn das vor dem Gletscher liegende Schelfeis, also der Teil des Eises, der auf dem Ozean schwimmt, vollständig schmilzt oder abbricht. Der dahinter liegende Festlandgletscher könnte dann ungehindert ins Meer fließen.
Bislang ging die Wissenschaft davon aus, dass immer mehr warmes Meerwasser unter den Rand des Gletschers dringt, dieser dadurch von unten schmilzt und immer weiter aufschwimmt. Die Folge wäre, dass eine noch größere Eisfläche von unten angegriffen würde.
Tatsächlich ist die Zone, in der der Gletscher auf dem Meeresboden aufliegt, seit den 1990er-Jahren um 14 Kilometer zurückgegangen, wie der British Antarctic Survey in einer Pressemitteilung schreibt.
Dass sich der Gletscher zurückzieht, ist unbestritten. Neueste Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass die Schmelzprozesse etwas anders verlaufen als bisher angenommen. Das Team um Peter Davis vom British Antarctic Survey konnte anhand von Messungen in einem Bohrloch bis zur Eisunterseite feststellen, dass das Meerwasser an der Unterseite zwar wärmer wurde, die Schmelzrate aber relativ konstant blieb und den Gletscherschwund insgesamt nicht erklären konnte.
Das Forscherteam um Britney Schmidt von der Cornell University konnte mit Hilfe eines Tauchroboters messen, dass Gletscherspalten und terrassenförmige Strukturen im Eis zu weitaus größeren Verlusten führen. Durch diese Risse dringt warmes Wasser ein und schwächt den Gletscher an seinen ohnehin schwächsten Stellen.
Gerade das Schmelzen entlang der Spalten und Terrassen könnte den Kollaps des Schelfeises auslösen, zitiert CNN die Autoren. Sollte Thwaites sein vorgelagertes Schelfeis verlieren und ins Meer fließen, könnte dies – je nach Verhalten des benachbarten Pine-Island-Gletschers – den gesamten Westantarktischen Eisschild destabilisieren. Der Westantarktische Eisschild gilt als eines der Kippelemente im globalen Klimasystem.
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