Eiszeit: Münchner Sicherheitskonferenz ohne russische Delegation

Schluss mit "Lieber Sergej": Maria Sacharowa, Sprecherin des Außenministeriums, hat die Teilnahme russischer Vertreter abgesagt. Foto: Föderationsrat der Russischen Föderation

US-Vizepräsidentin Kamala Harris reist Mitte Februar zur "Siko" in Bayerns Landeshauptstadt, um das "eiserne Engagement" für ihre Nato-Verbündeten zu demonstrieren. Die "andere Seite" bleibt fern

Die alljährliche Münchner Sicherheitskonferenz im Luxushotel Bayerischer Hof wird regelmäßig von Straßenprotesten begleitet, bei denen sie auch als "Nato-Sicherheitskonferenz" bezeichnet wird. Das russische Außenministerium hat das internationale Treffen von Spitzenpolitikern, Militärs und Konzernvertretern eine Zeit lang anders eingeschätzt – zumindest wurde die dortige Nato-Dominanz in Moskau bisher nicht als so stark empfunden, dass es sich nicht gelohnt hätte, daran teilzunehmen.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow war mehrfach dorthin gereist und etwa 2018 von Konferenzleiter Wolfgang Ischinger sogar mit "lieber Sergej" ans Redepult gebeten worden.

"Inklusivität und Objektivität eingebüßt"

Doch in diesem Jahr wird Moskau keine Delegation zur "Siko" in die bayerische Landeshauptstadt schicken – "aus verschiedenen Gründen", wie die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa am Mittwoch sagte. Die Konferenz habe sich aus russischer Sicht "in den letzten Jahren immer mehr zu einem rein transatlantischen Forum gewandelt" und dabei "an Inklusivität und Objektivität eingebüßt", fügte sie laut einem Bericht des russischen Medienportals RBK hinzu.

Hintergründe sind die Zuspitzung des Ukraine-Konflikts und die Befürchtung Moskaus, dass die Ukraine zum Aufmarschgebiet der Nato werden könnte. Russland wiederum wird seit mehreren Wochen vorgeworfen, deshalb mit eigenen Truppen in die Ukraine einmarschieren zu wollen. Nachdem US-Präsident Joe Biden eindringlich davor gewarnt hatte, zitierten die New York Times und das US-Außenministerium vergangene Woche nebulöse Geheimdienstquellen, die behaupteten, der Kreml plane bereits eine False-Flag-Aktion, um den Einmarsch zu rechtfertigen.

US-Vizepräsidentin Kamala Harris plant nun, Mitte Februar nach München zu reisen, um auf der Konferenz das "eiserne Engagement" der USA für ihre Nato-Verbündeten zu demonstrieren, wie die stellvertretende Pressesprecherin des Weißen Hauses, Sabrina Singh, laut einem Bericht der Deutschen Welle am Mittwoch sagte. Es gehe darum, "die Prinzipien aufrechtzuerhalten, die den europäischen Frieden und die Sicherheit seit dem Zweiten Weltkrieg untermauert haben, und unser Engagement für die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine unterstreichen".

Das Statement wirft mehrere Fragen auf, da "seit dem Zweiten Weltkrieg" auch die Zeit einschließt, in der die Ukraine noch zur Sowjetunion gehörte – und weil sie bis heute kein Nato-Mitglied ist. Dass sie es werden könnte, darum dreht sich ja gerade der Streit um die von russischer Seite gefürchtete Nato-Osterweiterung, auf die westliche Staaten nie förmlich verzichtet haben wollen, während Russland sich auf dementsprechende Aussagen beruft.

"Im Zentrum des neuen Kalten Krieges"

"Die Ukraine steht heute im Zentrum des neuen Kalten Krieges. Der Konflikt eskaliert", hatte am 1. Februar das "Aktionsbündnis gegen die Nato-Sicherheitskonferenz", das in München auch in diesem Jahr zu Protesten aufruft, gewarnt. "Der Ukraine-Konflikt muss auf dem Verhandlungsweg gelöst werden. Notwendig ist eine Deeskalation und ein Ende der Feindbildpropaganda", fordert das Bündnis, dem mehr als 80 Gruppen und Organisationen vor allem aus der Friedens- und Umweltbewegung angehören. "Drohungen und Truppenaufmärsche schaffen keinen Frieden und keine Sicherheit", betonen sie. Und weiter:

Statt weiter Öl ins Feuer zu gießen, braucht es eine Politik der Entspannung mit Russland und Verhandlungen über gegenseitige Sicherheitsgarantien. Frieden in Europa kann es nur mit und nicht gegen Russland geben.

Die Münchner Sicherheitskonferenz, die nun ohne russische Delegation stattfinden wird, wäre allerdings für offizielle Verhandlungen sowieso nicht geeignet, denn sie ist eigentlich eine Privatveranstaltung.

Der ehemalige Spitzendiplomat Wolfgang Ischinger leitet vom 18. bis zum 20. Februar zum letzten Mal eine Konferenz dieser Art – bevor er 2009 diese Aufgabe übernahm, war er unter anderem deutscher Botschafter in Washington. Insgesamt ist es die 58. Münchner Sicherheitskonferenz seit 1963, wenn man davon absieht, dass sie damals noch "Wehrkundetagung" hieß. Veranstalter ist eine gemeinnützige GmbH – die Stiftung Münchner Sicherheitskonferenz (MSC). Mitfinanziert wird das kostspielige Treffen allerdings von der Bundesregierung und der Bayerischen Staatsregierung – also von den Steuerpflichtigen.

Zu Hauptsponsoren gehören allerdings auch große Rüstungskonzerne wie Rheinmetall, Airbus und Raytheon. Ein Schelm, wer dabei an plumpes Kapitalinteresse am neuen Wettrüsten denkt, statt an Sicherheit und Völkerrecht.

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