Eklat um Khelif und Carini: Schlagabtausch zwischen Olympischem Komitee und Boxverband
Kampf der Frauen entfacht hitzige Debatte über Testosteron-Werte und Geschlechtergerechtigkeit. Ist das IOC unfair? Fall schlägt hohe Wellen.
Die Kontroverse um die Teilnahme einer intersexuellen Boxerin an den Olympischen Spielen in Paris hat zu einem heftigen Schlagabtausch zwischen dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) und dem Internationalen Boxverband (IBA) geführt.
Auslöser war der Kampf im Weltergewicht zwischen der Algerierin Imane Khelif und der Italienerin Angela Carini. Carini hatte den Kampf am Donnerstagmittag nach nur 46 Sekunden verletzungsbedingt aufgegeben.
Sie klagte über harte Schläge von Khelif, die ihre Nase verletzt und ihren Kopfschutz beschädigt hätten. Carini sagte, sie habe aufgegeben, um ihre Gesundheit zu schützen.
Der Fall schlägt seitdem hohe Wellen und ist stark politisiert. Denn Khelif ist eine intersexuelle Frau. Sie hat männliche Gene, zudem wurde bei ihr in der Vergangenheit ein ungewöhnlich hoher Testosteron-Spiegel festgestellt. Kritiker bezeichnen sie als Mann und greifen das IOC für seine Entscheidung, sie zum Frauenboxen zuzulassen, scharf an.
Die IBA hatte die heute 25-jährige Khelif im vergangenen Jahr noch von der Weltmeisterschaft ausgeschlossen, offenbar wegen zu hoher Testosteron-Werte. Das IOC hingegen ließ Khelif in Paris wie auch 2021 in Tokio antreten.
Debatte um Hormon-Grenzwerte
Der Fall heizt die Debatte um die Testosteron-Grenzwerte für Frauen im Sport an. Intersexuelle Athletinnen wie Khelif sind zwar als Frauen aufgewachsen und offiziell als solche anerkannt. Sie haben aber männliche XY-Chromosomen und damit erhöhte Testosteron-Werte.
In der Leichtathletik gibt es seit dem Fall der 800-m-Olympiasiegerin Caster Semenya eine Testosteron-Obergrenze für Frauen. Im Boxen gibt es eine solche Regelung nicht.
Konflikt zwischen Verbänden
Der Fall Khelif wird zusätzlich durch den Streit zwischen IOC und IBA erschwert. Das IOC erkennt den von Russland abhängigen und in Korruptionsvorwürfe verstrickten Boxverband seit 2019 nicht mehr an. Die IBA hatte Khelif von den Weltmeisterschaften ausgeschlossen und wirft dem IOK nun vor, mit ihrer Zulassung zu den Olympischen Spielen die Fairness und Gesundheit der Gegnerinnen zu gefährden.
Das IOC widerspricht und verweist darauf, dass Khelif schon lange gegen Frauen kämpfe und die Teilnahmebedingungen erfülle. Die algerische Seite sieht in den Vorwürfen Diffamierungsversuche gegen Khelif.
Meloni schaltet sich ein
Italiens Premierministerin Giorgia Meloni fordert hingegen, dass Athletinnen mit männlichen Chromosomen nicht bei den Frauen antreten sollten, um Fairness zu gewährleisten.
Die nächste Athletin, die vom Boxverband als intersexuell eingestuft wird, ist die Taiwanerin Lin Yu-ting, die am Freitag im Ring stehen wird. Ihr war die Bronzemedaille der Weltmeisterschaft 2023 nachträglich aberkannt worden.
Khelif macht weiter
Khelif selbst lässt sich davon nicht beirren und will in Paris Gold holen. "Ich kämpfe gegen jeden, der sich mir in den Weg stellt", sagte sie der BBC.
Nach dem Kampf hatte sich Carini am Donnerstag geweigert, Khelif die Hand zu geben. Außerhalb des Rings brach sie in Tränen aus. "Sie hat mich geschlagen und ich dachte nur: Basta", kommentierte sie den Kampf.
Carinis Trainer Emanuele Renzini wies auf die komplizierte Situation hin: "Es wäre einfacher gewesen, nicht anzutreten". Seit Tagen habe sie "ganz Italien" gebeten, nicht zu kämpfen. "Aber Angela war motiviert und wollte es", so Renzini. Sein Fazit: "Dieser Kampf war unfair".