Olympia 2024: Frauenboxen mit männlichen Chromosomen
Zwei Teilnehmende waren bei Weltmeisterschaften disqualifiziert. Sie hatten Geschlechtstests nicht bestanden. Verletzungsgefahr sorgt für Kontroversen.
Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat bestätigt, dass zwei Boxerinnen, die im vergangenen Jahr von den Weltmeisterschaften disqualifiziert wurden, weil sie die Geschlechtstests nicht bestanden haben, in Paris kämpfen dürfen.
Biologische Männer im Frauensport?
Imane Khelif aus Algerien und Lin Yu-ting aus Taiwan identifizieren sich als Frauen, haben aber nach Informationen des Internationalen Boxverbandes (IBA) XY-Chromosomen, die im Normalfall für die Herausbildung männlicher Geschlechtsorgane verantwortlich sind.
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Der IBA-Präsident Igor Kremlev hatte der russischen Nachrichtenagentur Tass mitgeteilt, DNA-Tests hätten bewiesen, dass die Betroffenen "XY-Chromosomen haben und daher von den Sportveranstaltungen ausgeschlossen wurden".
Diversität vs. Fairness und Verletzungsgefahr
Beide starten diese Woche in ihre olympischen Kämpfe: Khelif trifft in der 66-Kilo-Kategorie auf die Italienerin Angela Carini, Lin wird am Freitag in der 57-Kilo-Kategorie gegen eine noch ungenannte Gegnerin antreten.
Die Entscheidung des IOC ist sorgt für Kontroversen, denn über die Regeln, wer in der weiblichen Kategorie antreten darf, wurde in den letzten Jahren heftig gestritten. Über Kampfsportarten, bei denen das Risiko schwerer Verletzungen und sogar des Todes weitaus höher ist, wurde dagegen weniger diskutiert. Das IOC hatte die Entscheidung im Spannungsfeld zwischen sportlicher Fairness und dem Anspruch der Diversität den jeweiligen Sportverbänden überlassen.
Wissenschaftliche Untersuchungen haben laut einem Bericht des Guardian ergeben, dass die durchschnittliche Schlagkraft bei Personen, die die männliche Pubertät durchlaufen haben, um 162 Prozent höher ist als bei Frauen.
Ex-Boxweltmeister zeigt sich geschockt
Der ehemalige Boxweltmeister Barry McGuigan hat sein Unbehagen auf der Plattform X zum Ausdruck gebracht: "Es ist schockierend, dass sie tatsächlich so weit kommen durften, was ist hier los?"
Der internationale Boxverband IBA teilte dem Guardian mit, er habe die Entscheidung zur Disqualifikation beider Personen bei den Weltmeisterschaften "nach einer umfassenden Überprüfung getroffen, um die Fairness und Integrität des Wettbewerbs zu wahren".
Inzwischen wurde dem Verband jedoch die Durchführung des olympischen Boxwettbewerbs in Paris untersagt – als Grund wurden Führungsfragen und eine Reihe von Wertungsskandalen genannt. Der olympische Boxwettbewerb findet nun unter der Schirmherrschaft der Boxabteilung Paris 2024 des IOC statt, für die weniger strenge Regeln gelten.
In einer Erklärung des IOC heißt es, die Boxregeln, die bei den Olympischen Spielen in Tokio 2020 und den entsprechenden Qualifikationsturnieren galten, seien als Grundlage für die Entwicklung der IOC-Regeln verwendet worden. Man sei bestrebt gewesen, Änderungen in Grenzen zu halten, "um die Auswirkungen auf die Vorbereitung der Athleten zu minimieren und die Konsistenz zwischen den Olympischen Spielen zu gewährleisten."
IOC informiert über nicht bestandene Geschlechtstests
Auf der MyInfo-Website des IOC wird jedoch eingeräumt, dass beide Boxerinnen im vergangenen Jahr die Eignungstests nicht bestanden haben.
In seinem internen System, das den Journalisten in Paris zur Verfügung gestellt wird, stellt das IOC fest, dass Khelif "nur wenige Stunden vor ihrem Goldmedaillenkampf gegen Yang Liu bei den Weltmeisterschaften 2023 in Neu-Delhi, Indien, disqualifiziert wurde, nachdem ihr erhöhter Testosteronspiegel die Zulassungskriterien nicht erfüllte."
Das IOC räumt auch ein, dass Yu-ting "ihre Bronzemedaille aberkannt wurde, nachdem sie die Teilnahmebedingungen aufgrund der Ergebnisse eines biochemischen Tests nicht erfüllt hatte".
XY-Chromosomen und Androgenresistenz
Die Organisation Human Rights Watch (HRW) hatte sich 2020 gegen Geschlechtstests für Sportlerinnen ausgesprochen. Dabei stünden größtenteils Frauen aus dem globalen Süden im Fokus, deren Körper "auf der Grundlage willkürlicher Definitionen von Weiblichkeit und rassistischer Stereotypen kontrolliert" würden, argumentierte HRW.
Für weltweite Schlagzeilen und Kontroversen hatte vor einigen Jahren der Fall der südafrikanischen Läuferin Caster Semenya gesorgt, die trotz XY-Chromosomen augenscheinlich als Mädchen geboren wurde. Grund hierfür soll eine Androgen-Resistenz gewesen sein, welche in seltenen Fällen die Ausbildung männlicher Geschlechtsorgane bremst.