Elektrifizierung: Enorme Fortschritte

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Die Energie- und Klimawochenschau: Von Fortschritt und Fortschrittsängsten, von Preisverfall und Schnäppchenjägern und von einer weiter expandierenden Solarindustrie

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Tageszeitungen, Magazine und Nachrichtensendungen bombardieren ihre Leser und Zuschauer gewöhnlich mit allerlei Unglücken, Katastrophen und Kriegen. Auch in Sachen Klimaschutz und Energiepolitik ist das meist nicht anders. Dabei gerät leicht aus dem Blick, dass es durchaus auch erfreuliche Nachrichten gibt, dass sogar hin und wieder auch über positive Trends berichtet werden kann.

Ein Beispiel dafür sind die Fortschritte in der globalen Elektrifizierung. Noch um das Jahr 2000 waren weltweit über zwei Milliarden Menschen ohne Zugang zur Stromversorgung, doch inzwischen sind es weniger als eine Milliarde. Das geht aus Informationen der Internationalen Energie Agentur (IEA) hervor. Indien habe 2018 alle Dörfer elektrifiziert und wolle bis Anfang der 2020er den allgemeinen Zugang zur Stromversorgung überall sicherstellen.

In Asien habe die Elektrifizierung 2017 91 Prozent der Menschen erreicht. Im Jahre 2000 seien es erst 67 Prozent gewesen. In Bangladesch wären vor 18 Jahren erst 20 Prozent der Menschen mit elektrischer Energie versorgt worden, 2017 seien es hingegen bereits 80 Prozent gewesen. In Indonesien - mit seinen bald 270 Millionen Einwohnern einer der bevölkerungsreichsten Staaten - hätten inzwischen 95 Prozent der Einwohner Zugang zum Netz.

Quo vadis, Afrika?

Derweil liegt Afrika in der Entwicklung noch weit zurück. Erst ab 2014 wurden Fortschritte in der Elektrifizierung schneller als das Bevölkerungswachstum. Daher warten südlich der Sahara über 600 Millionen Menschen - mehr als im Jahre 2000 - weiter darauf, ihre Lebensmittel kühlen, abends bei Licht lesen und arbeiten oder das Handy im eigenen Haus aufladen zu können.

Die IEA vermisst in Afrika jedoch eine weitere Beschleunigung der Elektrifizierung und geht davon aus, dass das Bevölkerungswachstum den Fortschritt auffressen wird. Deshalb werde die Zahl der Menschen ohne Zugang zur Stromversorgung bis 2030 sogar wieder leicht zunehmen. Allerdings hat die IEA bisher in allen ihren Prognosen der letzten 20 Jahre regelmäßig das Potenzial der erneuerbaren Energieträger unterschätzt.

Immerhin gibt es auch in Afrika beachtliche Fortschritte, namentlich in Äthiopien, Nigeria, Kenia und Tansania. In einigen afrikanischen Ländern habe die Entwicklung inzwischen reichlich an Tempo gewonnen. Kenia will die Elektrifizierung des Landes bis 2022 abgeschlossen haben, Äthiopien will bis 2025 so weit sein. Letzteres gehört zu den weltweit ärmsten Ländern ist aber zugleich eine der am schnellsten wachsenden Ökonomien.

Dort setzt man neben gigantomanischen Wasserkraftwerken auch auf Insellösungen für Dörfer. 35 Prozent der Bevölkerung soll mit Mikronetzen versorgt werden. Bei größeren Entfernungen zwischen den Kraftwerken und Dörfern mit vergleichsweise geringem Verbrauch ist das oft die günstigste Variante.

Dennoch haben von den 1,2 Milliarden Menschen seit 2000 erstmals mit Strom versorgten Menschen fast alle Zugang zum öffentlichen Netz, schreibt die IEA an anderer Stelle. 70 Prozent von ihnen bezögen Strom aus fossilen Kraftwerken (45 Prozent Kohle, 19 Prozent Erdgas, sieben Prozent Diesel, Abweichung vermutlich aufgrund von Rundungsfehlern).

Ignoranz im globalen Dorf

In den letzten fünf Jahren hätten allerdings die Erneuerbaren und Insellösungen aufgrund fallender Preise an Boden gewonnen. In dieser Zeit hätten sie sechs Prozent aller neuen Elektrifizierungen ausgemacht, zusammen mit Wasser- und Geothermiekraftwerken rund ein Drittel. Namentlich in Afrika gibt es inzwischen zahlreiche Projekte, die Solaranlagen auf die Dörfer bringen. Beispiele finden sich hier, hier und hier.

Doch selbst wenn es bereits eine Anbindung ans regionale Netz gibt, spricht mitunter einiges für Insellösungen, wie das Beispiel der philippinischen Stadt Paluan auf der Insel Mindoro zeigt. Dort wurde, wie die Plattform PV-Tech berichtet, vor kurzem eine lokale Versorgung etabliert, die auf Solaranlagen mit zwei Megawatt Leistung, Speichern und drei Dieselgeneratoren basiert. Über das regionale Netz waren die Einwohner bisher nur für einige Stunden am Tag und das auch nur höchst unzuverlässig versorgt worden.

Die Bedeutung kann nicht überschätzt werden. Elektrizität bedeutet, dass Schüler und Studenten mehr Zeit zum Lernen haben, dass in den Krankenhäusern und medizinischen Stationen Impfstoffe gekühlt werden können; sie bedeutet Zugang zu Funk- und Fernsehen, zum Internet, zum Mobilfunknetz. Die vollständige Elektrifizierung der Menschheit bis 2030 gehört daher zu den von den Staaten im Rahmen der UNO definierten nachhaltigen Entwicklungszielen.

Wie es aussieht, rückt sie insbesondere mit der drastischen Verbilligung von Solarmodulen in greifbare Nähe und wird damit den Planeten noch etwas mehr zum Dorf machen, während - nicht nur hierzulande - autoritäre Charaktere zunehmend von Ängsten vor anderen Sprachen und Kulturen geplagt werden, vollkommen unwissend, wie sehr alles, was sie denken, essen, sprechen und anziehen seit jeher vom grenzüberschreitenden Austausch geprägt ist.