Emotional Quotient

Warum Gefühle für die Künstliche Intelligenz bestenfalls noch weit entfernt sind

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die in Sciencefictionfilmen normalerweise auftretenden Roboter können zwar sprechen, aber in der Regel wird ihre Stimme nicht wie die unsere affektiv moduliert. Im allgemeinen sprechen sie mit einer "hölzernen Stimme" - mit Ausnahme von "Androiden", also sehr menschenähnlichen "Pseudorobotern", wie Data in der Serie Star Treck.

Robot Coq vom MIT

Diese affektlos ausgesprochenen Worte stellen, dem Anschein zum Trotz, keinen "Trick" des Regisseurs dar, der den Zuschauern die Unterscheidung zwischen dem Menschen und den ihn nachahmenden Golemmaschinen erleichtern soll. Es geht darum, dass wir außer dem intellektuell artikulierten Leben ein emotional bedingtes Leben haben. Und gerade in den letzten Jahren begann dieses "emotionale Leben" allen denjenigen ihre Arbeit zusätzlich zu erschweren, die eine "künstliche Intelligenz" konstruieren möchten. In bisher praktizierten Testversuchen - die den "Turing-Test" in seiner klassischen Gestalt auf Probe stellen sollten, d.h. in der ein Mensch, der mit einem anderen sich unterhält, feststellen soll, ob er mit einem Menschen oder mit einer "nichtlebendigen Imitation" (sagen wir, um die Sache zu vereinfachen, mit einem Computer) spricht -, lässt sich die ganze Konversation auf das Schreiben oder eher auf das Tippen von Fragen oder Antworten auf die Tastatur eines Geräts zurückführen. Der Computer ist dabei mit dem Rechner des anderen verbunden ist, der den Gesprächspartner gleichfalls nicht sehen kann, weil auch er seine Texte auf der Tastatur tippt. Diese typische Art von Versuchen erdrücken im Keim die Frage, ob in dem geführten Gespräch auch Emotionen zur Geltung kommen. Man könnte allerdings im Text, der vollständig von der Anwesenheit des lebendigen Gesprächspartners abgeschnitten ist, durch Modulationen das Zufließen oder Abfließen von Emotionen imitieren, die gar nicht wirklich vorhanden sind.

Dieser Aspekt wurde jedenfalls immer unangenehmer für die praktischen und theoretischen Befürworter der "Artificial Intelligence". Dabei geht es zuerst darum, was solche Affekte, Emotionen oder Gefühle sind, die wir als positive, negative oder ambivalente Gemütszustände empfinden. Sie treten nicht nur im Wachzustand auf, da es in der Regel auch im Schlaf emotionale Vorgänge gibt. Ich werde aber auf die Traumsphäre hier nicht eingehen, weil es im Traum oft passiert, dass die darin erlebten Emotionen der "normalen" Zuordnung zu den Ereignissen, die im Wachzustand stattgefunden hätten, nicht entsprechen. Gleichwohl hat dies auch eine gewisse Bedeutung für das Problem der Möglichkeit der Simulation von Emotionen, weil manchmal - im Traum oder beispielsweise nach Einnahme einer Droge - Wahrnehmungen mit Affekten auftreten, die für den "normalen Wachzustand" nicht "normal" sind. Das bedeutet, dass sich die Emotionen von den erlebten "Geschichten" lösen können und das Leben, das sich aus Wahrnehmungen zusammensetzt, dass etwas so und so ist, sowie das Leben, das auf dem Strom der emotionalen Zustände gründet, auseinander treten.

Im Normalfall sind beide miteinander verknüpft und sogar stark miteinander verbunden. Es ist ganz normal, sich auf ein Treffen mit einem lange nicht gesehenen Freund zu freuen. Es ist ganz normal, bei einer Nachricht über ein Unglück oder über den Tod eines Bekannten Trauer zu empfinden. Es ist ganz normal, laut aufzulachen, wenn wir sehen, dass sich jemand auf eine Pfanne voll Rühreier mit Tomaten setzt. Und es ist ganz normal, Angst zu empfinden, die in Panik übergeht, wenn das Bremspedal im Auto, mit dem wir gerade fahren, statt das Fahrzeug zu bremsen, ohne Widerstand versinkt, und unser Vehikel gegen ein anderes oder in das Meer rast. Abgesehen davon wissen wir über die Besonderheit der Zeichen, die emotionale Zustände charakterisieren, nicht viel. Wir wissen beispielsweise, dass der Mensch in Gesellschaft viel leichter lacht, wenn andere auch lachen. Deswegen werden in Filmen für "Trottelzuschauer", die nicht richtig begreifen, wann man lachen soll und wann nicht, zur "richtigen" Zeit während der auf dem Bildschirm dargestellten Handlung Lachausbrüche wiedergegeben. (Allerdings wird nicht jeder dieser "Lachanweisungen" auch befolgt: ich z.B. meide sie im Fernsehen, da ich mich lieber nicht in den Kreis der Personen einschließen lasse, die nicht wissen, ob und wann man lachen soll. Aber das war nur eine Abschweifung vom Thema.)

Aus Untersuchungen, die in letzter Zeit durchgeführt wurden, geht hervor, dass Menschen Gefühle, die vor allem durch Mimik, aber auch durch Körpersprache ausgedrückt werden, oft nur vortäuschen. Das kann sich aus dem Savoir-vivre ergeben. So bemühen wir uns, keinen Ärger zu zeigen, wenn wir die furchtbar langweilige alte Tante sehen, die wir gerade gestern übers Telefon belogen haben, dass wir heute für längere Zeit verreisen. Wir werden hingegen so tun, als würde uns die Begegnung "freuen". Das professionelle Simulieren der Gefühle, die von Schauspielern und Schauspielerinnen gespielt werden, stellt eine gewöhnliche und in diesem Beruf notwendige Fähigkeit dar. (Gegenwärtig sind erotische Kussszenen "modisch", die mit beidseitigem Öffnen des Mundes beginnen, als ob man unbedingt eventuelle Essensreste und Bakterien aus den Zähnen und dem Hals der geküssten Person herauslecken wollte. Dieser Gebrauch erleichtert jedoch das "Abspielen" von leidenschaftlichen Küssen, weil man lediglich den geöffneten Mund auf den anderen Mund "montieren" muss. Auch das war natürlich wieder nur eine Nebenbemerkung.) Die Skala an Gefühlen, die durch den Gesichtsausdruck signalisiert werden, ist unermesslich reich. Übrigens beschränkt sich die "faziale Signalisierung" nicht ausschließlich auf das Gesicht. Jeder normaler Mensch, der durch das Telefon spricht, obwohl er seinen Gesprächspartner auf der anderen Seite nicht sieht, bewegt unwillkürlich seinen Körper und seine Hand so, dass er eine vor allem emotional sinnvolle Gesprächsbegleitung schafft.

Die Fähigkeit, die erwünschten situationsbedingten (z.B. durch die Familientradition, durch das Savoir-vivre usw.) Gefühle zu simulieren, ist den Menschen in sehr unterschiedlichem Maß gegeben. Einige können die nicht erlebten Gefühle ausgezeichnet und andere schlechter "spielen". Ich z.B. kann schlecht "spielen", und es fällt mir sehr schwer, einen ungebetenen Gast, vor allem wenn er mich bei der Arbeit stört, mit einem herzlichen Lächeln willkommen zu heißen. Untersuchungen, die mit einem "Polygraphen", also einem Lügendetektor, durchgeführt werden, wobei man parallel auf gleichzeitig laufenden Papierbändern den Blutdruck, den Puls oder den elektrischen Hautwiderstand misst, der vom Feuchtigkeitsgrad abhängig ist, was offenbart, ob der Untersuchte mehr oder weniger schwitzt, werden zwar auch in der Kriminalistik eingesetzt, aber sie geben keine sichere Diagnose, ob der Untersuchte die Wahrheit sagt oder lügt. Einerseits gibt es völlig unschuldige Neurotiker, die sehr stark auf heikle Fragen reagieren, obwohl sie mit der laufenden Ermittlung nichts zu tun haben, und andererseits gibt es Massenmörder und Vergewaltiger, die bei dieser Untersuchung eine völlig nüchterne und neutrale Gleichgültigkeit zeigen.

Wenn wir dem noch besondere, vor allem kreative Fähigkeiten hinzufügen, bei denen nicht nur wie bei den guten Schauspielern die jeweils erlebten geistigen Zustände mit der affektiven Hauptkomponente verbunden werden und in ihren Höhen und Tiefen aufwallen, wenn wir also zur Menge der guten Schauspieler noch die Menge der Künstler, der kreativen Wissenschaftler, der besessenen Fanatiker oder der Demiurgen hinzufügen, zeigt sich erst wirklich unsere völlige Ratlosigkeit gegenüber den Aufgaben, die sich die fleißigen Befürworter der Künstlichen Intelligenz stellen: Wie kann man einen Computerintellektuellen, sofern sich ein solcher konstruieren lässt, mit Programmen des emotionalen Reagierens ausstatten? Vor allem beginnt das Problem meistens damit: Um eine Emotion zu erleben, muss man begreifen, dass man sie zu erleben hat ...

Das ist kein einfacher Circulus in explicando, weil keiner vor einer Löwenhaut, die mit Heu ausgestopft ist, Angst haben, der weiß, dass es kein lebendiger sondern ein ausgestopfter Löwe ist. Aber leider ist das sehr schwierig, da sogar Deep Blue, der Kasparov Schachmatt gesetzt hat, nicht einmal wusste, dass er Schach gespielt und die Partie gewonnen hat. Emotionen gab es nur bei einer Partei (Kasparov). Aus der Lektüre, aus Bekenntnissen, aus Erinnerungen und last but not least aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es kaum möglich ist, in Depression zu sinken, irgendeine Art Kummer zu haben oder sich verloren zu fühlen und gleichzeitig humorvoll zu schreiben. Positive Emotionen sind jedoch nicht dasselbe wie ein Sporn für ein Pferd oder Doping für einen Athleten: derjenige, der, wie man sagt, vor Lachen platzt, ist nicht besonders dazu prädestiniert, eine tolle Humoreske zu schreiben.

Das ganze Malheur der Computer liegt darin, dass ihnen alles absolut "egal" ist. Alle Computer des amerikanischen Weltraumshuttles Challenger, das gleich nach dem Start durch eine Explosion zerstört wurde (es gibt ein Buch darüber von Richard Feynman), wussten, verstanden und dachten in der Zeit, als der Rumpf mit der ganzen Mannschaft in den Ozean fiel, nichts, während sich die Astronauten, wie man weiß, in den letzten Sekunden auf den Tod vorbereiteten und die diesen Sturz begleitenden Gefühle empfanden.

Nein, man weiß nicht, was machen muss, damit der Computer emotional gestimmte Erlebnisse haben würde, wobei in der letzten Zeit immer mehr Stimmen laut werden, dass ein gefühlloser Intellekt nicht voll leistungsfähig sein kann. Einige gehen in ihren Annahmen sogar noch weiter und sagen, dass nicht nur das Gehirn allein das hauptsächliche "Instrument" der Affekte sei, weil dafür der Körper, der zittern und schwitzen kann, und das schlagende Herz oder der Blutdruck unbedingt erforderlich seien. Ich bin des Letzteren nicht sicher, weil Querschnittsgelähmte, die sich überhaupt nicht bewegen können, durchaus Gefühle empfinden. Es ist zu befürchten, dass erst ein Gerät, das so subtil und komplex wie unser Gehirn aufgebaut sowie mit Sensoren versehen ist, imstande sein wird, Gefühle nicht nur wie eine geschickte simulierende Marionette nachzuahmen, sondern auch wirklich zu empfinden.

Übrigens ist all dies sehr kompliziert, weil wir wissen, dass niedrigere Geschöpfe als der Mensch, vor allem Säugetiere wie Hunde, Katzen oder Affen, Gefühlszustände von enthusiastischer Freude bis zum tiefen Trübsinn erleben. Wir wissen dies, obwohl uns ein Hund oder eine Katze nichts darüber mitgeteilt hat und unser Wissen sich ganz auf die Wahrnehmung des Verhaltens beschränkt. Wir wissen also, dass Emotionen evolutionär dem Entstehen des menschlichen Intellekts vorangingen und dass sie mit ihm stark verbunden und verkettet sind. Man schreibt gegenwärtig in den USA viel über den "EQ", den "Emotional Quotient", aber wir können ihn unter anderem deswegen nicht messen, weil es a) bei einer "Affektometrie" um N-Dimensionalität gehen müsste, da es so viele Gefühlszustände und individuellen Nuancen gibt, und weil man b) emotionale Zustände rein äußerlich simulieren kann. Wäre dies anders, könnte man zwischen guten, mäßigen und jeglicher schauspielerischen Begabung baren Schauspielern nicht unterscheiden (Ich selbst gehöre leider (?), wie ich zugeben muss, zu der Teilmenge der unfähigen Nachahmer des Empfindens von Gefühlen, die ich nicht wirklich habe). Natürlich überschreitet die angesprochene Problematik in vielen Bereichen weit meinen Text. Es hat sich letztlich z.B. gezeigt, dass Lachen gar nicht wirklich "froh" sein muss. Unter anderem thematisierte dies Witold Gombrowicz in seinen Novellen. Aber dabei handelt es sich wohl um Bereiche, welche die Computersimulation wahrscheinlich auch im kommenden 21. Jahrhundert nicht erreichen wird ...

Während ein ungünstiger Einfluss der als "negativ" bewerteten Gefühle als ein Komplex von Faktoren, die das kreative intellektuelle Schaffen bremsen, gut bekannt und auch verständlich ist (Trauer, Betrübnis, Depression - Gefühlseffekte des Unglücks), ist der Einfluss der Faktoren, die mit positiven Affekten gefärbt sind, auf die kreative Leistungskraft immer noch eher rätselhaft. Es scheint mir, dass die Fähigkeiten des Menschen, die ein entsprechend programmierter Computer noch am besten simulieren kann - von mathematischen Operationen bis zum Ausspielen von Konfliktsituationen, die durch unveränderliche Regeln wie beim Schachspiel zu erschließen sind - im Allgemeinen mit einem minimalen Einsatz von Emotionen stattfinden. Dagegen können sich die Emotionen, die die Leistungsfähigkeit steigern, außer in der künstlerischen Sphäre par excellence auch als sehr wichtig für das Erreichen von Zielen erweisen. Allerdings ist es nicht so, dass man ein Ziel desto erfolgreicher erreichen wird, je stärker man es erreichen will. Weder normale Werke noch "Meisterwerke" hängen im direkten Verhältnis von der Steigerung der willentlichen Komponente ab. Auch der stark mit Affekten gesättigte Faktor der Ambition trägt nicht immer direkt zum erreichten Effekt bei. Wenn sie direkt beitragen würde, wäre z.B. ein Schreibwütiger mit größerer Ambition auch dem olympischen Thron näher.

Der emotionale Zustand stellt aber etwas mehr als nur eine vorteilhafte "Startbedingung" für die geistige Arbeit dar. Die ganzen ungelösten Probleme rühren daher, dass es eine spezielle kognitive Aktivität, die den Menschen, z.B. einen Künstler, wissen lässt, wie er mit den ihm durch die Welt oder durch sich selbst gestellten Aufgaben fertig werden kann, in der natürlichen Evolution nicht gibt. Wir lösen also zwar die Aufgaben erfolgreich oder scheitern an ihnen, aber erfahren nicht unbedingt, was dabei in unserem Kopf vor sich gegangen ist. Die Evolution eliminiert nämlich nach Möglichkeiten aus den geistigen oder auch psychischen Aktivitäten jegliches Bewusstsein von den Methoden der Abfrage.

Man muss jedoch ausdrücklich betonen, dass der Anteil an emotionalen Faktoren bei geistig fruchtbaren Aktivitäten verschiedener Menschen recht unterschiedlich ist ("Si duo faciunt idem, non est idem"). Außerdem kann ein Individuum, das für bestimmte intellektuell wichtige Arbeiten begabt ist, in einem anderen Bereich nur durchschnittlich oder unterdurchschnittlich begabt und daher in seinem Bemühen weniger oder gar nicht erfolgreich sein. Wir wissen nicht, um es noch einmal zu wiederholen, welche stimulierende Rolle die Emotionen spielen. Die Intuition, wie wir sie verstehen, ist selbst keine Emotion, aber sie kann auf Emotionen gründen. Ein emotional engagierter "Randschreiber"-Mathematiker wie Fermat könnte vielleicht annehmen, dass er seine "große Vermutung" gelöst, aber nur keinen Platz gefunden hatte, um den Beweis niederzuschreiben. Wenn der Druck des emotionalen "Triumphs" groß ist, kann man leicht einen Fehler begehen, indem man angeblich unwesentliche Hindernisse übersieht. Weil wir bereits wissen, dass man mit der existierenden algorithmischen Methode und den von der Biologie abgeleiteten Algorithmen nicht alles lösen kann, ist hier eher Umsicht und Mäßigung als ein übertriebener Optimismus angebracht ...

Geschrieben im Sommer 1997

Aus dem Polnischen übersetzt von Ryszard Krolicki