Ende der Zeitumstellung soll von 2019 auf 2021 verschoben werden
Die derzeitigen Regierungen von Großbritannien, Schweden und Polen möchten die Maßnahme beibehalten
Nach einer Online-Umfrage, die ergab, dass überwältigende Mehrheit der Teilnehmer eine Abschaffung der zweimal jährlich anstehenden Zeitumstellung wünscht (vgl. Kommt das Ende der Zeitumstellung?), versprach der scheidende EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im September, diesen Wunsch noch vor den nächsten Europawahlen im Mai Wirklichkeit werden zu lassen. Daraus wird nun doch nichts, wie ein geleakter interner Fortschrittsbericht für das am Montag anstehende Treffen der Verkehrsminister der EU-Mitgliedsländer zeigt.
In dem Papier heißt es, "die meisten Delegationen" hätten gefordert, "den Zeitrahmen für die Anwendung der Richtlinie zu verlängern, da sie das vorgesehene Datum 1. April 2019 [sic] als zu ehrgeizig betrachten" und gerne mehr Zeit für eine "detaillierte Folgenabschätzung" und für "die Durchführung und Auswertung aller erforderlichen Konsultationen" hätten, damit ein "gründlich koordiniertes Vorgehen mit benachbarten Ländern und anderen EU-Mitgliedstaaten möglich ist". Als Alternativdatum steuern sie nun den 1. April 2021 an.
2021 - oder irgendwann danach?
Die Bürger der Länder, die zur Normalzeit zurückkehren wollen, müssten dann bis zum 31. Oktober 2021 warten. Allerdings ist keineswegs ausgeschlossen, dass auch dieser Termin nicht eingehalten wird. Die Regierungen von drei Mitgliedsländern möchten die Zeitumstellung nämlich beibehalten. Eines davon, das Vereinigte Königreich, wird voraussichtlich im März 2019 aus der EU ausscheiden. In einem anderen - Schweden - ist ein Regierungswechsel möglich bis wahrscheinlich. Aber im dritten - Polen - sitzt die Regierungspartei so fest an der Macht, dass man ihr wohl Zugeständnisse in anderen Bereichen machen müsste, um eine Blockade zu verhindern. Andere Regierungen sind sich anscheinend nicht sicher, zu welcher der bislang vier Zeitzonen in der EU ihr Land nach der Abschaffung der Zeitumstellung gehören soll.
Für die Morgenpost, die den Zwischenbericht als erste in die Hände bekam, ist er "ein schwerer Rückschlag für die EU-Kommission", die sich "einmal besonders bürgernah zeigen" wollte, aber jetzt nur "Wasser auf die Mühlen von EU-Kritikern" gießt. Der von der Zeitung befragte CDU-Europaabgeordnete Peter Liese hat nach eigenen Angaben zwar "ein gewisses Verständnis" dafür, "dass die EU-Mitgliedstaaten sagen, die Zeitumstellung soll nicht schon im kommenden Frühjahr enden", hält die Verschiebung auf 2021 aber für "maßlos übertrieben". "Wir sollten", so das Mitglied im Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, "eine Entscheidung auf jeden Fall vor den Europawahlen im Mai 2019 treffen", damit man im Herbst 2019 letztmalig auf mitteleuropäische Normalzeit umstellen kann. Ländern, die bei der Sommerzeit bleiben wollen, könnten diese dann im Frühjahr 2020 dauerhaft einführen.
Zeitumstellung weltweit auf dem Rückzug
Deutschland, Österreich und viele andere europäische Länder können bei der Abschaffung der Zeitumstellung auf die Erfahrungen zurückgreifen, die man im letzten Jahrhundert bei der zweimaligen Wiederabschaffung der im Ersten und im Zweiten Weltkrieg genutzten Maßnahme machte. Anfang der 1980er Jahre führten die BRD, die DDR und Österreich die Zeitumstellung wieder ein, um der energiepolitischen Erpressung durch das OPEC-Kartell entgegenzuwirken. Das klappte jedoch nicht, wie Untersuchungen zeigten: Tatsächlich werden Einsparungen beim Licht (das nach dem Siegeszug der LED-Lampen nur mehr einen deutlich kleineren Teil des Energieverbrauchs ausmacht) durch verstärktes Heizen in den kalten Morgenstunden "überkompensiert". Die Zeitumstellung kostet also Energie, anstatt welche zu sparen.
Hinzu kommen Daten, die auf eine deutliche Zunahme der Verkehrsunfälle während der Umstellungsphasen hindeuten, und negative gesundheitliche Auswirkungen wie ein höheres Herzinfarktrisiko. Einer Forsa-Umfrage nach klagen im Zusammenhang mit der Zeitumstellung 79 Prozent der Deutschen über Probleme wie Schlafstörungen, Konzentrationsunfähigkeit und Gereiztheit. Bei 13 Prozent treten sogar depressive Verstimmungen auf. Fast drei Viertel der Deutschen lehnen die Zeitumstellung deshalb ab.
Darüber hinaus gibt es - sowohl für Reisende als auch für die Wirtschaft - zweimal jährlich potenzielle Anpassungsschwierigkeiten mit den Ländern, die eine Zeitumstellung nicht für sinnvoll halten - und die werden eher mehr als weniger (vgl. Russland beerdigt die Zeitumstellung). In China, dem einwohnerstärksten Land, werden die Uhren ebenso wenig umgestellt wie in Russland und der Türkei. Gleiches gilt für fast alle anderen ost- und südasiatischen Länder (einschließlich der Wirtschaftsgiganten Japan, Südkorea und Indien), den weitaus größten Teil Südamerikas sowie fast ganz Afrika. Dass es in 48 der 50 US-Bundesstaaten eine Zeitumstellung gibt, hat für Europa insofern keinen Anpassungsnutzen, als diese dort erst eine Woche später erfolgt.