Ende der billigen Rohstoffe?

Erdölraffinerie MiRO, Werkteil 1 in Karlsruhe; Bild: Karlsruhe:Raffinerie/ CC BY 2.0 DE

Wertschöpfung: Deutschland hat seinen Wohlstand auch auf der Nutzung billiger Rohstoffe aufgebaut. Das führt zu Problemen und Risiken, wie nicht nur die Krise mit Russland zeigt.

In der Entwicklungshilfe-Diskussion der vergangenen Jahrzehnte wurde häufig darauf hingewiesen, dass die Rohstoffländer doch zur eigenen Entwicklung die Verarbeitung dieser Rohstoffe selbst vornehmen sollten.

Ständig wachsende Märkte schienen da auch Platz für alle zu bieten. In der Praxis und auf der Basis bilateraler Abkommen wurde diese Weiterentwicklung jedoch eher behindert - die Industrialisierung Afrikas kommt bis heute nicht wirklich vom Fleck.

In Asien war der Weg der Entwicklung deutlich erfolgreicher und so kommen heute alle mechanischen Festplatten für Computer aus Ost- und Südostasien und die überwiegende Zahl der PV-Module aus China.

Wie es den Entwicklungsländern in der Vergangenheit immer wieder empfohlen wurde, hat sich Russland in den vergangenen Jahren gezielt in die Lieferketten eingekauft.

Steigende Anteile der Wertschöpfungskette bei den Rohstoffländern

2017 hat die Rosneft Deutschland GmbH (eine Tochtergesellschaft von Rosneft) ihr Raffinerie- und Vermarktungsgeschäft in Deutschland aufgenommen.

In Deutschland ist Rosneft das drittgrößte Unternehmen in der Mineralölverarbeitung. Die verarbeitete Menge beträgt rund 12,5 Millionen Tonnen Rohöl pro Jahr; das sind mehr als 12 Prozent der gesamten Verarbeitungskapazität in der Bundesrepublik.

Das Tochterunternehmen Rosneft Deutschland GmbH ist sowohl für die Belieferung der Raffinerien PCK, MiRO und Bayernoil mit Rohöl verantwortlich als auch für den Vertrieb der Mineralölprodukte.

Die drei deutschen Raffinerien (PCK in Schwedt, MiRO in Karlsruhe und Bayernoil in Neustadt a.d. Donau) mit Rosneft-Beteiligung zählen zu den modernsten Anlagen Westeuropas. In den vergangenen drei Jahren war Rosneft für durchschnittlich rund ein Viertel der Rohölimporte nach Deutschland verantwortlich.

Rosneft

Neben den drei genannten Raffinerien, der PCK Raffinerie GmbH, die direkt aus Russland beliefert wird, werden die MiRo Mineralölraffinerie Oberrhein GmbH & Co. und die Bayernoil-Raffineriegesellschaft mbH über die Transalpine-Pipeline aus Triest mit Rohöl versorgt.

Russischen Hintergrund hat auch die Gunvor Raffinerie Ingolstadt GmbH, die aus der insolventen Firma Petroplus hervorgegangen ist. Die Raffinerie in Ingolstadt war der Auslöser dafür, dass in den 1950er-Jahren die Transalpine-Pipeline gebaut wurde.

Das Unternehmen Gunvor könnte den deutschen Verbrauchern bald auch noch mit seinen Kohleminen in den USA und Südafrika begegnen. Gunvor-Miteigentümer Timtschenko stammt aus Russland, lebte früher in St. Petersburg. Er ist inzwischen finnischer Staatsbürger und lebt in der Schweiz.

Seit dem Beginn der Sanktionen liefert Russland mit griechischen Tankern mehr Rohöl nach Indien, als dort benötigt wird, was Indien die Möglichkeit bietet, die Produkte auf dem Weltmarkt anzubieten.

Russland auch bei anderen wichtigen Rohstoffen in der Lieferkette

Ob das von zahlreichen Verbrauchern als Alternative zu anderen Energieträgern beliebte Brennholz jetzt knapp und teuer wird oder ob das nur Panikmache ist, hängt ganz davon ab, wen man fragt und nur die Wenigsten dürften noch ein verbrieftes kommunales Recht auf billiges Brennholz haben.

Russischen Produkten auszuweichen, ist bei weitem schwieriger als von der Bundesregierung und von der EU-Kommission erwartet. Der spezielle Stahl für die Nägel zur Produktion von Paletten, ja sogar das für die Paletten benötigte Holz, kam vielfach aus Russland und Belarus.

Sehr komplex ist die Situation beim Edelgas Neon, das in der Chipproduktion benötigt wird. Das Gas fällt als Nebenprodukt in russischen Stahlwerken an und wurde in der Ukraine gereinigt und aufbereitet. Dass diese Lieferkette jetzt unterbrochen ist, verwundert kaum.

Die Lieferkette für künstliche Saphire, die zu 80 Prozent aus russischer Produktion stammen und die beispielsweise für die Produktion von LEDs benötigt werden, scheint bislang noch intakt zu sein.

Das russische Bergbauunternehmen Nornickel, ehemals Norilsk Nickel, zählt zu den zehn größten Privatunternehmen Russlands, fördert Nickel und ist mit einem Weltmarktanteil von 14 Prozent der weltgrößte Nickelproduzent.

Bei Palladium soll das Unternehmen einen Weltmarktanteil von 41 Prozent besitzen und bei Platin mit einem Weltmarktanteil von zehn Prozent der drittgrößte Produzent sein. Daneben produziert man Kupfer, Silber, Kobalt, Rhodium, Iridium, Ruthenium, Selen, Tellur und andere Buntmetalle. Die Produktion von Gold wurde inzwischen an eine andere Gesellschaft mit den gleichen Aktionären ausgelagert.

Problem Titan

Bei Titan ist Russland Weltmarktführer. Allein VSMPO-Avisma soll einen Weltmarktanteil von rund 30 Prozent haben. Der europäische Flugzeughersteller Airbus bezieht rund die Hälfte seines Titans von diesem Unternehmen, an dem die staatliche russische Rüstungsholding Rostec eine Sperrminorität hält.

Ein vollständiger Ersatz der russischen Titanlieferungen dürfte auch deshalb schwierig werden, weil sich VSMPO-Avisma an die eingangs genannte Idee der Weiterverarbeitung von Rohstoffen hält und neben rohem Titan geschmiedete Spezialprodukte produziert und in einzelnen dieser Segmente den Markt dominiert.

Wie bei Neon wurde Titan in der Vergangenheit aus festen Handelsbeziehungen mit der Ukraine vermarktet. Diese wollte die Abbaurechte zuletzt jedoch an neue Investoren aus dem Westen versteigern.

Im Gegensatz zu Airbus hat Boeing offensichtlich inzwischen den Bezug von russischem Titan ausgesetzt.

Weltweit größter Titanproduzent ist inzwischen die Volksrepublik China, wo die größtmögliche Integration von Lieferketten durch langfristige Kontrakte anstelle der im Westen präferierten Gelegenheitskäufe auf dem Spotmarkt zur gängigen Philosophie von Staat und Unternehmen zählt.