Energiekrise: In Ostdeutschland könnte Stimmung bald kippen
Angesichts steigender Preise warnt eine ostdeutsche Ministerin vor sozialen Unruhen. Ostdeutsche CDU-Politiker erinnern Robert Habeck an seinen Amtseid und Wirtschaftsverbände zeigen sich offen für russisches Erdöl.
In Ostdeutschland ist die Bundesregierung nicht wohlgelitten; besonders die Sanktionspolitik gegenüber Russland erhitzt zunehmend die Gemüter. Brandenburgs Finanzministerin Katrin Lange (SPD) sagte im Interview mit der Märkischen Oderzeitung (MOZ), der Unmut sei längst auf der Straße spürbar.
Von dieser Situation wollen nun offenbar auch die Christdemokraten profitieren. CDU-Wirtschaftspolitiker aus den fünf ostdeutschen Flächenländern haben sich in einem offenen Brief an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gewandt.
Die massiv gestiegenen Energiepreise treiben die Inflation in nicht gekannte Höhen, heißt es da, und das treffe Ostdeutschland besonders. "Das, was in den vergangenen 30 Jahren nach der Wende mühsam aufgebaut und stabilisiert wurde, wird nicht mehr zu retten sein, wenn die Bundesregierung an ihrer bisherigen Linie ideologisch geprägter Energiepolitik festhält."
Von Habeck gefordert: Schaden vom deutschen Volk abwenden
Ihnen geht es dabei weniger darum, Klimaschutz und Energiesicherheit auf einen Nenner zu bringen. Was sie fordern, liest sich so, als gäbe es keinen Klimawandel, der berücksichtigt werden müsste: Die heimische Braunkohle soll bis 2038 genutzt werden, schreiben sie; die Laufzeiten der Atomkraftwerke sollten verlängert werden; und die Erdgasfelder in Niedersachsen sollten mit der umstrittenen Fracking-Technologie erschlossen werden.
Die Landtagsabgeordneten erinnerten Habeck an den Amtseid, den er geleistet hat. Dieser sieht vor, dass ein Bundesminister Schaden vom deutschen Volk abwenden soll. Um nicht eidbrüchig zu werden, soll Habeck unter anderem kurzfristig ein Versorgungskonzept für die Raffinerie in Schwedt (Oder) vorlegen.
Die CDU-Politiker favorisieren die Lieferung von Erdöl nach Schwedt über die "Druschba"-Pipeline. Sie solle auch über den 31. Dezember hinaus in Betrieb bleiben. Ob damit auch die Rücknahme des freiwilligen Verzichts auf russisches Erdöl gemeint ist, geht aus dem Schreiben nicht hervor.
Wirtschaft: Zur Not auch russisches Erdöl nutzen
Ostdeutsche Wirtschaftsverbände werden hier deutlicher: Über die "Druschba"-Pipeline solle Erdöl aus Kasachstan importiert werden. Gemeinsam mit Tanker-Öl aus Rostock könnte der Weiterbetrieb der PCK-Raffinerie in Schwedt voraussichtlich zu 100 Prozent gesichert werden. Sollten dennoch alle Stricke reißen, solle weiterhin russisches Erdöl genutzt werden.
Der Mehrheitseigner der Raffinerie, der russische Energiekonzern Rosneft, hatte der Bundesregierung Anfang Juni den Vorschlag unterbreitet, statt russisches Erdöl zu verarbeiten, auf kasachisches zurückzugreifen. Doch eine klare Haltung hat die Bundesregierung bislang nicht.
Brandenburgs Finanzministerin Lange sagte nun, es sei etwas Bewegung in die Sache gekommen. "Der Bund scheint jetzt Ersatzlieferungen aus Kasachstan offener gegenüberzustehen." Das sei zu begrüßen, aber es bleibe auch dabei: Die Raffinerie müsse voll ausgelastet weiterarbeiten können und alle Arbeitsplätze müssten erhalten bleiben.
Lange hat allerdings ihre Zweifel, ob das wirklich gelingen wird. Es seien noch viele Arbeiten erforderlich. "Das fängt beim Hafen in Rostock an, der ertüchtigt werden muss, und zieht sich bis zur technischen Aufrüstung der Leitung", so Lange. Dass die Arbeiten rechtzeitig abgeschlossen sein werden, bezweifelt sie.
Warnung vor sozialen Unruhen
Angesichts der drohenden Energiekrise hatte Bundeswirtschaftsminister Habeck empfohlen, weniger zu duschen. Um halbwegs gut über den Winter zu kommen, rufen andere dazu auf, Energie zu sparen, wo es nur geht.
Ministerin Lange fand dafür deutliche Worte: "an dieser penetranten Verzichtspropaganda" wolle sie sich nicht beteiligen. "Manche Spartipps von hochbezahlten Funktionären empfinde ich als geradezu zynisch", sagte sie.
Und sie warnte: "Die soziale Frage kommt mit Macht zurück". Sollten sich die Gaspreise verdreifachen, wie es die Bundesnetzagentur prognostiziert hat, dann würde das "massive Folgen für sehr breite Schichten der Bevölkerung haben". Das sei ein Spiel mit dem Feuer, betonte sie und sagte: "Dann geht es hier richtig zur Sache".
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